II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 323

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18. Der einsane Neg
triefende Baktrienfahrer Sala? Kein Mensch, kein mehr die Vollkraft besesse
Herakles noch einmal zu verrichten, ein literarischer
Wort, kein Empfinden ist dem so charakteristi= warmem Lebenshauch
Poseur, der in dem Wahn lebt, hundertmal Gesagtes
schen und leicht kenntlichen Leben unserer origi= durchdringen; sie gleichen
noch einmal sagen dürfen in der eigenen Attitüde.
nellen Stadt entnommen; vielmehr sind alle wesent= Exempelstatuierung in
Und diese Attitüde? Man kennt sie längst und
lichen Züge des Stückes der Eigenart des Wieners ganz wieder hergeholt wurden.
weiß, daß auch sie nicht von Schnitzler stammt, man hat
zuwiderlaufend. Wiener Konslikte ergeben sich aus der Bildnerkraft des Alters em
die poetisierenden Wortspiele und Deutweisen, die in den
Kraft und Lust zum Leben. Schnitzlers Personen jedoch, der fundamentaler Unzulängl
ersten Werken Schnitzlers, kecken al fresco=Skizzen, noch
Vielleicht noch
Maler, der Dichter, die grämliche Johanna, c tutti quanti
nicht vorkamen, seither von den d'Annunzios und Hof¬
reden zwar immer von ihrer Lebenslust, wandeln aber Dichters überhaupt offe
mannsthals bis zum Ueberdruß vernommen. Und wie
das Ungeschick des Dram
in Wirklichkeit dahin wie die Schatten aus Charons¬
flach und sei ht nehmen sie sich in der Schnitzlerschen
der albernen Baktrierges
Nachen. Graue Verdrossenheit, ein gelangweilter Ernst,
Diktion neben der tiefsinnigen Symbolik des großen
dem Stück aufgestellt wir
eine philiströse Sachlichkeit erfüllt alle diese Schein¬
Norwegers Ibsen aus! Dort sa lagende Treffsicherheit der
Feau und Tochter Salas
wesen. Sie gehen mit akademischer Genauigkeit auf und
Worte, packende Ueberzeugungskraft der Vergleiche, hier
akt stirbt die schuldige M
ab und reden ihre Formeln her, als wollten sie sagen:
mühselig abgerungene rhetorische Ekstasen, unwahre, be¬
im letzten Zwischenakte
Ich spreche jetzt von Lebensgenuß und Freude, weil es mir
deutungslose Spielereien mit subjektiven Lyrismen; dort
Stück bringt Sala
der Autor so vorgeschrieben hat, warum weiß ich selbst nicht.
vollständiges Verschwinden des Dramatikers hinter den
Totentanz. Und dieser
Von dem Lebensdrang, der die Kämpfe des Stückes
Aktionen seiner Gestalten, hier selbstgefällige Vordring¬
Mensch begreift, wa
anfacht, ist nichts zu merken; mit seriöser Pedanterie
lichkeit der Person des Autors in all seinen Charakteren
geht!
ins Wasser

macht sich ein jeder daran, den in der Schnitzlerschen
und Uniformierung der Figuren mit seinen Anschauungen.
deutungen über Todes
vorschrifts¬
Theatermaschine nötigen „Lebensgenuß“
Kurz gesagt, das Gebaren eines literarischen Gernegroß,
den Haß, den sie gegen
mäßig zu vollbringen. In dem ganzen Stück gibt
der seine Gaben lieber zu Unsinnigkeiten zwingt, statt sie ihrem
so vermutlich auch
es kein Lachen. Wie die Marionetten, mit steifer
Maß entsprechend bescheiden zu gebrauchen, und unter den
sterbenden Sala, empf
Regelmäßigkeit ihrer hölzernen Puppenbewegungen
mitleidigen Blicken aller beständig über seine Verhältnisse
Hysterismen, aber keine
stelzen die Akteure ihre „einsamen Wege“ entlang, bis
lebt. Das ist das wesemliche der sväteren Arbeiten Artur
das kuarrende seelenlose Räderwerk der fünf Akte abge= schließungen. Und die
Schnitzlers, des „Zwischenspiels“ und „einsamen Wegs“.
und Sohn, wie plump t
schnurrt ist. Die Gewissenhaftigkeit, mit der sie ihre
Im „einsamen Weg“ sucht er aber noch durch eine
wirksam. Es gibt eine fi
Genußsünden begehen, macht sie nicht zu tragischen Er¬
andere Pose zu wirken, die man sich kaum anders als
dasselbe Sensationsthen
scheinungen, sondern zu unentschuldbaren Verbrechern
durch Spekulation auf das Berliner Tiergartenviertel
effektvoller behandelt.
niedriger, fast animalischer Art, die ihre Sinnlichkeits¬
erklären kann. Am Schluß des Theaterzettels heißt es
Ibsenschen Seelentragöd
verirrungen mit vollem Bewußtsein und in klarer Ein¬
nämlich: „Wien — Gegenwart“. Das verblüfft jeden,
Wird dieser mäßig
sicht, ohne die geringsten eihischen Erschütterungen unter¬
der das Stück kennt, und gewinnt den Charakter einer
nehmen und durchführen. Es ist ein Geschlecht kleinlich einsehen, daß er höchsten
Faischmeldung. Wo um alles in der Welt ist in dem
dem modern=pornographi
mißratener Tantaliden, die einer ungesunden, verbildeten
Stück auch nur der winzigste Anhaltspunkt dafür zu
Ein Spaßmacher für sei
und überspannten Phantasie entsprungen sind, nicht aber
finden, daß es in Wien spielt? Was ist darin wienerisch?
Pathetischen, allenfalls e
Etwa das fade, erkünstelte Geschwätz Johannas* Oder dem Leben angehören, am wenigsten dem Leben Wiens.
der langweilige Ulanenleutnant? Oder der weisheit=! Der greise Ibsen hatte in seinen allerletzten Werken nicht