II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 362


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Peeenn
mann Fichtner. Trotzdem errang der „Einsame Weg“ einen
llängeren Gastspiele im Theater an der
effekt.
Von der heimlichen Sehnsucht, die Kerr einmal als stürmischen Demonstrationserfolg, der aber mehr als dem
s war auch gar nicht anders möglich:
den Grundzug aller Dramen seines Lieblingspoeten be= Werke und seinen Trägern dem anwesenden Dichter galt.
Elichen Begeisterung, die voriges Jahr
Man hatte den Eindruck, das Publikum wolle in vehementer
uen Theater aus Berlin und die vor
zeichnet hat, ist in „Elga“ nichts zu verspüren. Es ist eine
Entladung eine lang aufgespeicherte Entrüstung darüber
n Moskauer Schauspielern entgegen¬
recht gute Dramatisierung, die sich von ähnlichen Arbeiten
kundgeben und den Dichter dafür entschädigen, daß weder
Er, konnte man nicht gleich wieder die
anderer Nutzdramatiker nur durch eine edlere Sprache,
der „Einsame Weg“, noch „Der Schleier der Beatrice“, noch
Esmus anzünden und in die Fanfaren
durch gelegentlich aufleuchtende schönere Bilder und durch
„Der Ruf des Lebens“ bisher in Wien aufgeführt worden
toßen. Ein Augenblick der Erschöpfung
Ansätze zu psychologischer Vertiefung unterscheidet. Der
waren.
ßte naturnotwendig dem übertriebenen
Schluß bei Grillparzer (Oginski entspringt, Starschenski
Den stärksten, sogar zur Anderung des Spielplanes
Ruhepause unvermeidlich eintreten. Be¬
töket Elgan) scheint mir abschließender und stilgemäßer
und zur Verdrängung von „Elga“ führenden Erfolg hatte
Ewesen, wenn das Lessingtheater unter
als Hauptmanns Lösung, in der Elga mit einem: „Ich
die hier bekannte und draußen so berühmte Rosmers¬
iden gehabt hätte. Denn das zugunsten
hasse dich! Ich speie dich an!“ das letzte Wort behält.
holm=Aufführung des Lessingtheaters. Es ist ein großer
otgesagte Theater Brahms zeigt dies¬
Elga war Irene Triesch: klug und fesselnd, wie
Fortschritt Otto Brahms über den konsequenten Naturalis¬
e die Vorzüge, die ihm einst seinen
immer, aber nicht so einheitlich, wie sonst. Den Grafen gab
mus hinaus, daß er Ibsen mehr und mehr pflegt und
haben. Ihm gehören große Schau¬
[Rittner mit seinem ziemlich unverändert durch die Jahre
fürs nächste Jahr statt der üblichen „Respektsvorstellungen“.
gehenden Naturburschentum, dessen urwüchsige Naivität bei
n, wie Bassermann, Sauer, Rittner,
einen ganzen Ibsenzyklus ankündigt. „Rosmersholm“, das,
Else Lehmann, an, was man bei Rein¬
dem leichtgläubigen polnischen Edelmanne gut am Platze
1886 geschrieben, heuer sein zwanzigstes Wiegenfest feiern
; seine Regie ist der Reinhardts ziem¬
war. Auch Reichers trockene Art paßte trefflich zu dem wort¬
kann, ergreift mit seinem urewigen Konflikt zwischen
kr in der Ausstattung bleibt Brahm
kargen, treuen Hausverwalter. Wenn der starke Erfolg der
freiem Individualismus und opferfrohem Adelsmenschen¬
en Rivalen zurück, da ihm, wie er
ersten Aufführung gleichwohl nicht anhielt, so lag das zu¬
tum die Gemüter wie am ersten Tag. Und Interpreten wie
t hat, das Wort des Dichters und das
meist an den langen Pausen, die sich, des Dekorations¬
Bassermann oder Irene Triesch sind so recht geeignet, den
ers wichtiger seien. Nochmals: es wäre
wechsels halber, zwischen die kurzen, heißatmigen Szenen
geweihten Ton leidenschaftlicher Sehnsucht nach einem
Brahm und seine Künstler durch den
einschoben. Schlag=auf=Schlag=Stücke wie Elga kann man
höheren Dasein anzuschlagen. Dagegen ist es uns Wienern
iffentlichen Meinung gelitten hätten.
nur auf der Drehbühne spielen. Und den Dramaturgen der
völlig unbegreiflich, wie der trockene Reicher, der den
t so. Die große Menge der Theater¬
Zukunft bleibt es überhaupt vorbehalten, als wichtigste
Rosmer wie den Solneß kalt und leer hersagt, den Ruf
rch das Urteil der Presse viel weniger
Bedingung so manches Erfolges die möglichste Abkürzung
eines „fast voll befriedigenden Ibsendarstellers“ und über¬
keiniglich angenomm wird. Während
der Pausen mittels Geschwindigkeit und Drehbühne durch¬
haupt „des eigentlichen naturalistischen Meisterspielers der
k vor leeren Stühlen spielten, erziesen
zusetzen.
