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oder minder deutliche. Ansätze dazu auch
um unsere innere Teilnahme. Wieviel seine
in „Frau Margit“ finden, besonders wenn
und feinste Kunst Schnitzler darauf ver¬
man das Vorwort nachgelesen hat, darin der
wendet, das Nebeneinander seiner Bau¬
schwedische Dichter sein Werk erklärt. Es
krotteure des Lebens durch Versippung be¬
bedeutet für ihn einen Angriff auf die ro¬
ziehungsvoll zu verknoten und die Wiener
mantische Erziehung des Weibes, das immer
Landschaft und Denkweise auf das schmerz¬
auf den Ritter wartet, auf den Herrlichsten
lich=süße Moll herbstlich=müder Resignation
von allen, und wenn endlich der Ritter
zu stimmen, immer spürt man ein unnatür¬
kommt, Haus und Hof bestellen muß und
liches Recken und Strecken nach fremdem
selbst rauhe Bauernarbeit nicht scheuen darf,
Lorbeer, und wir können nur mit kalten
weil man von der Liebe allein nicht leben
Sinnen bewundern, wo wir gern mit dem
kann, dann ist die Enttäuschung da und das
Herzen dabei wären. Und die modrige Spät¬
Unglück fertig. Auch sonst schwirren, freilich
herbstkühle, die, wie aus verborgenen Grüf¬
noch recht unklar, schon mancherlei Fragen
ten entstiegen, von dem Schauspiel ausgeht,
auf, in denen der spätere Strindberg wie
vermochte auch die auf Beseelung der Land¬
von fernher wetterleuchtet: ob das Weib dem
schaft und der Menschen gleich bedachte Dar¬
Manne untertan oder mit ihm gleichberech¬
stellung des Burgtheaters nicht zu bannen.
#tigt sein solle, ob die Ehe ein himmlischer
Ein einziges Mal fühlte man sich von einer
Segen sei oder nur ein unvermeidlicher so¬
wärmeren Blutwelle berührt. Das wer in
zialer Notbehelf, wenn nicht gar eine wider¬
der großen Szeue, wo die gealterte Schau¬
sinnige Erfindung, ob Persönlichkeit oder
spielerin, bevor sie sich in die Einsamkeit
Gemeinwohl, Liebe oder Pflicht höher
ihres kleinen Landgutes zurückzieht, mit
stehen usf. Das Publikum, das freilich nicht
ihrem Geliebten abrechnet, der sie um ihr
verpflichtet werden kann, Kommentare zu
Mutterglück betrogen hat. In ihr bot Frau
Rate zu ziehen, wo es das gute Recht hat,
Bleibtren das Beste des Abends, das vor
ohne fremde Nachhilfen von der Bühne
der bei der Berliner Aufführung viel be¬
herab belehrt und unterrichtet zu werden,
wunderten Leistung der Else Lehmann das
läuft bei „Frau Margit“ leicht Gefahr, ein
herzliche und natürliche Wesen der Boden¬
völlig falsches Bild von Strindbergs ethi¬
ständigkeit voraus hat. Was sich sonst noch
schem Willen zu empfangen, Es wußte denn
um die Wiedergabe des Schauspiels im
auch lange nicht, ob es beifällig zustimmen
Burgtheater mühte, war von ungleichem Er¬
oder mißmutig ablehnen sollte und wählte
folg gekrönt, und man täte Unrecht, wollte
schließlich den einzigen Ausweg, der offen
man den feinen künstlerischen Takt der
blieb, wenn es keine Blamage riskieren
Herren Walden und Gerasch sowie der Frau
wollte: es spendete gerade nur soviel Beifall,
Haebe,e auf Kosten der anderen loben, die
damit die Darsteller, allen voran Fräulein
mit peoblematisch undankbareren Aufgaben
Boic und die Herren Onno, Klitsch und
betraut waren.
Kramer, ihre Mühen belohnt finden konnten.
