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18. Der eins##e Nen
sschnitt aus: ORESONER ANZEIGE
m:
1
Kranken (über alle Maßen Reichen!) nicht angehören wil
Alberttheater
Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich! Ein
dritte Handlung huscht unausgestaltet durch das Stück: ein
Indem wir die Eröffnung des Alberttheaters unter
Liebhaber findet nach Jahren seine alte Geliebte wieder
der neuen künstlerischen Leitung in diesen Kriegstagen
sie erhebt gegen ihn den sentimentalen Vorwurf, daß sie
mit Freuden begrüßen, wollen wir die lücksicht, die wir dem
glücklich gewesen wäre, wenn sie von ihm in der Jugend
jungen Unternehmen gewähren. von der früheren Leitung
ein Kind erhalten hätte, und nachdem sie dieses gesagt,
auf die gegenwärtige übertragen und uns, wenn dar¬
entschwindet sie wieder aus dem Stück. Und in diesem
stellerische Wünsche offenbleiben sollten, immer daran er¬
tief welancholischen Stück sind alle so selbstzufrieden, so
innern, daß Dresden ein zweites Schauspielhaus dringend
verfessen, sich selbst und andern ihr Inneres wie ein ana¬
bedarf und daß die Interessen der Neustadt das Bestehen
tomisches Präparat zu zergliedern und dabei so furchtbar
des Alberttheaters zweifellos fordern.
Uliterarisch, daß sie lieber eine gute Anmerkung machen,
Es war ein etwas müder Anfang; Au#
leus schwermutreiche, in Worten schwelgende stark und schlicht und natürlich ihre Empfindung zu
förmlich vergötternde moderne Tragödie: Der einsame äußern. In Motivlosigkeit und Laune erstirbt die Hand¬
Wegist an sich schon Trauermusik; von hängenden Weiden lung; die Stimmung, der Trauerflor ist alles; ein schwacher
tropfen silberne Tränen; Herren im modernen schwarzen Ibsen und ein schwacher Maeterlinck kamen bald da, bald
überzieher gehen stilvoll trauernd durch einen der dort zum Vorschein. Die Aufführung versah es in einem
wichtigen Punkt: sie kochte den dramatischen Milchbrei noch
modernen Urnenhaine; Bahrtuch, Sarg, Trauerkränze,
Blumenkörbchen, Uniform der Leichenträger: alles selbst einmal mit Milch. Wie mühte sich die Darstellung, den
den höchsten kunstgewerblichen Ansprüchen genügend. Nurfreichlichen Schnitzler zu überschnitzeln! Das schleppte und
quälte und träumte und tränte. Die erste Morgenstunde
etwas fehlt: der echte Schmerz. So wird das Ganze nur
des neuen Tages fand uns noch am traurigen Werk. Wohl
ein arrangiertes Spiel mit Worten, ein Götzendienst mit
muß die Stärke eines Stückes mit allen Mitteln der Regie
Gesten, ein weichliches Zerfließen in zwecklose Sentimen¬
talität. Die Eitelkeit feiert hier Feste; nehmen wir bei= hervorgehoben werden, nicht aber die Schwäche. Man sah
spielsweise an, ein kleines (oder großes) Unglück ist da, tüchtige schauspielerische Kräfte im ernsten Bestreben nach
nun findet aber der Schmerz keinen wahren Ausdruck,sondern harmonischer Wirkung. Aber das handlungsarme Stück
chen breit und dünn und weich geklopft; da bekommt jedersist überaus schwer. Direktor Licho hatte schöne und
der Beteiligten ein Stückchen goldenen Glanz: der erstel geschmackvolle Bühnenbilder gestellt und mit unverkenn¬
barer Sorgfalt gewaltet. Robert Müller Hermann
freut sich im stillen, ein so über die Maßen trauriges Er¬
Otto Bernstein, Klemens Schubert,
Götzke,
lebnis gehabt zu haben (wie ein uneheliches Kind, von
welchen im Stück überhaupt sehr oft die Rede ist); der zweite Martha Newes sind Darsteller, deren Namen uns bald
fühlt den Adel des Schmerzes, der den ersten dabei über= vertrauter klingen werden. Von früher ist Meta Büngen
rinnt; der dritte geht dem zweiten zur Seite und verlangt bekannt. Vor Überfeinerung des Spiels uß sich gauabe
in junges Theaterunternehmen hüten. Man kgun nicht
nach gleichem Schmerz. Und alle genießen so wonnig das
F. K.
den September vor dem März erleben.
