II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 477

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18. Der einsane neg
gezögert, anständige Mensche
Wissende. „Es scheint mir überhaupt, daß wieder ein
lügen, wenn wir dadurch um
besseres Geschlecht heranwächst, mehr Haltung und weniger
oder der Lust reicher werden k
Feuilleton.
Geist.“ Dies sind die Abschiedsworte des sterbenden Sala.
je unsere Ruhe oder unser Le#
Haltung soll wohl Tatkraft heißen. Die Kraft und den
aus Laune oder Leichtsinn.
Willen durch Hingabe zu leiden. Und statt eine Kritik des
Burgtheater.
ergehen eines Wesens zu förd
Lebens das Leben selbst zu leben. So steht der Held des
„Der einsame Weg“. Schauspiel in fünf Akten von Artur
hatte? Haben wir je auf ein
„Einsamen Weg“ als bleibendes Wahrzeichen einer Epoche
Schnitzler.
Verzicht nicht wenigstens
vor uns.
getragen hätte? Und alaube
Ein seltsam nachdenkliches, ein beengend fragereiches,
Menschen, Mann oder Weib,
Das hebt ihn so viel höher als den Genossen seiner
ein tseftrautiges Stück, In dem ebenso viel Wissen wie
dürften, was wir ihm geschent
Staunen ist. Ebenso viel /Resignation wie Hoffnung.
Weltanschauung, den Maler Julius Fichtner. Daß
unserem Wesen, eine Stund##
Ebensoviell verzweifelte Verneinung als mutige Bejahung.
bei ihm hinter diesem Entronnensein allen hindernden
wirklich an sie verloren hätten
Weil es ein Stück fist, (das# al einem Anfang sieht und
Gefühlsbanden eine Sehnsucht sich birgt nach dem naiv
bezahlt zu machen, mit welcher
an einem Endt. Ein Stück geschrieben am Scheideweg des
Triebhaften, nach den einfachen Gesetzen geradlinigen
Menschentums. Und er in dieses, ihm durch eine Wesens¬
Lebens.
Schnitzler brauchte zur ##
art verschlossene Paradies blickend, sich stolz ergibt, ganz
Es sind zehn Jahye her, daß es entstanden ist. Und
den Parallelismus. Zwei Men
und restlos zu sein, wozu ihm seine innere Bestimmung
Artur Schnitzler kam in jene Jahre der vollen prangenden
stehen, die einem Rythmus ge
geschaffen. Er ist stark genug die Konsequenzen seines
Bewußtheit des Daseins, die in sich noch das Verglühen
sind Renaissancemenschen in
Ich zu tragen. Er will sich der „Douloureuse“ nicht
des Jugendrausches schließen, und schon von der Ahnung
Auslebens. Diese Zueinanderst
entziehen. Er zahlt seine Lebensrechnung ohne Einspruch
überhaucht werden, daß Leben nicht nur Blühen, sondern
allmählich in Gegeneinanderste
zu erheben. Julian Fichtner aber hat, üppiger vielleicht
auch Vereisung ist. Ihn schauerte vor der Trauer aller
ist in seinem Mangel, reich ist
noch wie Sala, unbedenklicher noch, Feste seiner Sinne
Einsamkeiten. Und er sah, was nur dem Dichter zu sehen
Einsamkeit, kurz unnachgiebig
gefeiert. Wenigstens wissen wir von ihm Dinge, die
gegeben ist. Er sah sich selbst jenen anderen Weg be¬
Andere im Glück brutal mit
im Leben Salas hinter Schleier verborgen bleiben. Wir
schreiten, den er, durch den Willen des Schicksals (denn
Unglück aber feige diesem Selb
wissen, daß er zwei Frauen verführte und verließ. Daß
Selbstbestimmung ist auch nichts anderes), nicht gegangen
tik gegenspielender Kräfte wird
die Eine dadurch ihren sittlichen Halt, ihre Reinheit
war. Er spann aus seiner Seele die Gestalt des Genießers,
in diesen Parallelgestalts
verlor; die Andere nur durch die mutig auf sich ge¬
der unumschränkt herrschen will im Reiche des Empfindens;
einer seelischen Differenzierung
nommene Last eines lebenslänglichen Betruges aufrecht
des sich Bewahrenden, der Grenzen absteckt, die zu über¬
einer Wurzel Blüten, versch
blieb. Und dennoch will, da das Alter seine ersten
schreiten keine Hingabe wagen darf; des Hochmütigen, der
erstehen zu lassen.
