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120f 1 10 18
Hambaige. Plendenblan
Theater, Kunst
und Wissenschaft###
AM
mcten
Deuischeg=Schauspielhaus.
Gestertko##s zum Ersten Male das bereits
fünfzehn Jahrch geschriebene fünfaktige Schau¬
sciel
f einsame Weg“ von Arthur
Schnibler gegehen. Aber in diesen schwer¬
sten Stüden Deutschlands versagten die sonst
so wirkungsvollen melancholischen Reize, die
ein Kennzeichen der Stücke des nachdenklichen
Wiener Dichters sind und die im „Einsamen
Weg“ besonders stark hervortreten. Diese
Schmerzen zweier eleganter Lebensgenießer,
die den Herbst kommen fühlen und die Ent¬
sagung, das Begnügen an der Erinnerung
die Stelle des unbedenklichen Genusses treten
lassen sollen — wie nahe wären sie uns einst
vielleicht gegangen, wie kalt lassen sie uns
heute! Was einst vielen aks. Ursprünglichkeit
erschienen wäre, dünkt uns heute sentimentale
Mache. Der eine der beiden 45jährigen Lebe¬
männer gewinnt sich noch einmal die Neigung
einer Achtzehnjährigen, obwohl er wegen sei¬
ner Herzschwäche dem Lebens= und Liebes¬
genuß Valet gesagt hat. Sie begeht um seinet¬
witten Selbstmord und er — erschießt sich, da
der Herzschlag auf sich warten läßt.
Der
andere entdeckt in dem Sohn einer ehrenwerten
Familie sein Kind, wirbt aber vergebens um
dessen Zuneigung. Durch diese beiden Fälle
will der Dichter beweisen, wie schmerzlich ein¬
sam die selbstfüchtigen Genießer des Lebens
die letzte Hälfte ihres Daseins zurücklegen müssen,
von nagendem Schuldgefühl gepeinigt und den¬
noch außerstande, zu bereuen. Wie merkwürdig
berührt es uns heute, da eine ganz andere Tragik
unser Wesen bedrückt, daß wir dergleichen einst
als ernsthafte Dichtung haben nehmen können!
Das Stück ist zudem ein Zwitter. Es wirbt um
unsere Teilnahme einzig für die beiden ent¬
täuschten selbstsüchtigen Genießer während die
selbstlosen Erfüller ihrer Lebens= und Arbeits¬
pflicht, ein alter Künstler und ein braver Arzt,
ihnen nur als Folie dienen. Gegen diese Unge¬
rechtigkeit, diese Schiefheit der Auffassung lehnt
sich das gerade Gefühl auf. Und nur wider¬
willig erkennt man manche Feinheit in der
Charakterzeichnung und in der Stimmungs¬
schilderung an, die das Schauspiel auszeichnet.
Aber es fehlt ihm jede Größe. Schnitzler war
Arzt, ehe er Dichter wurde. Aber auch als
Dichter ist er seinem ursprünglichen Beruf treu
geblieben: er etablierte sich als Spezialarzt für
erotische Katzenjammerzustände. Als solchen be¬
tätigt er sich auch in dieser Tragikomödie. Aber
der nervöse Sensualismus, der das Theater¬
publikum früher für Stücke dieser Art empfänglich
machte, ist durch den furchtbaren Krieg der letzten
bier Jahre unid durch seine jetzige Wendung völ¬
lig entwurzelt, und man fragt sich einigermaßen
verwundert, wie das Schauspielhaus und sein
künstlerischer Leiter, der den „Einsamen Weg“ selbst
inszeniert hatte, gerade in dieser Zeit nach diesem
Stück greifen konnten. Dramen, denen es nur
um eine Wirkung auf die Nerven zu tun ist,
bedürfen Dder malerisch=reichen Bühne. Dr. Eger
hattedessen die höchsten szenischen An¬
strengungen gemacht. Seine Inszenierung ent¬
faltete in den geschmackvoll komponierten Land¬
schaften und Innenräumen allen Zauber der
Kulisse, und die Darsteller erschöpften sich in
feinen und komplizierten Leistungen, um alle
Schattierungen in den Stimmungen des „Ein¬
samen Weges“ herauszubringen. Die beiden
melancholischen Lebemänner gelangen Robert
Nhil und Carl Wagner vortrefflich.
Julius Kobler und Hermann Wlach
zeichneten nicht minder zutreffend ihre Anti¬
poden. Reinhold Lütjohann gab den
Jüngling, um den sich der illegitime Vater be¬
müht, mit liebenswürdiger Energie, und Hilde
Knoth lieh ihrer verliebten Achtzehnjährigen
ophelienhaften Reiz. Von den sonstigen Dar¬
stellern erwarben sich noch Gertrud Arnold
und Julia Serda erwähnenswerte Ve#
dienste. Das Publikum, obwohl es ziemlich
kühl blieb war gutmütig genug, am Schlußeeb¬
haften Beifall zu äußern.