eigene und das fremde Leid! Alle sprechen so ergiebig
davon! In Worten und in Selbstvergötterung des Leides
erstirbt das wahre Leid. So krankt und wankt und
Aus Dresden
schleicht und kokettiert das Stück endlos lang dahin. Es
ist die Tragödie des Egoismus (soll es wenigstens sein).
Ein Vater sucht seinen Sohn, um den er sich 20 Jahre nicht
gekümmert hat, entdeckt ihm das Geheimnis seiner Ent¬
stehung und erlebt es, daß sich der Sohn von ihm abwendet
2
und ihn, den Alternden, allein läßt. Man erwartet einen
Kampf zwischen Vater und Sohn, denn man will im
Theater ein Drama erleben; aber kaum hat der Vatersp
die Hand erhoben, den Sohn, den er liebtzu gewinnen,
Wurgr
da läßt er sie mit müder Geste sinken. Eine Nebenhand= be
ohne Gewähr.)
lung schlingt sich hinein: ein alternder Lebemann hat ein al
Tagesbotelaus Mahren und Schle
junges Mädchen aus guter (Familje zu seiner Geliebten B
gemacht; sie gibt sich selbstsden Tod weil sie dem unheilbar! O
Ausschnitt aus: Brünn.
vom: 6EFES 1915 Abendblatt
In SchuintersDer einsame Weg“, dieser melan=
Polischen Bekrachtung ner Irrwege der sterblichen
Menschen, bot sich Herrn Marr wieder eine Gelegenheit,!
seine vielverwertbare, wertvolle, ernste Männlichkeit zu
zeigen, indem er an Stelle des in Deutschlands Schlacht¬
reihen kämpfenden Paulsen den Professor Wegrath ein
fach und klar gestaltete.
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Kranken (über alle Maßen Reichen!) nicht angehören wil
Alberttheater
Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich! Ein
dritte Handlung huscht unausgestaltet durch das Stück: ein
Indem wir die Eröffnung des Alberttheaters unter
Liebhaber findet nach Jahren seine alte Geliebte wieder
der neuen künstlerischen Leitung in diesen Kriegstagen
sie erhebt gegen ihn den sentimentalen Vorwurf, daß sie
mit Freuden begrüßen, wollen wir die lücksicht, die wir dem
glücklich gewesen wäre, wenn sie von ihm in der Jugend
jungen Unternehmen gewähren. von der früheren Leitung
ein Kind erhalten hätte, und nachdem sie dieses gesagt,
auf die gegenwärtige übertragen und uns, wenn dar¬
entschwindet sie wieder aus dem Stück. Und in diesem
stellerische Wünsche offenbleiben sollten, immer daran er¬
tief welancholischen Stück sind alle so selbstzufrieden, so
innern, daß Dresden ein zweites Schauspielhaus dringend
verfessen, sich selbst und andern ihr Inneres wie ein ana¬
bedarf und daß die Interessen der Neustadt das Bestehen
tomisches Präparat zu zergliedern und dabei so furchtbar
des Alberttheaters zweifellos fordern.