Hatte das Burgtheater seinen Besitz
Wenn es aber dem Deutschen Volkstheater
von Schnitzler=Stücken um eines vermehrt,
ernstlich um Strindberg zu tan ist, dann war
dorin Schnitzler viel weniger er selber ist
es eine recht seltsame Huldigung, von den
als in seinen Anfängen, so zeichnete das
dreißig bis vierzig Stücken, die der schwedi¬
Deutsche Volkstheater in die Ehrenliste
sche Dichter uns hinterlassen hat, gerade mit
seiner Literaturkönige den Namen August
dem unpersönlichsten anzufangen und damit
Strindberg mit einem Stücke ein, das aus
das Interesse für Strindberg, das doch erst
einer Zeit stammt, wo Strindberg noch gar
erweckt werden sollte, im Keime zu ersticken.
nicht Strindberg war oder doch nicht der,
Angesichts solcher Literaturopfer, die
den wir heute suchen. Zweiunddreißig Jahre
kein Mensch begehrt und die nichts beweisen
alt ist das Schauspiel „Frau Margit“ und
als einen Mangel an Instinkt für die geistige
man zerbricht sich den Kopf, was denn das
Auffrischung, die Bühne und Zuschauer von
Deutsche Volkstheater bewogen haben mag,
Zeit zu Zeit brauchen, um nicht im ewigen
gerade auf dieses redselige Ritterstück zurück¬
Einerlei der klapperuden Tantiemenmühle
zugreifen. Geschah es, um sich einer Urauf¬
sich einander überdrüssig zu werden, sieht
führung berühmen zu können oder um wieder
man das Deutsche Volkstheater fast lieber
einmal zu beweisen, daß die Literatur auf
auf uuliterarischen Pürschgängen, auch wenn
der Bellaria keinen goldenen Boden habe,
es ab und zu danebenschießt. Heuer hat es
gleichviel: jedenfalls hat man es mit einem
bisher zwor nur daneben geschossen und auch
neuen, sehr betrüblichen Faktum der Rat¬
die Komödie „Der Hiuterhalt“ von Heury
losigkeit zu tun, die heuer im Deutschen
Kistemaekers wäre in einem ergiebigeren
Volkstheater am Steuerruder sitzt. Wer mit
Spieljahr kaum eines Schusses Pulper würdig
der Art Strindbergs vertraut ist, wird mehr
erachtet worden. Da es aber heuer auf der
Bellaria überhaupt zum erstenmal ordentlich
krachte, ließ man sich ohne Widerspruch aus
dem Hinterhalte der Comédie Française ein
echtes und rechtes Boulevardstück mit allen
Verlogenheiten und Verschrobenheiten seiner
längst außer Kurs gesetzten Gattung in die
sonst psychologisch strengere und künstlerisch
anspruchsvollere Gegenwart schmuggeln. Man
höre und urteile: ein Jüngling unehelicher
Herkunft ist da, angestellt als Ingenieur bei
einem Automobilfabrikanten, dessen Frau
den geheimnisvollen Jüngling heimlich in
die Welt gesetzt hatte, bevor sie in die Ehe
getreten war. Man ahnt Fürchterliches und
sieht das Damoklesschwert schon drohend
baumeln. Richtig verliebt sich der Jüngling
in die Tochter des Fabrikanten und man
begreift, daß die Mutter davon nichts wissen
so viel Hochherzigkeit herrscht, konnte es
Frau Wallentin nicht ablehnen, die schwer
geprüfte Mutter des Herrn Klitsch zu spielen.
Sie fand für dieses Opfer gleich stürmischen
Beisall, wie Herr Homma für die Noblesse,
mit der er würgte und adoptierte, und Herr
Kutschera für den sordinierten Eifer, mit dem
er die aufgeregten Herrschaften beschwichtigte.
Da ein Akt in einer Prunkvilla an der
französischen Riviera spielt, gab es im Zu¬
schauerraum keinen Zweifel über die Vor¬
nehmheit des Stückes.
