II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 478

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18. Der einsane Neg
gezögert, anständige Menschen zu betrügen oder zu be¬
Wissende. „Es scheint mir überhaupt, daß wieder ein
lügen, wenn wir dadurch um eine Stunde des Glückes
besseres Geschlecht heranwächst, mehr Haltung und weniger
feuilleton.
Haben wir
oder der Lust reicher werden konnten?
Geist.“ Dies sind die Abschiedsworte des sterbenden Sala.
je unsere Ruhe oder unser Leben aufs Spiel gesetzt, nicht
Haltung soll wohl Tatkraft heißen. Die Kraft und den
aus Laune oder Leichtsinn ... nein, um das Wohl¬
Burgtheater.
Willen durch Hingabe zu leiden. Und statt eine Kritik des
ergehen ei Wesens zu fördern, das sich uns gegeben
. Schauspiel in fünf Akten von Arlur
Lebens das Leben selbst zu leben. So steht der Held des
hatte? Haben wir je auf ein Glück verzichtet, wenn dieser
Schnitzler.
„Einsamen Weg“ als bleibendes Wahrzeichen einer Epoche
Verzicht nicht wenigstens zu unserer Bequemlichkeit bei¬
nachdenkliches, ein beengend fragereiches,
getragen hätte? Und glauben Sie, daß wir von einem
tück, In dem ebenso viel Wissen wie
Menschen, Mann oder Weib, irgend etwas zurückfordern
Das hebt ihn so viel höher als den Genossen seiner
so viel (Resignation wie Hoffnung.
dürften, was wir ihm geschenkt hatten? Ein Stück von
Weltanschauung, den Maler Julius Fichtner. Daß
felte Verneinung als mutige Bejahung.
unserem Wesen, eine Stunde unseres Daseins, das wir
bei ihm hinter diesem Entronnensein allen hindernden
nist. (das ak einem Anfang steht und
Gefühlsbanden eine Sehnsucht sich birgt nach dem naiv
wirklich an sie verloren hätten, ohne uns gleich dafür
# Stück geschrieben am Scheideweg des
bezahlt zu machen, mit welcher Münze immer?“
Triebhaften, nach den einfachen Gesetzen geradlinigen
Menschentums. Und er in dieses, ihm durch eine Wesens¬
Schnitzler brauchte zur Verstärkung dieses Problems
Jahie her, daß es entstanden ist. Und
art verschlossene Paradies blickend, sich stolz ergibt, ganz
den Parallelismus. Zwei Menschen, die in einer Linie
m in jene Jahre der vollen prangenden
und restlos zu sein, wozu ihm seine innere Bestimmung
stehen, die einem Rythmus gehorchen. Sala und Fichtner
seins, die in sich noch das Verglühen
geschaffen. Er ist stark genug die Konsequenzen seines
sind Renaissancemenschen in dem Sinne rüchsichtlosen
schließen, und schon von der Ahnung
Ich zu tragen. Er will sich der „Douloureuse“ nicht
Auslebens. Diese Zueinanderstehenden wandeln aber sich
daß Leben nicht nur Blühen, sondern
entziehen. Er zahlt seine Lebensrechnung ohne Einspruch
allmählich in Gegeneinanderstehende. Weil der Eine stark
Ihn schauerte vor der Trauer aller
zu erheben. Julian Fichtner aber hat, üppiger vielleicht
ist in seinem Margel, reich ist in seiner selbstgewollten
er sah, was nur dem Dichter zu sehen
noch wie Sala, unbedenklicher noch, Feste seiner Sinne
Einsamkeit, kurz unnachgiebig ganz ist; während der
h sich selbst jenen anderen Weg be¬
gefeiert. Wenigstens wissen wir von ihm Dinge, die
Andere im Glück brutal mit seinem Selbst jongliert, im
urch den Willen des Schicksals (denn
im Leben Salas hinter Schleier verborgen bleiben. Wir
Unglück aber feige diesem Selbst versagt. Und die Drama¬
st auch nichts anderes), nicht gegangen
wissen, daß er zwei Frauen verführte und verließ. Daß
tik gegenspielender Kräfte wird plötzlich auch hier wach
s seiner Seele die Gestalt des Genießers,
die Eine dadurch ihren sittlichen Halt, ihre Reinheit
in diesen Parallelgestalten, durch den Reichtum
kerrschen will im Reiche des Empfindens;
verlor; die Andere nur durch die mutig auf sich ge¬
einer seelischen Differenzierungskunst, die es vermag, aus
den, der Grenzen absteckt, die zu über¬
nommene Last eines lebenslänglichen Betruges aufrecht
einer Wurzel Blüten, verschieden in Gestalt und Duft,
habe wagen darf; des Hochmütigen, der
blieb. Und bennoch will, da das Alter seine ersten
erstehen zu lassen.