Epoche“ erlangen konnte. So nennt ihn wenigstens als
Deutschen einen Tag wie den anderen
Zur Einleitung wurde vor Elga das erste der drei
Sprachrohr Deutschlands Max Martersteig in seiner
das Gastspiel bereits verlängert werden
Schnitzlerschen Marionettenspiele, der nachdenkliche „Pup¬
penspieler“ gegeben, ein Einakter, der für Wien fast umfangreichen Theatergeschichte, wo er bei Reicher „phan¬
t Brahm aus seinem letzten mißglück¬
als Novität in Betracht kommen konnte, da er nur ein tastisch-bizarre Elemente“ konstatieren will. Und der aller¬
hjahr 1904) die richtigen Lehren abge¬
dings leicht entflammte Liliencron hat ihm gar zugesungen:
er nur drei Stücke mitgebracht, die bis
einzigesmal — vor zwei Jahren in einer Wohltätigkeits¬
„Lieber Meister, großer Meister!
khorgelt wurden: die für Wien zu jener
vorstellung des Carltheaters — von Jarno gespielt, aber
Gott mit uns — Emanuel!
nicht ins Repertoire aufgenommen worden war. „Der
ber“, bei denen er auf das sozialistische,
Ich geh' selten ins Theater;
Puppenspieler“ ist die Geschichte eines Dichters, der nach
Pebens“, bei dem er auf das sexuelle,
doch seh dich ich angekündigt,
seinem ersten Bühnenerfolge das Theater zu verachten und
“bei dem er auf das Moment speku¬
laß ich alles andre liegen,
mit wirklichen Menschen zu spielen beginnt. So führt er
fhr als vielumstrittener Autochthoner
stülpe meinen alten Filz auf.
lehungskraft ausüben würde. Er hatte einen zaghaften jungen Freund und eine liebe junge
laufe schleunig an den Schalter
Freundin bei einem fröhlichen Feste zusammen. Was er
und belege eine Loge.“
Dagegen ein abwechslungsreiches Reper¬
spielend einleitet, führt jedoch das Leben zu fruchtbarem
Je ein einziges Mal legte das Ensemble drei seiner
Ernste und Ende. Es vereinigt die beiden „Puppen“ zu
ken, die für Wien neu sind oder, weil
einer glücklichen, mit einem Kinde gesegneten Ehe, während naturalistischen Paradestücke hin: Hauptmanns „Biberpelz“,
wie neu anmuten, teils von solchen
es den Puppenspieler selber in Heimatlosigkeit, Armut und Hauptmanns „Weber“ und Holzens „Traumulus“.
spezifisch norddeutschen Charakters von
Der „Biberpelz“ wurde Else Lehmann zuliebe
Einsamkeit stürzt. Erst nach vielen Jahren kreuzt die zu¬
fuble nie so vollkommen wiedergegeben
gegeben, damit sich die einstige Lustspielsoubrette des
friedene Familie zufällig den einsamen Weg des Schöpfers
on Berlinern.
Wallnertheaters, deren Spezialität Weiber aus dem Volke
ihres Glückes, der nun obendrein noch hören muß, daß die
kn für Wien bisher Gerhart Haupt¬
sind (Regine, Hanne, Anisja, Pauline), in der ihrem Tem¬
junge Freundin damals ihn geliebt habe und ihm so
nd Schnitzlers „Einsamer Weg“
perament ziemlich kongruenten Rolle der Mutter Wolffen
gern ein friedliches Heim bereitet hätte..
ihrer Verlinter Arefführung und bei
zeigen konnte. Gleicherzeit war damit für Oskar Sauer,
Albert Bassermann, nach wie vor seit Mitter¬
Buchhandel (Verlag S. Fischer)
dessen Domäne die schneidige Schärfe „norddeutscher offi¬
wurzer der blutvollste und geistigste Schauspieler Deutsch¬
Tagesboten) gewürdigt worden sind.
zieller Konvention“ ist, Gelegenheit geboten, seinen klassi¬
lands, vermochte aus diesem fragwürdigen Lebenskünstler
inte gelten, was seinerzeit von „Schluck
schen Amtsvorsteher Wehrhahn in die Erinnerung zurück¬
eine vom schmerzlichen Zauber entsagender Einsamkeit
#irde: man hätte es höchstens in Haupt¬
zurufen.
wundersam umwehte, unvergeßliche Gestalt zu bilden.