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oder minder deutliche. Ansätze dazu auch
um unsere innere Teilnahme. Wieviel seine
in „Frau Margit“ finden, besonders wenn
und feinste Kunst Schnitzler darauf ver¬
man das Vorwort nachgelesen hat, darin der
wendet, das Nebeneinander seiner Bau¬
schwedische Dichter sein Werk erklärt. Es
krotteure des Lebens durch Versippung be¬
bedeutet für ihn einen Angriff auf die ro¬
ziehungsvoll zu verknoten und die Wiener
mantische Erziehung des Weibes, das immer
Landschaft und Denkweise auf das schmerz¬
auf den Ritter wartet, auf den Herrlichsten
lich=süße Moll herbstlich=müder Resignation
von allen, und wenn endlich der Ritter
zu stimmen, immer spürt man ein unnatür¬
kommt, Haus und Hof bestellen muß und
liches Recken und Strecken nach fremdem
selbst rauhe Bauernarbeit nicht scheuen darf,
Lorbeer, und wir können nur mit kalten
weil man von der Liebe allein nicht leben
Sinnen bewundern, wo wir gern mit dem
kann, dann ist die Enttäuschung da und das
Herzen dabei wären. Und die modrige Spät¬
Unglück fertig. Auch sonst schwirren, freilich
herbstkühle, die, wie aus verborgenen Grüf¬
noch recht unklar, schon mancherlei Fragen
ten entstiegen, von dem Schauspiel ausgeht,
auf, in denen der spätere Strindberg wie
vermochte auch die auf Beseelung der Land¬
von fernher wetterleuchtet: ob das Weib dem
schaft und der Menschen gleich bedachte Dar¬
Manne untertan oder mit ihm gleichberech¬
stellung des Burgtheaters nicht zu bannen.
#tigt sein solle, ob die Ehe ein himmlischer
Ein einziges Mal fühlte man sich von einer
Segen sei oder nur ein unvermeidlicher so¬
wärmeren Blutwelle berührt. Das wer in
zialer Notbehelf, wenn nicht gar eine wider¬
der großen Szeue, wo die gealterte Schau¬
sinnige Erfindung, ob Persönlichkeit oder
spielerin, bevor sie sich in die Einsamkeit
Gemeinwohl, Liebe oder Pflicht höher
ihres kleinen Landgutes zurückzieht, mit
stehen usf. Das Publikum, das freilich nicht
ihrem Geliebten abrechnet, der sie um ihr
verpflichtet werden kann, Kommentare zu
Mutterglück betrogen hat. In ihr bot Frau
Rate zu ziehen, wo es das gute Recht hat,
Bleibtren das Beste des Abends, das vor
ohne fremde Nachhilfen von der Bühne
der bei der Berliner Aufführung viel be¬
herab belehrt und unterrichtet zu werden,
wunderten Leistung der Else Lehmann das
läuft bei „Frau Margit“ leicht Gefahr, ein
herzliche und natürliche Wesen der Boden¬
völlig falsches Bild von Strindbergs ethi¬
ständigkeit voraus hat. Was sich sonst noch
schem Willen zu empfangen, Es wußte denn
um die Wiedergabe des Schauspiels im
auch lange nicht, ob es beifällig zustimmen
Burgtheater mühte, war von ungleichem Er¬
oder mißmutig ablehnen sollte und wählte
folg gekrönt, und man täte Unrecht, wollte
schließlich den einzigen Ausweg, der offen
man den feinen künstlerischen Takt der
blieb, wenn es keine Blamage riskieren
Herren Walden und Gerasch sowie der Frau
wollte: es spendete gerade nur soviel Beifall,
Haebe,e auf Kosten der anderen loben, die
damit die Darsteller, allen voran Fräulein
mit peoblematisch undankbareren Aufgaben
Boic und die Herren Onno, Klitsch und
betraut waren.
Kramer, ihre Mühen belohnt finden konnten.
