II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 355

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18. Der einsane Nen
Telephon 12.801.
„UDOERTER
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burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausscnmitt Eateressantes Blatt, Wien
24. 5. 1906
vom:
Me
Theater an der Wien. Das Ensemble
des Lessingtheaters brachte als Novität „Der
einsame Weg“. Drama in fünf Akten von
Arthur Schnitzler. Die bürgerlich einfache Welt
den freigeistigen Lebenskünstlern und Lebens¬
verächtern gegenübergestellt. Der Dichter sagt
nicht, wer Recht hat. Er kann es ja auch
nicht. Aber er stellt den Zuschauern Figuren
hin, von denen sich jeder die ähnlichste aussuchen
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mag, um mit dieser Art von Selbstbetrachtung
die Wege der Zukunft zu erkennen. Da ist der
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Maler Julian Fichtner und der Dichter Sala.
Beide sind vom selben Holze, Epikuräer, Raub¬
ritter im Genuß. Fichtner als ein Fanatiker der
Freiheit, Sala als alles verachtender Philosoph.
Der Maler läßt sich weder von einem Weibe
noch von der Arbeit auf die Dauer binden,
und bringt es so nur zu Episoden innerer Be¬
friedigung. Aber er wird schwach, wie es dem
Alter zugeht, er dürstet nach aufrichtiger Liebe,
und er sucht seinen schönen, jungen Sohn auf,
das Kind seiner Sünde, der durch die Heirat
seiner Mutter gerettet wurde. Zu dem Sohne
kommt er mit reuiger Beichte, will sich ihn
zurückgewinnen. Der Sohn weist ihn zurück.
Für ihn ist Vater der, der ihm ein Leben voll
Fürsorge geschenkt hat. Der Lebensweg des
Malers wird einsam bleiben. Sala aber, der
sich weder von dem Schicksal noch von den
Menschen irgendwie anfechten läßt, ist gegen
sich selbst so stark wie gegen die andern. In diese
dramatisierten Dialoge, diese Philosophie, über
deren richtige Folgerungen jeder nachdenkt, wird
im Gang der Handlung noch eine mysteriöse
Liebesgeschichte getragen, die Schnitzler nach
nordischem Beispiel mit dunkelm Schleier über
den Motiven versehen hat. Der Sohn des Malers
hat eine Schwester, ein eheliches Kind seiner ver¬
führten Mutter, die sich Sala hingibt und sich
darn in den Teich stürzt. Hat sie etwa durch
die Liebe ein kurzes, aber wahres Glück gefunden
und fürchtet sich nun vor ferneren Enttäuschungen? Hier
kommt Schnitzler der Art Ibsens am nächsten, in dessen
Spuren er mit dem ganzen Stück wandelt. Ein Kunstwerk,
wenn auch zu stark überladen mit philosophischen Arabesken.
Genug damit, wir bitten um Romantik und Handlung,
Draufhauen der Farbe! Herr Reicher packte den Maler
unglücklich an, er gab diesem Stimmungsmenschen märkische
Trockenheit. Frau Triesch gab die Johanna. Genußreich
war die Zeichnung Salas durch Sauer.