Uliterarisch, daß sie lieber eine gute Anmerkung machen,
Es war ein etwas müder Anfang; Au#
leus schwermutreiche, in Worten schwelgende stark und schlicht und natürlich ihre Empfindung zu
förmlich vergötternde moderne Tragödie: Der einsame äußern. In Motivlosigkeit und Laune erstirbt die Hand¬
Wegist an sich schon Trauermusik; von hängenden Weiden lung; die Stimmung, der Trauerflor ist alles; ein schwacher
tropfen silberne Tränen; Herren im modernen schwarzen Ibsen und ein schwacher Maeterlinck kamen bald da, bald
überzieher gehen stilvoll trauernd durch einen der dort zum Vorschein. Die Aufführung versah es in einem
wichtigen Punkt: sie kochte den dramatischen Milchbrei noch
modernen Urnenhaine; Bahrtuch, Sarg, Trauerkränze,
Blumenkörbchen, Uniform der Leichenträger: alles selbst einmal mit Milch. Wie mühte sich die Darstellung, den
den höchsten kunstgewerblichen Ansprüchen genügend. Nurfreichlichen Schnitzler zu überschnitzeln! Das schleppte und
quälte und träumte und tränte. Die erste Morgenstunde
etwas fehlt: der echte Schmerz. So wird das Ganze nur
des neuen Tages fand uns noch am traurigen Werk. Wohl
ein arrangiertes Spiel mit Worten, ein Götzendienst mit
muß die Stärke eines Stückes mit allen Mitteln der Regie
Gesten, ein weichliches Zerfließen in zwecklose Sentimen¬
talität. Die Eitelkeit feiert hier Feste; nehmen wir bei= hervorgehoben werden, nicht aber die Schwäche. Man sah
spielsweise an, ein kleines (oder großes) Unglück ist da, tüchtige schauspielerische Kräfte im ernsten Bestreben nach
nun findet aber der Schmerz keinen wahren Ausdruck,sondern harmonischer Wirkung. Aber das handlungsarme Stück
chen breit und dünn und weich geklopft; da bekommt jedersist überaus schwer. Direktor Licho hatte schöne und
der Beteiligten ein Stückchen goldenen Glanz: der erstel geschmackvolle Bühnenbilder gestellt und mit unverkenn¬
barer Sorgfalt gewaltet. Robert Müller Hermann
freut sich im stillen, ein so über die Maßen trauriges Er¬
Otto Bernstein, Klemens Schubert,
Götzke,
lebnis gehabt zu haben (wie ein uneheliches Kind, von
welchen im Stück überhaupt sehr oft die Rede ist); der zweite Martha Newes sind Darsteller, deren Namen uns bald
fühlt den Adel des Schmerzes, der den ersten dabei über= vertrauter klingen werden. Von früher ist Meta Büngen
rinnt; der dritte geht dem zweiten zur Seite und verlangt bekannt. Vor Überfeinerung des Spiels uß sich gauabe
in junges Theaterunternehmen hüten. Man kgun nicht
nach gleichem Schmerz. Und alle genießen so wonnig das
F. K.
den September vor dem März erleben.
eigene und das fremde Leid! Alle sprechen so ergiebig
davon! In Worten und in Selbstvergötterung des Leides
erstirbt das wahre Leid. So krankt und wankt und
Aus Dresden
schleicht und kokettiert das Stück endlos lang dahin. Es
ist die Tragödie des Egoismus (soll es wenigstens sein).
Ein Vater sucht seinen Sohn, um den er sich 20 Jahre nicht
gekümmert hat, entdeckt ihm das Geheimnis seiner Ent¬
stehung und erlebt es, daß sich der Sohn von ihm abwendet
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und ihn, den Alternden, allein läßt. Man erwartet einen
Kampf zwischen Vater und Sohn, denn man will im
Theater ein Drama erleben; aber kaum hat der Vatersp
die Hand erhoben, den Sohn, den er liebtzu gewinnen,
Wurgr
da läßt er sie mit müder Geste sinken. Eine Nebenhand= be
ohne Gewähr.)
lung schlingt sich hinein: ein alternder Lebemann hat ein al
Tagesbotelaus Mahren und Schle
junges Mädchen aus guter (Familje zu seiner Geliebten B
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Ausschnitt aus: Brünn.
vom: 6EFES 1915 Abendblatt
In SchuintersDer einsame Weg“, dieser melan=
Polischen Bekrachtung ner Irrwege der sterblichen
Menschen, bot sich Herrn Marr wieder eine Gelegenheit,!
seine vielverwertbare, wertvolle, ernste Männlichkeit zu
zeigen, indem er an Stelle des in Deutschlands Schlacht¬
reihen kämpfenden Paulsen den Professor Wegrath ein
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