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zur Hand! Was mag der Grund für
die Zögerung gewesen sein? Nichts
als ein Irrtum, wie sich jetzt heraus¬
stellt! Kein Wiener Theatermann hat
es sich damals denken können, daß ein
Stück, an dessen fünf Aktschlüssen sich
von der zweiten Vorstellung an keine
applaudierende Hand rührt, der Ziel###
punkt von vielen Tausenden werden
würde. Denn Abend für Abend — ich
schreibe erst nach der zehnten Auffüh¬
rung — ist das Haus gefüllt. Es ist
ein Erfolg der dichterischen Persönlich¬
keit. Alle anderen Motive sind hinfäl¬
lig. Wo wäre hier die große Szene,
die bei französischen Stücken für die
Schwüche des Stoffes oder der Form 7
entschädigt! Wo die überrumpelnde
Situation, die das gelangweilte Publi¬
kum erst aus der Gleichgültigkeit reißt!
Wo der Wortwitz, wo die originellen
Charaktere! Die Leidenschaften, von
denen wir hören, stehen in ihrem
Herbst, auch die des jungen Mädchens;
kein Schrei wird laut, ob es gleich Tote
gibt, die Liebende zurücklassen. Wir
sind diesen stillen Menschen ebenso¬
wenig auf der Straße begegnet, wie
den feurigen Schillers, aber sie atmen
wie jene von Geistes und Gemütes
Gnaden. Der Fehltritt der Frau
s
Jahre besitzen — Wedekinds „Kam¬
kommt hier nicht zu den Ohren des Gat¬
merfänger“, Courtelines „Bou¬
ten und doch fühlt man die Notwendig¬
bouroche" und Schnitzlers „Li¬
keit dieser schonenden Lösung. Gerin¬
teratur“ die ihrem Alter und allen
geres Maß solcher Schonung wäre
schlecht besuchten Ar aufführungen des
Mord geworden. Wir sehen die Lüge
Deutschen Volkstheaters zum Trotz, in
zur Lebenserhalterin werden, indem der
ihren neuen Gewändern und erfüllt mit
vermeintliche Vater sich erst in dem
dem kräftigen Leben schauspielerischer
Augenblicke zum wahren Vatergefühl
Individualitäten als vollkommene Neu¬
bekennt, da er nur noch allein unwissend
heiten aufgenommen wurden. Auch an
ist. And in einer so zart empfindenden
dem dritten Abend der Hofbühne, von
Amgebung lebt er, daß niemals an die¬
dem ich berichte, gab das schlechthin
ser Anwissenheit gerührt werden wird.
Neue nicht den Ausschlag, denn Felix
Acht Menschen, acht Schicksale; wie es
Saltens „Auferstehung" (aus
im Drama sein soll! Aber ist es ein
dem Zyklus „Vom anderen Afer“), die
Aufeinanderplatzen von Welt= und Le¬
man wiederholt in Wien gesehen hatte,
bensanschauungen? Ist es nicht viel¬
siegte über den Dreiakter der Dänen
mehr ein Aneinandervorübergleiten von
Bergström und Larsen, „Vaga¬
Menschen, die niemals ganz zu einan¬
bunden“, den hier niemand kannte.
der kommen können? Sie bringen sich,
Vielleicht noch ungewöhnlicher als
wie es einmal heißt, nur „die Stich¬
Schnitzlers Menschen aus dem „Ein¬
worte“ für ihre feinen Lebensabstrak¬
samen Weg“ ist die Situation, in der
tionen, aber wir tragen mehr daraus
Saltens Lebenskünstler Konstantin Trüb¬
hinweg als aus anderen Dramen, die
ner steht; aber Saltens Schilderungs¬
uns einreden wollen, daß sie fern von
mittel kommen dem Handwerk des
aller Komödie stehen. Schnitzler gehört
Theaters beträchtlich näher. Der Dia¬
zu den Weisen des Landes, und da er
log tritt, besonders gegen Ende hin,
obendrein klug genug ist, keine Weis¬
mit derben Stiefeln auf, und rechtfer¬
heit von sich zu geben, ehe er ihr die
tigt den Titel Komödie mit eindrucks¬
klarste Form aufgeprägt, so kann man
vollen Gründen. And doch hätte der
seinen „Einsamen Weg“ heute an der
Einfall zu einer Tragikomödie ausge¬
Hand des Theaters mit derselben Ent¬
reicht, und der Novellist Salten hat ge¬
deckerfreude gehen, wie vor elf Jahren,
zeigt, daß ihm die Psychologie dazu
da man, in Wien wenigstens, nur das
nicht fehlt. In den „Vagabunden“ ist
Buch vor Augen hatte. And wer, wie
von modernen Nerven, von Sanatorien,
ich, noch einmal nach dem Buche greift,
Autos, Elektrizität und Bildhauerkitsch
um zu entscheiden, ob die ausgezeichnete
die Rede; auch eine richtige Liebschaft
Aufführung oder die Lektüre das Stück
und etwas Flirt gibt's drin, aber sonst
inniger lieben lehrt, dem wird die hö¬
geht hier längst versunkene Harmlosig¬
here Freude zuteil, daß beide Arten der
keit um, wie wir sie — derber — bei
Aneignung erst im Verein den Meister
Holberg antreffen, spießbürgerlicher bei
recht loben.
