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18. Der einsane zeg
(Publ. Blatt.), Wien
—
Also spricht Sala, und die ganze Bitterkeit reifer
hatte, war gelehrt worden, einen anderen als Vater zu
menschlicher Erkenntnis spricht aus seinen Worten. Uebri¬
verehren. Aber in dem Augenblicke, sda Fichtner das
pn.
gens stehen sich genau so wie die beiden Männer zwei
Alter nahen fühlt, reklamiert er unbedenklich die Liebe
Frauengestalten gegenüber: die junge Johanna, die
seines Sohnes für sich. Umsonst. Einsam muß er seinen
Tochter Wegrath's, und (die ältere Irene Herms. Jene,
Weg weiterwandern. In diesen zwei Figuren spiegelt
ter.
ein poesieumflossenes Geschöpf, ein mystisches Weib das
sich die Weltanschauung sdes Dichters, und das Merk¬
die Gabe hat, dden Tod vorauszuahnen, wird des altern¬
viel in fünf Akten von
würdige ist es, sdaß beide in dem, wenn man so sagen
den Gala letztes großes Erlebnis und geht mit ihm zu
ler.
darf, „gefährlichen“ Alter stehen. Sie haben beide das
Grunde. Irene Herms war einmal auf ihren Lebenswege
Leben genossen. Jeder nach seiner Art. Und zu welchem
Ehrenpflicht gegen Ar¬
Fichtner begenet und ihm zum Opfer gefallen. Sie trug
Endergebnis sind sie gelangt? In einer Szene des vier¬
es sein reifstes — leider
das Leid tapfer und suchte Vergessenheit beim Theater.
ten Aktes gibt uns der Dichter sdie Antwort auf diese
DDer einsame Weg“
Ein „süßes Mädel“, das naiv geblieben war trotz seiner
übrigens von unvergleichlicher
Behn Jahren hat Schnitz¬
Frage. Diese Szene
Erlebnisse. So gehen diese Menschen an uns vorüber, lau¬
Schönheit — stellt den starken Sala dem schwachen
dder prangenden Pracht
ter Bankrotteure des Lebens, und wenn zum Schlusse
Fichtner gegenüber. Die Werte des Daseins werden ge¬
doch zu einer Zeit, wo
der alte Wegrath allein völlig gebrochen dasteht und
wogen, bis Sala kurz und bündig dem Fichtner die fol¬
tern denkt, denken muß,
Fichtner's Sohn ihm „Vater!“ zuschreit, so werden wir
gende Lebensbilanz ins Gesicht schleudert: „Lieben heißt,
end Abschied zu nehmen,
gewahr, daß auch Schnitzler zu keinem anderen Schlusse
für jemand anderen auf der Welt sein. Ich sage nicht,
ße Abschiednehmen von
kommen konnte, als daß die Schicksale der Menschen uner¬
daß es ein wünschenswerter Zustand sei, aber jedenfalls
hbesitzt, hat noch jedem
gründlich sind.
denke ich, wir waren beide sehr fern davon. Was hat
Schnitzler wurde nach¬
Das Burgtheater lieh dem Stücke seine ganze Kunft.
das, was unsereiner in sdie Welt bringt, mit Liebe zu
resigniert. Das Leben
Den Herrn von Sala spielte Harry Walden. Anfangs
tun? Es mag allerlei Lustiges, Verlogenes, Zärtliches,
In forschenden Blick und
zaghaft, tastend. Die Rolle schien ihm nicht zu liegen. Erst
Gemeines, Leidenschaftliches sein, das sich als Liebe aus¬
sophen. So geriet ihm
im Schlußakt wuchs er zur Höhe der Dichtung empor.
gibt, aber Liebe ist es doch nicht... Haben wir jemals
en Dingen bis in ihre
Ganz wundervoll Frau Bleibtreu als Irene Herms.
ein Opfer gebracht, von dem nicht unsere Sinnlichkeit
ck, in dem wir auch inter¬
Sie war von herzgewinnender Frische und fand doch, wo
oder unsere Eitelkeit ihren Vorteil gehabt hätte? .
peifellos irgendwo leben
Haben wir je gezögert, anständige Menschen zu betrügen, es nottat, einen Unterton, der uns die Tränen in die
Stück, in dem der Dichter
Augen tireb. Herr Devrient versagte als Julian Ficht¬
wenn wir dadurch um eine Stunde des Glückes oder
stand bleibt.
ner. Gehirnmenschen darzustellen, ist nun einmal nicht
der Lust reicher wersden konnten? ... Haben wir je
ung steht Herr von Sala,
seine Art. Frl. Wohlgemuth sah als Johanna wun¬
unsere Ruhe oder unser Leben aufs Spiel gesetzt, nicht
seinem Sinn zu formen
derschön aus. Aber an den Schönheiten, die in der Mäd¬
aus Laune oder Leichtsinn ... nein, um sdas Wohl¬
ber ein mutiger Mensch,
chengestalt, die sie zu verkörpern hatte, liegen, ging sie
ergehen eines Wesens zu fördern, das sich uns gegeben
ng verliert, da man ihm
achtlos vorüber. Sehr charakteristisch noch Frau Hae¬
hatte? Haben wir je auf ein Glück verzichtet, wenn dieser
Gegenteil. Ein echter
berle und Herr Paulsen, nur Herr Gerasch zu
Verzicht nicht wenigstens zu unserer Bequemlichkeit bei¬
einem Apercu auf den
sehr Schablone.
getragen hätte? Und glauben Sie, daß wir von einem
rhaupt, daß wieder ein
Das Stück wurde von dem Premierenpublikum des
Menschen, Mann oder Weib, irgend etwas zurückfordern
Frehr Haltung und weniger
Burgtheaters mit feierlichem Beifall ausgenommen. Es
dürften, was wir ihm geschenkt hatten? Ein Stück von
r Maler Julius Fichtner.
rief wiederholt Arthur Schnitzler vor die Rampe und
unserem Wesen, eine Stunde unseres Daseins, das wir
in vollen Zügen genoß,
schien ihn so aufmuntern zu wollen, auch fernerhin „ein¬
wirklich an sie verloren hätten, ohne uns gleich dafür
Phr.
ein wonnetrunkenes Ange
same Wege“ zu wandeln.
er sich nie gekümmert bezahlt zu machen, mit welcher Münze immer?“