II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 462

bewahren diese kostbaren vergessenen Kul¬
turschätze durch mündliche Aberlieferung,
an Hand kärglicher schriftlicher Auf¬
zeichnungen mit hingebender Treue. Die
Professoren machen daraus gelehrte
Abhandlungen, vergleichende Forschun¬
gen; die sagenbegnadeten Laien schenken
ihren Freunden köstliche Unterhaltungs¬
stunden, indem sie freigebig aus ihrem
Sagenborn spenden. Aber in beiden
Fällen erfolgt solche Bekanntgabe leider
unter Ausschluß der Offentlichkeit, des
Gaues, Kreises, Landstriches, der ein
Interesse daran haben sollte, daß Mann
und Kind, Frau und Mädchen die
heimischen ureigenen Sagen kennen.
In gelehrten Beilagen zu Gymnasial¬
programmen findet man gelehrte Sagen¬

S
sonst nur durch Abersetzungey kennen
Kultur oder wie immer nennen mag,
lernen.
und die den deutschen Arbeiten ähnlicher
Der nette Einfall, ein altes Sprich¬
Art fehlt. Wie reizend nun auch die
wort umzukehren, reichte leider nicht
Aufführung in der Dekoration, in der
hin, um dem Theater der Josefstadt
Dialogführung diesen Schleier zur Er¬
zu fünfzig Aufführungen zu verhelfen.
scheinung brachte, das Publikum blieb
„Was glänzt, ist Gold“ ist über
an dem mageren Stoffe hängen und
den Kanal zu uns gelangt, die Werk¬
wollte von der anmutigen Form nicht
stätte heißt James Montgomery,
viel wissen. Ein viel beschäftigter Arzt
und wir sehen ein paar ganz ergötz¬
und seine Frau, die sich von ihm ver¬
liche Szenen, wo ein armer Teufel, dem
nachlässigt fühlt, werden wieder Liebes¬
falsche Banknoten zugesteckt werden, in
leute; und sie, die Angetreue, hat doch
den Geruch eines tüchtigen Anterneh¬
beinahe einem Bildhauer Modell ge¬
mers kommt und fortan mit Vertrauen
standen und sich beinahe von einem
überhäuft wird. Allerdings müssen vom
Freunde auf einen Kopenhagener Mas¬
zweiten Akt an Detektivs zu Hilfe ge¬
kenball führen lassen. Ich persönlich
nommen werden, die ihre ziemlich ein¬
höre kultivierten Gesprächen, wie sie
fältigen Kniffe zur Haupthandlung
dies Stück ausmachen, sehr gern zu,
ausdehnen. Ohne sie hätte der Autor
wenn sie auch die Welt nicht vorwärts
viel mehr Geist gebraucht als er schein¬
bringen; und ein paar Worte des Bild¬
bar hat, oder zwei Akte weniger.
hauers über die Seele der Form habe
ich mir sogar gemerkt.
Ein Drama aus Strindbergs
jungen Tagen, „Frau Margit“,
Etwas aktueller ging es inzwischen
verschwand im Nu wieder von der
auf der „Neuen Wiener Bühne“
Bühne des Volkstheaters, dem
zu, wo Naoul Auernheimer, dem
doch für die Auferweckung Dank ge¬
man sonst in der Burg den wohlgepol¬
bührt. Mit Henry Kistemaekers
sterten Stuhl bereitet, in Gemeinschaft
„Hinterhalt“ hielt es besser Haus.
mit Leo Feld zwei Stunden über die
Ein bißchen Rivieratreiben, ein bißchen
Karriere von Diplomaten plauderte.
Arbeiterstreik und sehr viel Augenver¬
„Das dumme Glück“ heißt das
drehen aus Mißverständnis. Frau
Lustspiel. Bald hebt dies Glück den
Guèret hat aus vorehelicher Zeit einen
Anbegabten auf einen bevorzugten Po¬
Sohn, der in die Automobilfabrik ihres
sten, bald reißt es ihn heraus, um ihm
Mannes als Ingenieur eintritt, und,
dafür ein Liebesabenteuer zu bescheren.
weil er seine Herkunft nicht kennt, die
Wir hören von Mittelmeerkonferenzen
Tochter des Chefs zur Frau begehrt.
und anderen europäischen Dingen, aber
Sie wird ihm von der eigenen Mutter
wir denken dabei nie an Völker, die
natürlich versagt, der junge Mann ist
daran leiden oder davon profitieren;
gekränkt, macht gemeinsame Sache mit
wir wissen vielmehr, diese großen Worte
den aufrührerischen Arbeitern, die Fabrik
sind ein gleichgültiger Hintergrund, vor
fliegt in die Luft, aber am Schluß klärt
dem sich eine neue Kaste von Theater¬
sich durch den Schrei: „er ist mein
figuren produzieren soll. Sie tut das
Sohn“ die Vergangenheit und manches
mit mehr Anstand als Anständigkeit, vor
allem aber mit der Diskretion, die wir andere auf. Wir werden mit der Hoff¬
476