Benedix und Moser. Immerhin liegt
Das Burgtheater griff nicht nur hier
über diesen dänischen Lustspielen eine
auf Bewährtes zurück. Es erwarb auch
— und erwerben heißt hier: für lange feine bunte Schicht, die man Grazie,
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—
zur Hand! Was mag der Grund für
die Zögerung gewesen sein? Nichts
als ein Irrtum, wie sich jetzt heraus¬
stellt! Kein Wiener Theatermann hat
es sich damals denken können, daß ein
Stück, an dessen fünf Aktschlüssen sich
von der zweiten Vorstellung an keine
applaudierende Hand rührt, der Ziel###
punkt von vielen Tausenden werden
würde. Denn Abend für Abend — ich
schreibe erst nach der zehnten Auffüh¬
rung — ist das Haus gefüllt. Es ist
ein Erfolg der dichterischen Persönlich¬
keit. Alle anderen Motive sind hinfäl¬
lig. Wo wäre hier die große Szene,
die bei französischen Stücken für die
Schwüche des Stoffes oder der Form 7
entschädigt! Wo die überrumpelnde
Situation, die das gelangweilte Publi¬
kum erst aus der Gleichgültigkeit reißt!
Wo der Wortwitz, wo die originellen
Charaktere! Die Leidenschaften, von
denen wir hören, stehen in ihrem
Herbst, auch die des jungen Mädchens;
kein Schrei wird laut, ob es gleich Tote
gibt, die Liebende zurücklassen. Wir
sind diesen stillen Menschen ebenso¬
wenig auf der Straße begegnet, wie
den feurigen Schillers, aber sie atmen
wie jene von Geistes und Gemütes
Gnaden. Der Fehltritt der Frau
s
Jahre besitzen — Wedekinds „Kam¬
kommt hier nicht zu den Ohren des Gat¬
merfänger“, Courtelines „Bou¬
ten und doch fühlt man die Notwendig¬
bouroche" und Schnitzlers „Li¬
keit dieser schonenden Lösung. Gerin¬
teratur“ die ihrem Alter und allen
geres Maß solcher Schonung wäre
schlecht besuchten Ar aufführungen des
Mord geworden. Wir sehen die Lüge
Deutschen Volkstheaters zum Trotz, in
zur Lebenserhalterin werden, indem der
ihren neuen Gewändern und erfüllt mit
vermeintliche Vater sich erst in dem
dem kräftigen Leben schauspielerischer
Augenblicke zum wahren Vatergefühl
Individualitäten als vollkommene Neu¬
bekennt, da er nur noch allein unwissend
heiten aufgenommen wurden. Auch an
ist. And in einer so zart empfindenden
dem dritten Abend der Hofbühne, von
Amgebung lebt er, daß niemals an die¬
dem ich berichte, gab das schlechthin
ser Anwissenheit gerührt werden wird.
Neue nicht den Ausschlag, denn Felix
Acht Menschen, acht Schicksale; wie es
Saltens „Auferstehung" (aus
im Drama sein soll! Aber ist es ein
dem Zyklus „Vom anderen Afer“), die
Aufeinanderplatzen von Welt= und Le¬
man wiederholt in Wien gesehen hatte,
bensanschauungen? Ist es nicht viel¬
siegte über den Dreiakter der Dänen
mehr ein Aneinandervorübergleiten von
Bergström und Larsen, „Vaga¬
Menschen, die niemals ganz zu einan¬
bunden“, den hier niemand kannte.
der kommen können? Sie bringen sich,
Vielleicht noch ungewöhnlicher als
wie es einmal heißt, nur „die Stich¬
Schnitzlers Menschen aus dem „Ein¬
worte“ für ihre feinen Lebensabstrak¬
samen Weg“ ist die Situation, in der
tionen, aber wir tragen mehr daraus
Saltens Lebenskünstler Konstantin Trüb¬
hinweg als aus anderen Dramen, die
ner steht; aber Saltens Schilderungs¬
uns einreden wollen, daß sie fern von
mittel kommen dem Handwerk des
aller Komödie stehen. Schnitzler gehört
Theaters beträchtlich näher. Der Dia¬
zu den Weisen des Landes, und da er
log tritt, besonders gegen Ende hin,
obendrein klug genug ist, keine Weis¬
mit derben Stiefeln auf, und rechtfer¬
heit von sich zu geben, ehe er ihr die
tigt den Titel Komödie mit eindrucks¬
klarste Form aufgeprägt, so kann man
vollen Gründen. And doch hätte der
seinen „Einsamen Weg“ heute an der
Einfall zu einer Tragikomödie ausge¬
Hand des Theaters mit derselben Ent¬
reicht, und der Novellist Salten hat ge¬
deckerfreude gehen, wie vor elf Jahren,
zeigt, daß ihm die Psychologie dazu
da man, in Wien wenigstens, nur das
nicht fehlt. In den „Vagabunden“ ist
Buch vor Augen hatte. And wer, wie
von modernen Nerven, von Sanatorien,
ich, noch einmal nach dem Buche greift,
Autos, Elektrizität und Bildhauerkitsch
um zu entscheiden, ob die ausgezeichnete
die Rede; auch eine richtige Liebschaft
Aufführung oder die Lektüre das Stück
und etwas Flirt gibt's drin, aber sonst
inniger lieben lehrt, dem wird die hö¬
geht hier längst versunkene Harmlosig¬
here Freude zuteil, daß beide Arten der
keit um, wie wir sie — derber — bei
Aneignung erst im Verein den Meister
Holberg antreffen, spießbürgerlicher bei
recht loben.
Benedix und Moser. Immerhin liegt
Das Burgtheater griff nicht nur hier
über diesen dänischen Lustspielen eine
auf Bewährtes zurück. Es erwarb auch
— und erwerben heißt hier: für lange feine bunte Schicht, die man Grazie,
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