Hatte das Burgtheater seinen Besitz
Wenn es aber dem Deutschen Volkstheater
von Schnitzler=Stücken um eines vermehrt,
ernstlich um Strindberg zu tan ist, dann war
dorin Schnitzler viel weniger er selber ist
es eine recht seltsame Huldigung, von den
als in seinen Anfängen, so zeichnete das
dreißig bis vierzig Stücken, die der schwedi¬
Deutsche Volkstheater in die Ehrenliste
sche Dichter uns hinterlassen hat, gerade mit
seiner Literaturkönige den Namen August
dem unpersönlichsten anzufangen und damit
Strindberg mit einem Stücke ein, das aus
das Interesse für Strindberg, das doch erst
einer Zeit stammt, wo Strindberg noch gar
erweckt werden sollte, im Keime zu ersticken.
nicht Strindberg war oder doch nicht der,
Angesichts solcher Literaturopfer, die
den wir heute suchen. Zweiunddreißig Jahre
kein Mensch begehrt und die nichts beweisen
alt ist das Schauspiel „Frau Margit“ und
als einen Mangel an Instinkt für die geistige
man zerbricht sich den Kopf, was denn das
Auffrischung, die Bühne und Zuschauer von
Deutsche Volkstheater bewogen haben mag,
Zeit zu Zeit brauchen, um nicht im ewigen
gerade auf dieses redselige Ritterstück zurück¬
Einerlei der klapperuden Tantiemenmühle
zugreifen. Geschah es, um sich einer Urauf¬
sich einander überdrüssig zu werden, sieht
führung berühmen zu können oder um wieder
man das Deutsche Volkstheater fast lieber
einmal zu beweisen, daß die Literatur auf
auf uuliterarischen Pürschgängen, auch wenn
der Bellaria keinen goldenen Boden habe,
es ab und zu danebenschießt. Heuer hat es
gleichviel: jedenfalls hat man es mit einem
bisher zwor nur daneben geschossen und auch
neuen, sehr betrüblichen Faktum der Rat¬
die Komödie „Der Hiuterhalt“ von Heury
losigkeit zu tun, die heuer im Deutschen
Kistemaekers wäre in einem ergiebigeren
Volkstheater am Steuerruder sitzt. Wer mit
Spieljahr kaum eines Schusses Pulper würdig
der Art Strindbergs vertraut ist, wird mehr
erachtet worden. Da es aber heuer auf der
Bellaria überhaupt zum erstenmal ordentlich
krachte, ließ man sich ohne Widerspruch aus
dem Hinterhalte der Comédie Française ein
echtes und rechtes Boulevardstück mit allen
Verlogenheiten und Verschrobenheiten seiner
längst außer Kurs gesetzten Gattung in die
sonst psychologisch strengere und künstlerisch
anspruchsvollere Gegenwart schmuggeln. Man
höre und urteile: ein Jüngling unehelicher
Herkunft ist da, angestellt als Ingenieur bei
einem Automobilfabrikanten, dessen Frau
den geheimnisvollen Jüngling heimlich in
die Welt gesetzt hatte, bevor sie in die Ehe
getreten war. Man ahnt Fürchterliches und
sieht das Damoklesschwert schon drohend
baumeln. Richtig verliebt sich der Jüngling
in die Tochter des Fabrikanten und man
begreift, daß die Mutter davon nichts wissen
so viel Hochherzigkeit herrscht, konnte es
Frau Wallentin nicht ablehnen, die schwer
geprüfte Mutter des Herrn Klitsch zu spielen.
Sie fand für dieses Opfer gleich stürmischen
Beisall, wie Herr Homma für die Noblesse,
mit der er würgte und adoptierte, und Herr
Kutschera für den sordinierten Eifer, mit dem
er die aufgeregten Herrschaften beschwichtigte.
Da ein Akt in einer Prunkvilla an der
französischen Riviera spielt, gab es im Zu¬
schauerraum keinen Zweifel über die Vor¬
nehmheit des Stückes.