Peben zu einer ästhetischen Angelegenheit
Schatten wirft, Julian nun das besitzen, was nur durch
auszukosten, wie ein Sammler seine
Auch sonst ruht das Stück auf dem geheim und
Opfer sein hätte werden können. Die Liebe eines Sohnes,
s stolzer Besitzer überwundener Erleb¬
den er anderen überlassen hatte; der gelehrt worden war,
tief erfühlten Gesetz bramatischen Gleichgewichtes. Denn
eicht, da er den Weg der Liebe, der
einen Anderen Vater zu nennen. Nehmen, ohne zu geben,
das Schwerste gelang dem Dichter. Er gab Herrn
ergessens und aller Unsicherheiten solcher
v. Sala die ebenbürdige Geuossin. Er schuf die Gestatt
dieses Losungswort seines Lebens sollte nun auch in
ielt er wohl zu dieser Zeit Abrechnung.
den nahenden Herbsttagen von keinem anderen abgelöst
der Johanna in ihrer einzigartigen und scheinbar will¬
hden Anderen“ in sich. Jenen Herrn
kürlichen Sonderheit. Aber unentrinnbar wie das Schicksal
werden.
16. Jahrhundert Don Juan geheißen;
ist die Begegnung, ist das zur höchsten Vereinigung und
Das Leitmotiv des Schauspiels tönt, scharfumfaßt
Rubenqué und 1890 Dorian Gray
zur Vernichtung führende Verhältnis der Beiden. Denn
und vibrierend, in einer Szene des vierten Aktes, da der
gehört wie die zwei Letztgenannten zu
was ist Johanna Anderes als die zu Körper geworbene
stoische Egoist Sala dem wehleidigen Egoisten Fichtner
Gestalten der zeitgenössischen Literatur.
Sehnsucht, des in ein werdendes Leben gewobene Rätsel,
die Bilanz ihrer Daseinswerte darlegt. „Lieben heißt, für
Mensch ersteht in ihm, und durch ihn
welchem jene Frau, die ihre Mutter war, unablässig nach¬
gemand anderen auf der Welt sein. Ich sage nicht, daß
and sein Licht. Denn es ist mehr in
sann? Was anderes als die zur Seele verdichtete Ahnung
es ein wünschenswerter Zustand sei, aber jedenfalls denke
nacht als nur der Gegensatz von ge¬
jenes weiten, bedenkenlosen Weltumfassens, jenes glühenden
ich, wir waren beide sehr fern davon. Was hat das, was
drohender Leere; mehr als der Kampf
Lebenswillens, jener heißen Unruhe, welche Sala und
unsereiner in die Welt bringt, mit Liebe zu tun? Es mag
her und egoistischer Weltanschauung. Das
Fichtner zwangen, sich außerhalb der Grenzen sittlicher
allerlei Lustiges, Verlogenes, Zärtliches, Gemeines,
keiner sterbenden Art ist diese Gestalt.
Verantworkung zu stellen. Wie es überkluge, übermüde
Leidenschaftliches sein, das sich als Liebe ausgibt, aber
jener Generation von Gehirnmenschen
Alte=Leut'=Kinder gibt, die mit dem Stempel greisen¬
Liebe ist es doch nicht ... Haben wir jemals ein Opfer
versucht haben, über dem Leben zu
hafter Erfahrung auf die Welt kommen, so ist in Johanna
gebracht, von dem nicht unsere Sinnlichkeit oder unsere
nisektoren der eigenen und fremden
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erig zu genießen vermochten als steril! Eitelkeit ihren Vorteil gehabt hätte? ... Haben wir je durch das geheime Erlebnis ihrer Mutter, die einst von
Wrem i.