II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 431

Ne
18. Der einsane—
usschnitt aus:
Der Morgen Wien
23. 2. 1914
Das Theater der Woche.
Burgtheater: Artur Schnitzler, „Derein¬
same Weg.“ Das Stück ist etwa zehn Juhre##or acht
Jahren hat es seine Uraufführung bei Brahm am Berliner
Lessingtheater erlebt; die Wiener haben es bei den Gastspielen
der Deutschen kennen gelernt. Bassermann gab den Herrn von
Sala, Reicher den Julian Fichtner, Stieler Felix den Sohn
zweier Väter, Sauer den Professor Wegrath, Irene Triesch das
Mädchen, das den Tod geliebter Wesen vorherfühlt, Else Leh¬
mann die resignierte Schauspielerin Herms. Schon damals war
es ein Sieg des Dichters, aber kein kräftiger, kein nachhaltiger
Theatererfolg. Draußen ging auch noch das Wienerische ver¬
loren, das all diesen Gestalten Farben leiht und einen wesent¬
lichen Teil der verschlagenen Lyrik bildet, an der dieses Werk
leidet. Es gehört zu denjenigen Arbeiten des Dichters, die man
gerade wegen ihrer Schwächen liebt. Er hat die Überzartheit, die
allzu künstliche Verknüpfung in diesem Spitzengewebe selbst
empfunden; das beweist vor allem sein nächstes Werk: „Der Ruf
des Lebens“, dem selbst sonst gerechter empfindende Kritiker
in Berlin den Vorwurf einer Kolportagehandlung machten.
Auch der letzte Akt dieses Stückes ist übrigens ein Beispiel, wie
Schnitzler seine freieste dichterische Höhe sehr oft auf undra¬
matischen Wegen erreicht, Über den „Einsamen Weg“ ist er in
jedem Sinne weit emporgelangt. Technik und dramatische
Muskelkraft sind seither gewachsen. Nicht so sehr an und für sich,
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sondern gerade an dem späteren Schnitzler gemessen, erscheint
„Der einsame Weg“ schon ein wenig veraltet, sind Schleier über
ihn herabgesunken. Ich hatte es noch ganz anders in Erinne¬
rung, ich fand zwar all die wunderschönen Stimmungen zwischen
den Gegenden, Menschen und Schicksalen wieder, nur meine
Stimmung, mein damaliges Entwicklungsbild Schnitzlers suchte
ich vergebens wieder. Wen der Dichter in sein „Westes Land“
geführt hat, der mag ungerecht geworden sein gegen die weichen,
feinen Vedutten seines „Einsamen Weges“.
Vielleicht waren es aber auch Regie und Darstellung im
Burgtheater, die den Berliner Eindruck verwischten, statt ihn
wieder aufleben zu lassen. Die Brahm=Leute kamen direkt von
Ibsen zu Schnitzler. Brahm hatte den „Sinn für das Wesent¬
liche“ an dem es den Regisseuren unserer Hofbühne zuweilen
mangelt. Wo die Berliner ins Symbolische, fast Mystische stili¬
sierten, stilisierte Deprient ins Pathetische. Sein Julian
Fichtner deklamierte ziemlich unwillig und gelangweilt, aber
pflichtgetreu darauf los. Stück und Rolle lagen diesem Künstler
nicht. Er ist ein Meisterspieler eherner und dabei tadellos frisier¬
ter Korrektheit oder unbiegsamen Hasses. Man darf ihn keine
genialischen Weichlinge spielen lassen. Auch ist der Regisseur
nicht, der Fräulein Wohlgemuth hätte zu den Mitteln leiten
können, mit denen eine Johanna Wegrath dem Verständnis des
Publikums näher gebracht werden könnte. Der Triesch hat man
solche Gestalten ohneweiters geglaubt, Fräulein Wohlgemuth
tastete ersichtlich angstvoll nach einem Führer, der sie auf diesem
schreckhaft einsamen Weg geleitet hätte. Sie war Fräulein und
schön und mußte doch ungeleitet in den düsteren Teich unter
den dunklen Buchen des Herrn v. Sala nach Hause gehen. #
Man hätte eben doch Frau Medelsky daran wagen müssen. Von
ihr wäre auch etwas Wärme auf den Sala Harry Waldens
übergeströmt. In dieser durchaus achtenswerten Leistung, die
von Akt zu Akt zu wachsen schien, war leider zu viel von einem
angestrengten Aufrecken zu merken. Man hatte das Gefühl, daß
Walden sich geistig und körperlich auf die Zehenspitzen stellt,
um zu der Rolle hinaufzureichen, sie fassen zu können. Dadurch
fliegt diesem Herrn v. Sala die Absichtlichkeit eines Poseurs
an. Walden schien besonders in den beiden ersten Akten zu
sorgsem um die Eleganz und Rundheit seiner weltmännischen
überlegenheit bemüht. Er spielte Persönlichkeit, aber gerade
1
die kann man nur dann fühlen 1##
davon überzeugt ist, daß man sie n
man sie ganz einfach hat. Dennoch
Akt in der großen Szene mit Ficht
im letzten Akt künstlerisch alles,
reichen läßt.
Wundervoll echt und einfach
der Lehmann=Rolle. Hier ist Persöl
verständlich zu machen, nur so zustr
Wienerisch war entzückend. Die —
Szenerie im Garten des Herrn ##
echte Wiener Herbstlandschaft, die
Bleibtreu ihr als Fräulein Herms
dieser Landschaft. Aufrichtig woh
Gerasch, der ja immer streben
zu können. Er hat die Haltung,
wachsenden Geschlecht lobt, und di
verharren, die ihm ersichtlich gut
als Professor Wegrath und Fra
von der Lüge ihrer Ehe verzehr
Führers; sie gaben sich unbekümm
und trafen sich so im Stil mit Fr
im Stücke gar nicht begegnen. So#
einsgnd Wege im Ensemble des