II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 459

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18. Der einsene Nes
Solche Kunst bietet unser erstes Theater in
der Kriegszeit. Während wir eine Wiedergeburt
alter heiliger Ideale erleben, während wir
wunderbare Beispiele von Opfersinn und
Treue und Gemeingefühl vor Augen sehen, wird uns
auf der Bühne die Welt des Egoismus und der kranken
Leidenschaft vorgeführt. Während die Streiter in den
Schützengräben das Vaterunser stammeln, während bei
Kriegs= und Bußandachten ein religiös neu erwachtes
Volk zum Himmel ruft, während das Christentum neue
Eroberungen im Reiche der Menschenseelen macht —
wird auf der Bühne öder Rationausmus, eine zweifel¬
hafte Jedermanns= und Allerweltsreligion angepriesen.
Die Kunst ist in der Kriegszeit nicht Prophetin und
Trösterin, sondern Verführung und Falschlehre. Das erste
Hoftheater mit gewissen Aufführungen im Widerspruch
mit dem Geist aller kaiserlichen Edikte der letzten Zeit,
im Widerspruch mit Geist und Willen der überwiegenden
Mehrheit der Bevölkerung des Reiches. Wie lange sollen
wir es ertragen?
Einer der hervorragendsten Köpfe dieser Stadt
sagte unlängst angesichts der Spielpläne unsecer Theater
und Varietés: Wahrhaftig, wenn die Kosaken nach
Wien kämen, gewisse Kreise hätten es redlich verdient.“
Und ein anderer meinte: Wenn man nicht wüßte, daß
es beim Theater und in der Presse Leute gäbe, die
grundsätzlich und von vornherein und jederzeit aus
geschäftlichen Gründen allen bösen Trieben schmeichelten,
so müßte man glauben, gewisse Theater und Zeitungen
seien gegenwärtig vom Feind bestochen, um gewisse
Bevölkerungskreise zu verderben und damit die Volks¬

kraft zu schwächen. — Aber wie soll den Profitmachern
der Theater zweiten und dritten Ranges das Handwerk i. Obgleich die Lage für die Russen
gelegt werden, wenn das erste Theater solch' schlechtes günstig sei, sei es ihnen noch nicht gelungen,
die ostpreußische Grenze zu überschreiten.
Beispiel gibt?
Die anderen Kriegsberichterstatter berichten von
Da werden nun von den Behörden eine Masse
furchtbaren Sturmangriffen der Verbündeten östlich der
Gesetze gegeben, die Sparsamkeit, Einfachheit, Nüchtern¬
Bzura und der Rawka, die die Russen „nicht
heit beim Volke bezwecken; aber wie soll das Volk für
überall hätten abschlagen können“, zumal die Deutschen#
solche Tugenden sich begeistern, solange ein von Seiner
neuerdings ganz bedeutende Verstärkungen erhalten
hätten. An der Rawka, der Nida und bei Pinczow
Apostolischen Majestät subventicniert 8 Theater immer
seien die Offensivstöße der Verbündeten überhaupt seit?
wieder dazu dienen muß, eine verdorbene Oberschicht mit
Tagen vehement, Beweis dessen, daß zum Beispiel die
Bildern verdorbener Bourgeoiste zu unterhalten? Sind
Fasten und Ernst nur passend für den dritten und Deutschen auf einer Front von kaum drei Kilometern
vierten Stand, nicht auch für die gewisse Börsenmenschheit? nicht weniger als 15.000 bis 18.000 Mann sammeln.
Der Korrespondent der „Nowoje Wremja“ meldet,
Unsere Soldaten kämpfen im Namen der Wahrheit
daß die russischen Operationen in den Karpathen?
und Gerechtigkeit, als Vertreter der Kultur. Muß ihr
unsäglichen Schwierigkeiten begegnen, zumal sich das
Eifer nicht gelähmt werden beim Gedanken, daß in Hof= Wetter gegen die Russen verschworen zu haben scheine.
bühnen der Heimat die Kultur verleugnet, verhöhnt wird,
Es sei nicht vorauszusagen, wie lange die russischen!
für die sie ihr Leben einsetzen? Vorgestern wurde in Truppen, deren Heroismus vorbildlich sei, diesen Hinder¬
nissen würden Trotz bieten können. In der Bukowina
diesen Blättern der Brief eines an der Front in Russisch¬
seien lebhafte Vorbereitungen der österreichisch=ungarischen
Polen stehenden österreichischen Offiziers veröffentlicht,
der meldet, daß sich bei den Oesterreichern und Deutschen Armee wahrnehmbar, was darauf hindeute, daß dieser
im Felde eine grenzenlose Wut angesichts der Wiener bisher vollkommen nebensächliche Kriegsschauplatz viel¬
leicht schon demnächst eine hervorragende Rolle in den
Vergnügungsbetriebe angesammelt habe; diese Leute sind
kriegerischen Ereignissen spielen werde.
über die Schauspielaufführungen der Kahn und Kohn
Der Berichterstatter der „Rjetsch“ teilt mit, daß die
wohl kaum erstaunt, aber sicher unendlich erstaunt
Russen auf der Front von Konopki bis Dobrzyns
und betrübt darüber, daß auch auf kaiserlichen Hof¬
mit den Deutschen in Fühlung seien und sich durchaus
bühnen ein dem Ernst der Zeit, dem Martyrium der
siegreich behaupten (?). An der Pilitza und in Galizien
herrsche Ruhe.
Brüder widersprechender Geist sich breitmachen kann.
Gewisse Behörden sind sehr peinlich in der Deutung
Zeppelinbomben auf Libau.
der Hofgesetze. Gibt es keine Etikette, die besagt, daß
Berlin, 27. Jänner. (Privat.)
Hoftheateraufführungen hofmäßig, des Hofes der
Die „Frankf. Ztg.“ meldet aus Libau, daß
Habsburger würdig sein müssen? Gibt es keine Etikette, dort ein Zeppelin die Stadt überflogen und Bomben
die besagt: kaiserliche Institute dürfen dem Volke kein
abgeworfen hat. Die russische Artillerie eröffnete
Aergernis geben, zumal jenem Volke, das im Kriege das Feuer, aber der Luftkreuzer konnte sich unbe¬
steht, im Kriege um Gerechtigkit ud Kultur?
schädigt in Sicherheit bringen