II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 369

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18. Der einsane Nen
Die Schaubühne
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möglich wäre. Das kann ihr, zum Glück für sie und zur Beruhigung
für uns, sehr gleichgiltig sein, und so mag sie den Berlinern dauernd
erhalten bleiben, denen sie ja, wenn ich nicht irre, teuer ist.
Wir aber in Wien könnten uns wünschen, die paar einzigartigen
Individualitäten: Rittner, Bassermann, Sauer, Else Lehmann und etwa
noch einen oder den andern der jüngern Kräfte, bei uns zu haben. Nicht
weil wir an ähnlich starken Individualitäten arm wären, sondern gerade
darum, weil wir von jeher auf solche Menschen gehalten und uns um
sie mit der ganzen Kraft unsrer Begeisterung bemüht haben. Solange
uns Brahm seinen Naturalismus, seine Ausgeglichenheit und Echtheit
brachte, war er hier eine vielbestaunte ausländische Spezialität. Jetzt,
da sein Theater der starken Persönlichkeiten dem unsern im Prinzip
verwandt geworden ist, lieben wir seine Großen, beneiden ihn darum
und lernen doppelt schätzen, was wir an Gleichwertigem und wohl
Willi Handl
auch an Höherwertigem hier besitzen.
Dramaturgie
Rezept zum Erfolg (erprebt!). Schreibe erst ein Stück, dann mache
Witze hinein. Bei den Droben wird das Stück gestrichen, die Witze
bleiben, und ein schwankartiges Lustspiel ist da.
Hat dein Stück eine süddeutsche Heldin, so nenne sie Alopsia Weinzierl.
An diesen Namen knüpft der Schlesier dionpsische Vorstellungen.
Gute Aktschlüsse gelten bei vielen Kritikern als Beweis menschlicher
Minderwertigkeit.
Wenn dich ein Uritiker Blumenthal nennt, so zähle dein Geld;
höhnt er dich Kadelburg, so nimm dir bei deinem Verleger tausend Mark
Dorschuß; schimpft er dich aber Fulda, so klage.
Herostrat hat das tragischste aller Schicksale erlitten. Dor zwei
Jahrtausenden zündete er einen Cempel an, um unsterblich zu werden.
Durch all die Zeit klang sein Name. Vor fünf Jahren schrieb Fulda ein
Drama „Herostrat“. Jetzt ist er vergessen. Gottes Mühlen mahlen langsam!
Unsre berliner Theaterleiter sind alle Patienten. Brahms Augen
sind angegriffen: er liest schwer und nicht immer richtig. Barnap ist
halbblind: er liest garnicht. Barnowskv ist nervenleidend: er versteht
nicht, was er liest. Reinhardt leidet an einer Ueberempfindlichkeit des
Trommelfells: er hört zu viel.
Carl Rößler