Schatten wirft, Julian nun das besitzen, was nur durch
sich vermißt, das Leben zu einer ästhetischen Angelegenheit
Auch sonst ruht das St#
Opfer sein hätte werden können. Die Liebe eines Sohnes,
zu machen, und es auszukosten, wie ein Sammler seine
tief erfühlten Gesetz dramatisch
den er anderen überlassen hatte; der gelehrt worden war,
Gemäldegalerie. Als stolzer Besitzer überwundener Erleb¬
das Schwerste gelang dem
einen Anderen Vater zu nennen. Nehmen, ohne zu geben,
nisse. Gerade vielleicht, da er den Weg der Liebe, der
v. Sala die ebenbürdige Geuch
dieses Losungswort seines Lebens sollte nun auch in
Opfer, des Selbstvergessens und aller Unsicherheiten solcher
der Johanna in ihrer einzigar
den nahenden Herbsttagen von keinem anderen abgelöst
Hingabe wählte, hielt er wohl zu dieser Zeit Abrechnung.
kürlichen Sonderheit. Aber und
Und fand, da auch den „Anderen“ in sich. Jenen Herrn
werden.
ist die Begegnung, ist das zur
v. Sala, der im 16. Jahrhundert Don Juan geheißen;
Das Leitmotiv des Schauspiels tönt, scharfumfaßt
zur Vernichtung führende Ver
1850 Lucien de Rubenqué und 1890 Dorian Gray
und vibrierend, in einer Szene des vierten Aktes, da der
was ist Johanna Anderes als
gewesen ist. Sala gehört wie die zwei Letztgenannten zu
stoische Egoist Sala dem wehleidigen Egoi## Fichtner
Sehnsucht, des in ein werden
den typenbildenden Gestalten der zeitgenössischen Literatur.
die Bilanz ihrer Daseinswerte darlegt. „Lieben heißt, für
welchem jene Frau, die ihre M
Ein selten gefaßter Mensch ersteht in ihm, und durch ihn
jemand anderen auf der Welt sein. Ich sage nicht, daß
sann? Was anderes als die z
erhält ein Zeitzustand sein Licht. Denn es ist mehr in
es ein wünschenswerter Zustand sei, aber jedenfalls denke
jetes weiten, bedenkenlosen Wes
ihm lebendig gemacht als nur der Gegensatz von ge¬
ich, wir waren beide sehr fern davon. Was hat das, was
Lebenswillens, jener heißen
nossener Fülle und drohender Leere; mehr als der Kampf
unsereiner in die Welt bringt, mit Liebe zu tun? Es mag
Fichtner zwangen, sich außerh
zwischen altruistischer und egoistischer Weltanschauung. Das
allerlei Lustiges, Verlogenes, Zärtliches, Gemeines,
Verantwortung zu stellen. W
letzte Geständnis einer sterbenden Art ist diese Gestalt.
Leidenschaftliches sein, das sich als Liebe ausgibt, aber
Alte=Leut'=Kinder gibt, die
Die Synthese aus jener Generation von Gehirnmenschen
Liebe ist es doch nicht ... Haben wir jemals ein Opfer
hafter Erfahrung auf die Wel
gezogen, welche es versucht haben, über dem Leben zu
gebracht, von dem nicht unsere Sinnlichkeit oder unsere
stehen. Jener Vivisektoren der eigenen und fremden
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Seelen, die neugierig zu genießen vermochten als steril! Eitelkeit ihren Vorteil gehabt hätte? . . . Haben wir je durch das geheime Erlebnis ih