II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 404

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18. Der einsede Nen
Sohn. Und sie leben nicht lange und es ergeht ihnen bedeutet in keiner Hinsicht einen Gewinn, kann aber
s, ja nicht einmal gelingt, seine
unter Umständen sehr wohl Verluste bringen. Denn
nicht wohl auf Erden.
zu jenem anderen Vater, dem Pro¬
Schnitzlers Art, so ziemlich alle Gefühle zu verhöhnen
Diese Menschen sind nicht von unserem Fleisch und
hnur im geringsten zu erschüttern.
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und zu verleugnen, die nach unseren Begriffen den
Blut. Um diese Menschen zu erriären, bedarf ich nur
r Wegrath hat solche treue Anhäng¬
wertvollsten ethischen Besitzstand unseres Volkes bilden,
eines Wortes: Es sind jübische Menschen. Sie sind die
kötig. Denn eben betrifft ihn der
bedroht wie eine Seuche den Zuschauerraum des
Kreaturen eines Dichters, der glaubt, das uralte
Ausgang eines zweiten kleinen
Theaters.
Erbteil seiner Rasse: ihre Unstetheit, ihren zersetzenden
in das erzählte Hauptdrama einge¬
Der einsame Weg führt in unermeßliche Trost¬
Zweifel an allen lebensbejahenden Werten als dramati¬
ochter Johanna, dieses mehr als
losigkeit. Laster und Gemeinheit sind als Wegweiser an
schen Atem verwerten zu können. Es gibt kaum ein
e Mädchen, hat sich in einen anderen
seinen Rändern aufgestellt und kein Sonnenstrahl ver¬
Schnitzlersches Stück, an dem sich dies nicht nachweisen
Familie, den gleichfalls alternden
goldet ihn.
ließe. Viele von ihnen haben wienerischen Glanz und
von Sala verliebt und ist ihm
Auruf und Frage an das Hofburgtheater: Wo¬
Duft. Wie himmelweit aber liegen sie ferne von unse¬
geworden. Aus ungeklärter Ursache,
durch sah sich diese Hofbühne veranlaßt, dieses alte,
rem Wesen und Denken. Denn ihr Wienertum ist nur
halb, weil sie von dem Hausarzte
notorisch schlechte, anderweitig längst durchgefallene, ja
Anstrich, nur Fassade. Wie absolut wesensfremd uns
nSala unheilbar krank sei und nur
bei der Première am Deutschen Theater in Berlin laut
die Art doch ist, im Gespräch =unsere Gefühle zu zer¬
e zu leben habe, stürzt sie sich in den
und rücksichtslos verlachte Stück aufzuführen!?
fasern, sie mit glänzenden Worten vor dem anderen
Villa. Natürlich liebte er, dieser
auszubreiten, ihm unsere Träume und Vorstellungen
chaften überhaupt unzugängliche
Herr Paulsen veredelt die schönste Rolle dieses
aufzudrängen, wie es so viele der Schnitzlerschen Men¬
en nicht, sondern nahm sie, die
Stückes, den Professor Wegrath, mit seiner ganz ge¬
schen tun. Wie sehr es doch gegen unsere Natur ist,
Spiel und Laune so nebenher mit.
klärten Kunst. Herr Gerasch ist als Felix sympathisch
hinter allen, auch hinter den klarsten Dingen, Anlässe
de durch die Krankheit zu entgehen,
wie selten. Fräulein Wohlgemuth sieht man mit
zu quälend tiefsinnigen Grüblereien aufzuspüren!
nskünstler schließlich selber den Rest.
Bedauern ihre Hoheit an die Ueberspanntheiten der
Dieser einsame Weg spielt sich ab in ein paar Herbst¬
s auch dieser, womöglich noch un¬
Johanna verschwenden. Den Julian Fichtner spielte
tagen, deren Schönheit oft beteuert wird, niemals
selle als gleichfalls bemitleidens¬
aber ohne einen Seufzer, wie ich mich denn überhaupt Herr Devrient in einer Art, die sicher einen Gipfel
Alter Einsamen empfohlen werden
der Vollendung bedeutet, während Herr Walden als
nicht entsinne, während des ganzen Stückes auch nur
lich mit dem gleichen Mißerfolge.