den dürfen. Freilich wird Brahm das
Hingegen wurde die tragische Komödie vom altidea¬
Wie eine Fortsetzung dieser Figur erschien Bassermanns
chter wohl abgenötigt haben. Denn seit
listischen, überhumanen Gymnasialdirektor Traumulus
Sala in der zweiten Novität des Lessingtheaters, im „Ein¬
(1894) war das deutsche Theater ge¬
nur für und von Bassermann gespielt. Sie gewann aus¬
samen Weg“, sowie dieses Drama selbst eine weitere
ereignis von „Hauptmann zu erhalten.
schließlich durch ihn reichstes, blühendstes Leben; denn
Ausführung des Grundgedankens im Puppenspieler sein
aber stockte es plötzlich, und da werden
Bassermann, mit geringeren Sprechmitteln begabt als
mag. Dieser Grundgedanke besagt, daß der Mensch, der sein
#nge gequält haben, bis er aus seinem
unser Kainz, stattet jede seiner Gestalten außer mit hellem
Leben lang niemandem aus ganzem Herzen angehört und
lich seiner eigenen Angabe 1896 geschrie¬
Geist auch mit einem warmfühlenden Herzen aus, was
mit dem Schicksal der andern immer nur gespielt hat, seinen
ft-rohe Dramatisierung der Grillparzer¬
der kühlere Kainz — der sonst vollkonnnen wäre — nicht
verkehrten Egoismus mit schrecklicher Verlassenheit im Alt¬
kloster zu Sendomir hervorsuchte. (Daß
imstande ist.
werden und Sterben büßen müsse, besagt, daß der einsame
früher erfolgte als die Aufführung,
Schon bei „Traumulus“ und „Biberpelz“ waren die
scher Takt.) Es sind fünf mehr hinge= Weg ein Irrweg sei. Außer an Sala wird die These, daß
übrigen Mitwirkenden nicht auf der Höhe der Protagonisten.
alle Lebensspieler bankrott werden, auch an dem zweiten
hrte Szenen, die wie „Hannele“ in den
Bös aber ist eine Vorstellung der „Weber“, die allerdings
Helden des Stückes, Julian Fichtner, bewiesen. Von der
himes gesteckt sind.
nur anspruchsloseren Nachmittagsbesuchern versetzt wird.
Schauspielerin Irene, die ihn geliebt hat, riß Julian sich
dem Grafen Starschenski wird durch
Martersteig rügt in der erwähnten Theatergeschichte „die
einst los und verführte die Braut seines Freundes Wegrath.
er Timoska der Verdacht erweckt, daß
verwerfliche Praxis Brahms, einmal in Gang gebrachte
Weil er sich aber nicht binden wollte, ließ er auch dieses
betrüge.
Stücke später mit Besetzungen erster und zweiter Reserve
Glück im Stich. So geschah es, daß der ahnungslose Weg¬
und ihr Geliebter, der Vetter Oginski,
geschäftlich auszubeuten und so Serien von Vorstellungen
rath die Verführte heiratete und den Sohn Julians für
enen Gatten beinahe überrascht; doch
zu biet n, in denen der Dilettantismus, von keinem Hauch
sein eigenes Kind hielt. Jetzt, da Jplian alt geworden ist,
unerkannt.
eines rünstlerischen Gesamtgeistes mehr berührt, sich offen¬
möchte er seinen Lebensabend durch einen liebenden Sohn
redet ihrem Mann ein, der nächtliche
bart“, und nennt diesen Vorgang eine Düpierung des vom
verschönern und enthüllt dem jungen Wegrath das Geheim¬
Kammermädchen gegolten. Gleich darauf
Ruhn des Theaters und des Stückes angelockten Publi¬
nis seiner Geburt. Der aber weist ihm die Tür. Und ebenso
im Schmuckkästchen seiner Frau ein
ugenscheinlich wollte uns Brahm nicht nur die
kums
rücksichtslos handelt der Jüngling, als ihm bekannt wird,
nskis, dem sein (des Grafen) zwei¬
guten zenschaften seines Theaters weisen, sondern uns
daß der andere Held, Sala, seine Schwester Johanna ver¬
verblüffend ähnlich sieht.
auch di schon literarhistorisch gewordene schlechte Seite
krschenski ladet den Vetter aufs Schloßj führt und so indirekt ihren Selbstmord verursacht hat. Er

seiner T hnik nicht vorenthalten. Nun, mit der heurigen
Geständnis und laßi ihn erdrosseln. Tetdeckt dem ahnungslosen Sala, daß er, Sala, schwer herz¬
Weberaufführung hat er uns auch davon eine genügende
Ursprung und Zeitpunkt der ganzen leidend sei und nur mehr wenige Wochen zu leben habe.
Auf dem Theater zerflattert dieses typische Lesedrama, Vorstellung beigebracht.
Elga, vom Grafen in das abgelegene!