II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 460

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Das Schauspiel in Wien
zlf Jahre hat der Wiener Arthur
— Schnitzler warten müssen, ehe
das Bergryrckker sich seinem „Ein¬
samen Weg“ erschlossen. And wie
schnell war es sonst — etwa beim
„Zwischenspiel“, beim „Jungen Me¬
dardus“ und beim „Weiten Land“
zur Hand! Was mag der Grund für
die Zögerung gewesen sein? Nichts
als ein Irrtum, wie sich jetzt heraus¬
stellt! Kein Wiener Theatermann hat
es sich damals denken können, daß ein
Stück, an dessen fünf Aktschlüssen sich
von der zweiten Vorstellung an keine
applaudierende Hand rührt, der Ziel##
punkt von vielen Tausenden werden
würde. Denn Abend für Abend — ich
schreibe erst nach der zehnten Auffüh¬
rung — ist das Haus gefüllt. Es ist
ein Erfolg der dichterischen Persönlich¬
keit. Alle anderen Motive sind hinfal¬
lig. Wo wäre hier die große Szene,
die bei französischen Stücken für die
Schwäche des Stoffes oder der Form 7
entschädigt! Wo die überrumpelnde
Situation, die das gelangweilte Publi¬
kum erst aus der Gleichgültigkeit reißt!
Wo der Wortwitz, wo die originellen
Charaktere! Die Leidenschaften, von
denen wir hören, stehen in ihrem
Herbst, auch die des jungen Mädchens;
kein Schrei wird laut, ob es gleich Tote
gibt, die Liebende zurücklassen. Wir
sind diesen stillen Menschen ebenso¬
wenig auf der Straße begegnet, wie
den feurigen Schillers, aber sie atmen
wie jene von Geistes und Gemütes
Gnaden. Der Fehltritt der Frau
kommt hier nicht zu den Ohren des Gat¬
ten und doch fühlt man die Notwendig¬
keit dieser schonenden Lösung. Gerin¬
geres Maß solcher Schonung wäre
Mord geworden. Wir sehen die Lüge
zur Lebenserhalterin werden, indem der
vermeintliche Vater sich erst in dem
Augenblicke zum wahren Vatergefühl
bekennt, da er nur noch allein unwissend
ist. And in einer so zart empfindenden
Amgebung lebt er, daß niemals an die¬
ser Anwissenheit gerührt werden wird.
Acht Menschen, acht Schicksale; wie es
im Drama sein soll! Aber ist es ein
Aufeinanderplatzen von Welt= und Le¬
bensanschauungen? Ist es nicht viel¬
mehr ein Aneinandervorübergleiten von
Menschen, die niemals ganz zu einan¬
der kommen können? Sie bringen sich,
wie es einmal heißt, nur „die Stich¬
worte“ für ihre feinen Lebensabstrak¬
tionen, aber wir tragen mehr daraus
hinweg als aus anderen Dramen, die
uns einreden wollen, daß sie fern von
aller Komödie stehen. Schnitzler gehört
zu den Weisen des Landes, und da er
obendrein klug genug ist, keine Weis¬
heit von sich zu geben, ehe er ihr die
klarste Form aufgeprägt, so kann man
seinen „Einsamen Weg“ heute an der
S
Jahre besitzen — Wedekinds „Kam¬
merfänger“, Courtelines „Bou¬
bouroche“ und Schnitzlers „Li¬
teratur“ die ihrem Alter und allen
schlecht besuchten Ar aufführungen des
Deutschen Volkstheaters zum Trotz, in
ihren neuen Gewändern und erfüllt mit
dem kräftigen Leben schauspielerischer
Individualitäten als vollkommene Neu¬
heiten aufgenommen wurden. Auch an
dem dritten Abend der Hofbühne, von
dem ich berichte, gab das schlechthin
Neue nicht den Ausschlag, denn Felix
Saltens „Auferstehung" (aus
dem Zyklus „Vom anderen Afer“), die
man wiederholt in Wien gesehen hatte,
siegte über den Dreiakter der Dänen
Bergström und Larsen, „Vaga¬
bunden“, den hier niemand kannte.
Vielleicht noch ungewöhnlicher als
Schnitzlers Menschen aus dem „Ein¬
samen Weg“ ist die Situation, in der
Saltens Lebenskünstler Konstantin Trüb¬
ner steht; aber Saltens Schilderungs¬
mittel kommen dem Handwerk des
Theaters beträchtlich näher. Der Dia¬
log tritt, besonders gegen Ende hin,
mit derben Stiefeln auf, und rechtfer¬
tigt den Titel Komödie mit eindrucks¬
vollen Gründen. And doch hätte der
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