Stefan v. Sala sich darin gefiel, diese ohnedies uner¬
ein einziges Mal lachen gehört zu haben. Wie gründlich
trägliche Gestalt so sehr zu überspitzen, als er nur ver¬
s angedeutetes Dramenmotiv: Die
verkennt dieser Dichter, dessen wienerische Note man oft
mochte. Keiner der Darsteller dachte daran, in diesem
ine Herms, welche Julian Fichtner
rühmen gehört hat; das Wiener Wesen und d. Wiener
angeblich wienerischen Stücke dialektisch Wiener¬
kführt und verlassen hat. Sie iebt auf
Landschaft, die auch dann noch heiter sind, wenn sie
tum anzudeuten. Keiner, außer Frau Bleib¬
rwandten, hat sich zur Not über ihre
wehmütig sind. Welch ein Nutznießer ist er am Blute
eine
Herms
treu,
mit ihrer Irene
die
getröstet, und macht dem einstigen
dieser Stadt, der man einreden will, sie habe ihm als
prachtvolle Gestalt von süßer Herbheit schuf.
wieder freundschaftliche Besuche. Als
ihrem Dichter zu danken. Auch heute wieder flogen uns
Das Schönste des Abends: die Szenerie des
ß Fichtner einen gerade aus der Zeit
unausgesetzt Worte, wie: Dornbach, schöner Weg bei
vierten Aktes. Ein Park um eine Villa in Dornbach,
stammenden Sohn hat, ist es mit
Salmannsdorf, Türkenschanze um die Ohren, daß
Ausblick durch eine Allee auf eine Waldwiese. Herbst¬
ungenen Fassung vorbei. Ihr bleibt
wir wohl meinen sollten, weiß Gott wie wienerisch doch
liches Verglühen. Die Abendsonne vergoldet die roten
s erlösende, das einzig befriedigende
dieses Stück sein müsse. Allein mir ist nicht bange.
Waldränder und scheidet ungern von der Bergwiese.
zu sprechen: „Schuft“.
Denn die Erkenntnis, daß auch der herrlichste Herbst¬
Dann allmähliche Dunkelheit und in der Villa zündet
wald von Dornbach nur so lange schön ist, so lange man Lichter an. Dies ist das Schönste dieses Abends
Schnitzlersche Menschen dort keine Villa haben, und
und man wird noch daran denken, wenn man sich
utzend Menschen quälen uns da ein
diesen Landschaftszauber nicht als Hintergrund für
keines der Worte mehr entsinnt, welche die Menschen
mit ihren Gemeinheiten, Verrückt¬
ihre unsauberen dramatischen Geschäfte mißbrauchen,
in diesem Parke schwätzten.
Wir verstehen sie nicht, sie rühren
diese Erkenntnis muß sich als viel, viel stärker er¬
Natürlich gab es nielen Beifall. Denn eine
ögen uns kaum zu interessieren. Sie
weisen, als die Bemühungen sämtlicher Feuilletonisten,
Schnitzler=Premiere zu belachen, wie es die glücklicheren
gen bilderreichen Reden, sie seufzen
die uns Schnitzler immer als den feinsten Kenner der
Berliner dürfen, wäre im Burgtheater Tollkühnheit.
Teil¬
sich umständlich um unsere
Wiener Seele und Wiener Landschaft anpreisen.
Der Dichter dankte mehrmals eilfertig und stets solange,
Glück
agen sich über unerreichbares
bis auch der allerletzte kunstbegeisterte Handelsjüngling
i unglücklich zu sein. Sie treiben Ganz und gar unbeschenkt, wie wir selten noch das
Hans Breck.a.
in Worten Liebe, Vater, Mutter, Theater verließen, entläßt uns diese Komödie. Sie müde war.