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18. DerNes
Ausschnitt auss Humorist, Wien.
1-J0N1914
vom:
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Brünner Cheaterbrief.
28. Mai 1914.
Sehr geehrter Herr Redakteur!
Artur Schnitzle#s-hier erstmals aufgeführtes Schauspiel „Der einsame
Weg“ hat unsere Literaturhungrigen nicht zu sättigen vermocht. Die
Schicksale des Professors Wegrath, seiner Kinder und Freunde haben
niemanden sonderlich bewegt und ergriffen; man stand den verschiedenen
Konflikten ziemlich teilnahmslos gegenüber. Schnitzler hat viel, allzuviel
gesagt und dadurch den Gang der Handlung ins Breite, Ermüdende ge¬
zogen. Johanna stirbt, Stephan v. Sala greift zur Waffe, Julian muß
seinen Weg einsam weiterwandern, ohne sich seinen Sohn wiedergewonnen
zu haben. Irene Herms geht abseits von Allen ihren eigenen, einsamen
Weg, weil aus dem Liebesverhältnis mit Julian seinerzeit kein Ehebund
geworden. Es sind dies lauter Geschehnisse, denen die Tragik fehlt, die den
Helden aller Teilnahme berauben und als willensschwachen, unentschlossenen
Menschen erscheinen lassen; er wird zum mutwilligen Ruhestörer einer
stillen Ehe, deren Glück von ihm schon in ihren ersten Tagen wesentlich
untergraben; urde. Wozu jetzt noch einmal in längst Vergessenem schüren?
Wozu dem ahnungslosen Kinde brennende Zweifel ins Herz legen, wozu
durch ein zwekkloses Geständnis dieses um seinen Frieden bringen? Julian
ist Egoist durch und durch und dürfte kaum Jemanden finden, der sein
Tun rechtfertigen und billigen wird. Man findet seinen einsamen Weg
als eine gerechte Vergeltung des Schicksals. Der ganze Inhalt des Stückes
scheitert an der zutreffenden Dialogstelle selbst: „. . . man hat für einen
Menschen sehr wenig getan, wenn man nichts tat, als ihn in die Welt zu
— Wozu also fünf langatmige Akte? Phantastisch und allzu
setzen“.
romantisch ist das Verhältnis zwischen Johonna und Stephan. Leben,
Die
Lieben und Sterben dieser Beiden ist zu wunderlich und seltsam
Darstellung war — Harry Walden als Stephan ausgenommen -
nicht durchaus einwandfrei. Herr Rubel (Julian) bemühte sich sehr um
das Gelingen seiner Aufgabe, Herr Recke kann sich wohl nicht recht im
Väterfoche zurechtfinden, Herr Nehberger (Felix) hat nicht einen Funken
Gefühl in sich. Frl. Birnbaum (Gabrieie) starb bereits im ersten Akte.
Fel. Graf, die für derartige Rollen gute Befähigung zeigt, Herr Strauß:
##hosturf in gelungener Schnitzler=Maske, Frau Brand (Irene), die den
leichten Konversationston vortrefflich traf, sorgten für ein gerundetes Zu¬
sammenwie.. Harry Walden gab uns eine Leistung voll feinster Details;
in der Schlußszene war er tief ergreifend; hier erst setzte heim Publikum
Mitfühlen un Miterleben ein.
In der letzten „Parsisal“=Aufführung sang endlich Frau Bartsc
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Jonas die Partie der Kundrn
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Ausschnitt ausrünner Zeitung
18.MAITST4
vom:
hust, Wissenschaft und Literatur.
y 18. Mai. (Stadttheater.) Zum
eisten Wele: „Der einsame Weg.“ Schauspiel!
von Artur Schnitzler. Der Dichter ist als lie¬
Causeur bekannt; viele
benswürdige
seiner Einakter hatten Erfolg, allein fast alle seine
umfangreicheren Kompositionen zeigen, daß ihm die
Kraft für den richtigen Aufbau eines Dramas
fehlt. Zu dieser Erkenntnis mußte man auch gestern
gelangen. Gelungene Details konnten die Schwä¬
1“
chen des Ganzen nicht verdecken. „Der einsame Wen
ist eine recht minderwertige Schöpfung. Herr Harry
Walden wußte zwar durch seine Routine den
„Stephan von Sala“ in den Mittelpunkt der Hand¬
lung zu rücken und das Interesse des Publikums
für denselben rege zu erhalten. Die Herren
Recke, Rubel und Strauß, ferner Frl.
Brand waren gleichfalls eifrig um ihre Rolle be¬
müht. Herr Rehberger und Fr. Graf kamen
mit ihrer Aufgabe nicht ganz zurecht. Endlich
noch Frl. Birnbaum genannt. Das Publikum
zollte Herrn Walden reichen Beifall, erwärnt
ich
doch für das Stück nicht. Die Regie führte
Teller.
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