J#.
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120f 1 10 18
Hambaige. Plendenblan
Theater, Kunst
und Wissenschaft###
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mcten
Deuischeg=Schauspielhaus.
Gestertko##s zum Ersten Male das bereits
fünfzehn Jahrch geschriebene fünfaktige Schau¬
sciel
f einsame Weg“ von Arthur
Schnibler gegehen. Aber in diesen schwer¬
sten Stüden Deutschlands versagten die sonst
so wirkungsvollen melancholischen Reize, die
ein Kennzeichen der Stücke des nachdenklichen
Wiener Dichters sind und die im „Einsamen
Weg“ besonders stark hervortreten. Diese
Schmerzen zweier eleganter Lebensgenießer,
die den Herbst kommen fühlen und die Ent¬
sagung, das Begnügen an der Erinnerung
die Stelle des unbedenklichen Genusses treten
lassen sollen — wie nahe wären sie uns einst
vielleicht gegangen, wie kalt lassen sie uns
heute! Was einst vielen aks. Ursprünglichkeit
erschienen wäre, dünkt uns heute sentimentale
Mache. Der eine der beiden 45jährigen Lebe¬
männer gewinnt sich noch einmal die Neigung
einer Achtzehnjährigen, obwohl er wegen sei¬
ner Herzschwäche dem Lebens= und Liebes¬
genuß Valet gesagt hat. Sie begeht um seinet¬
witten Selbstmord und er — erschießt sich, da
der Herzschlag auf sich warten läßt.
Der
andere entdeckt in dem Sohn einer ehrenwerten
Familie sein Kind, wirbt aber vergebens um
dessen Zuneigung. Durch diese beiden Fälle
will der Dichter beweisen, wie schmerzlich ein¬
sam die selbstfüchtigen Genießer des Lebens
die letzte Hälfte ihres Daseins zurücklegen müssen,
von nagendem Schuldgefühl gepeinigt und den¬
noch außerstande, zu bereuen. Wie merkwürdig
berührt es uns heute, da eine ganz andere Tragik
unser Wesen bedrückt, daß wir dergleichen einst
als ernsthafte Dichtung haben nehmen können!
Das Stück ist zudem ein Zwitter. Es wirbt um
unsere Teilnahme einzig für die beiden ent¬
täuschten selbstsüchtigen Genießer während die
selbstlosen Erfüller ihrer Lebens= und Arbeits¬
pflicht, ein alter Künstler und ein braver Arzt,
ihnen nur als Folie dienen. Gegen diese Unge¬
rechtigkeit, diese Schiefheit der Auffassung lehnt
sich das gerade Gefühl auf. Und nur wider¬
willig erkennt man manche Feinheit in der
Charakterzeichnung und in der Stimmungs¬
schilderung an, die das Schauspiel auszeichnet.
Aber es fehlt ihm jede Größe. Schnitzler war
Arzt, ehe er Dichter wurde. Aber auch als
Dichter ist er seinem ursprünglichen Beruf treu
geblieben: er etablierte sich als Spezialarzt für
erotische Katzenjammerzustände. Als solchen be¬
tätigt er sich auch in dieser Tragikomödie. Aber
der nervöse Sensualismus, der das Theater¬
publikum früher für Stücke dieser Art empfänglich
machte, ist durch den furchtbaren Krieg der letzten
bier Jahre unid durch seine jetzige Wendung völ¬
lig entwurzelt, und man fragt sich einigermaßen
verwundert, wie das Schauspielhaus und sein
künstlerischer Leiter, der den „Einsamen Weg“ selbst
inszeniert hatte, gerade in dieser Zeit nach diesem
Stück greifen konnten. Dramen, denen es nur
um eine Wirkung auf die Nerven zu tun ist,
bedürfen Dder malerisch=reichen Bühne. Dr. Eger
hattedessen die höchsten szenischen An¬
strengungen gemacht. Seine Inszenierung ent¬
faltete in den geschmackvoll komponierten Land¬
schaften und Innenräumen allen Zauber der
Kulisse, und die Darsteller erschöpften sich in
feinen und komplizierten Leistungen, um alle
Schattierungen in den Stimmungen des „Ein¬
samen Weges“ herauszubringen. Die beiden
melancholischen Lebemänner gelangen Robert
Nhil und Carl Wagner vortrefflich.
Julius Kobler und Hermann Wlach
zeichneten nicht minder zutreffend ihre Anti¬
poden. Reinhold Lütjohann gab den
Jüngling, um den sich der illegitime Vater be¬
müht, mit liebenswürdiger Energie, und Hilde
Knoth lieh ihrer verliebten Achtzehnjährigen
ophelienhaften Reiz. Von den sonstigen Dar¬
stellern erwarben sich noch Gertrud Arnold
und Julia Serda erwähnenswerte Ve#
dienste. Das Publikum, obwohl es ziemlich
kühl blieb war gutmütig genug, am Schlußeeb¬
haften Beifall zu äußern.
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