II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 439

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18. Der ein, Neg
„als meine Frau?“ Und sie, die Ein Drama ist er nicht. Denn der Weg des Dramas ist
anderswo hingeht als nach Baktrien, von außen nach innen. Durch Vorgänge zu der inneren
t wortlos voran; schenkt ihm für die Logik der Vorgänge, durch Gesprochenes zu Unaus¬
is Lebens eine außerordentliche Er= gesprochenem, vielleicht zu Unaussprechlichem. Im „Ein¬
Sala kann leider nicht mehr viel damit samen Weg“ ist's umgekehrt. Wir bekommen die Idealitäten
hm nicht die Zeit vergömnt, das Er= und müssen die Tatsachen fast erraten. An der Wand
Futter für sein verhätscheltes Ich nach erscheinen Intellekt= und Gefühlsschatten, nur höchst selten
r hört, daß sein eigenes Ende nahe, huscht etwas Körperliches über die Szene. Und was gewesen.
lich entschlossen, ihm nicht entgegen= nimmt dem, was ist, Luft und Atem. Es muß auffallen,
het. flüchtet vor dem üblen Geruch, vor wie oft in Schnitzlerschen Schauspielen das Präsens vom
Pein des Todes in den Tod ... Ach, Perfektum erschlagen wird. Immer spielt ein gewesenes
#u sterben; damit Männer erlöst werden, Drama die größte Rolle im gegenwärtigen. Immer
erscheinen Revenauts und verwirren die Lebenden.
Zuschauer weiß in seinem Innersten:
Ist das wirklich Ibsen aus dem Wienerwald? Ein fort¬
Mühe wert!
elpunkt beht durch das ganze Stück das währendes Mühen um das Problem der ehernen Kon¬
sequenz alles Geschehens? Oder liegt dem nicht die dumpfe
weiß nicht, ob es ein kunst-ehrliches
Ahnung eines schweren künstlerischen Mangels zugrunde?
tive eines Dramas dadurch zu vertiefen,
lder Handtung vorschreibt: knapp neben Das Gefühl, zu dünn=abstrakt, zu dialektisch zu sein? Und
Mit dem Tod reliefiert der Dichter das also das Bedürfnis, statt der fehlenden dramatischen Vor¬
seiner Bühne. Es ist ein Spiel zwischen gänge wenigstens den Schatten solcher ins Spiel zu
Akteure sind Tote, Tod=Suchende und mischen?
Die fünf Akte klingen heute schon matt; ein
tropft ein Teil der schwermütigen
auspiels automatisch aus dem Thema. Aber fader, süßlicher Hauch ist um sie, der kaum als
iches Werk des Dichters, seiner Kunst der Symptom für Unsterblichkeit zu deuten. Ein kluges, kein
chter und halben Töne. Ein brennender tiefes Schauspiel. Kein tiefes Schauspiel, wenn auch ein
se Nutzlosigkeit aller Erkenntnis redet Schauspiel in der Tiefe. Gerade solches Placement aber
ig“. Sozusagen: eine Trauer des Gehirns. stimmt bedenklich. Weil ja dies eben das Wunder des
stitleid, das sich doch nicht recht hervor= dramatischen Genius, daß er, ohne sich jemals von der
8 Zucken um die Lippen in ein ironisches Oberfläche zu entferner, der Tiefe Geheimnis, Schrecken
nd Schmerz über der Frauen Los: daß und Zauber ahnen läßt. Der Dichter des „einsamen Wegs“
in Schicksal wird, was dem Mann, ganz hingegen? Er ist tief, indem er seinen Geschöpfen die
finstler, so leicht zur Episode schrumpft. Stühle auf den Grund setzt.
Das Burgtheater hat den stillen Gesprächen vier
sin dieser Beziehung nicht zu helfen, ab¬
stille Schauplätze gebaut. Der Park des Herrn v. Sala
ist ein Prachtstück. Ein schwermütiger Vierklang von:
#as fast wie Unerbittlichkeit ist in der
obler Verzicht allseits auf Ausflüchte,
Abend, Stille, Herbst und Verlassenheit. Man hört die
ügen.
der „Einsame Weg“ eine Dichtung sein.] Natur schweigen. Und der Menschen Rede klingt gedä mpft
als befürchteten sie, ein Schlummerndes zu wecken. Auch
das Cottage=Gärtchen, Akt eins und fünf, ist hübsch. Nur
ein wenig dumpf, lichtarm; und mißmutig, ohne nachbarliche
Freundschaft blicken ein paar proletarische Fassaden hinein.
„Der einsame Weg“ wird nobel gespielt, das versteht
sich von selbst. Aber kühl und fremd, fremd der Sache; das
versteht sich auch von selbst. Man spricht tadellos den Text,
aber die innere Resonanz, die die Sprecher pflichtgemäß
dazugeben, ist Mache. Fräulein Wohlgemut, Herr
Walden, Herr Devrient gastieren in Ahnung, Rätsel¬
reichtum, Seelendunkel. Zu Hause sind sie dort nicht,
das spürt man. Herrn Waldens edle Nasalität:
taugt besser für entzückende als für ernste Pointen.
Seiner Sicherheit, Haltung und Ruhe kann man sich erfreuen.!
Aber es ist immer Salon=Magie um ihn. Die respektable
Erscheinung des Fräulein Wohlgemut kommt der Johannas##
zugute. Mehr konnte sie der Figur — von Dichters Un¬
gnaden durchaus Skizze — nicht geben. Wärme, Leben,
Notwendigkeit ließe sich allerdings in diese Erfundene, nicht
Gefühlte, kaum Gesehene kaum hineinspielen. Ganz farblos,
bürgerlich von jeher, der Julian Fichtner des Herrn
Devrient. Daß er jemals ein stürmendes Genie gewesen
ich habe nicht genug Phantasie, mir's vorzustellen. Eins#
herzliches, natürliches Wesen die Irene Herms der Frau
Bleibtreu. Ein süßes vierzigjähriges Mädel. Humor,
Leichtsinn, Genialität der Hingabe, Güte, Naiv=Unbedingtes
in Neigung und Abneigung — alles noch da, nur gleichsam
an den Rändern schon vergilbt und von Erinnerung zer¬
knittert. Mit Takt erledigt Herr Gerasch seine Aufgabe,
einen echten Vater ohne Pathos zu verschmähen, Herrn
Herterichs Arzt hat die nötigen menschlichen Qualitäten!
und Herr Paulsen ist ein rechtschaffener, kreuzbraper,
ungenialer Kunstbeamter. Das trifft er großartig.
###Alfted Polgar.)