II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 515

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W
18. Def
rien, I., Contoralaplatz Nr.
Generalanzeiger für Hamburg-Altons
Hamburg
Sala sprengt bei keinem sein Gefäß: das Herz.
Diese Leute wollen nie, sie haben einmal ge¬
wollt, der Wille wird ihnen zur Stickluft, von der
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dünnen Leinwand, auf der ihre Seelen gemalt sind,
zupfen sie solange bunte Charpie, bis sie „er¬
kennen: Das heißt soweit bei Schnitzler drama¬
tisches Erkennen geht: bis sie abgehaspelt sind, daß
Theater und Mugik,
sie sich in glitzernden Aphorismen ganz genau sagen
können, wie traurig das nun alles geworden
sei.
Deutsches Schafslelh###s.
Es wäre ein Verdienst der Spielleitung ge¬
schnitzler.
Der einsame Weg.
wesen, dem elegischen Tempo wenigstens innere
Der fatale Extrakt aller Schniglerschen Damatik
Beschwintheit zu geben, durch das graue müde¬
ist kluge Wehmut. Keiner schlägt einmal zu, Einer
machende Sprachgewölke leidenschaftliche Lichter da
entäußert sich, zerfetzt sich; Egoisten ihrer Nerven,
und dort aufblitzen zu lassen. Es geschah nichts
Helden literarischer Zertuftelung, tragen sie ihr
dergleichen, und so wirkte das Ganze wie ein
Herz wie einen dünnen Band elegisch=formvollen¬
Monolog, klug, kühl und langweilig. Nur Julia
deter, österreichisch=müder, melancholischer Verse
Serdas Irene Herms ergab menschliche Frische,
oder Sätze unter gutsitzender Weste, anmutiger Bluse.
Hermann Wlach's Doktor Reumann war ein
Gelacht wird unecht, geweint, wenn die Nerven ver¬
bitter Verantwortlicher, auf dem allein das Leid der
sagen wollen; in schönen Sätzen spricht man sich
Familie zu lasten schien. Völlig in ein fremdes
sein inneres Erleben aus, und man wundert sich,
Element versetzt schien mir Kobler als Pro¬
daß die Leute auf der Bühne nicht einschlafen, mit
Carl Wagner
fessor Wegrath, während
verweinten Augen, in Erinnerung an alte, schöne
diesmal seine Wehleidigkeit wacker bestritt. Der
Tage — unerlöst, weil Worte nicht erlösen, können,
dankbaren Rolle des Stephan von Sala gab Ro¬
femini,
noch befruchteten. Fein, schürfend, zart,
bert Nhil zähe, weltläuferische Männlichkeit, doch
wer ist mit diesen Beigaben Dramatiker? Das ist
gelang es ihm nicht ganz, diese vom Dichter gegen
alles ja sehr schmerzlich, was auf der Bühne ge¬
Schluß aphoristisch zerklüftete Natur ganz in Eines
schieht (und nur dort kann es „geschehen“, so weit
zu packen. Lütjohanns Felix kam selbst in
dies Wort bei Schnitzler gilt), aber ich könnte mir
vorgezeichneter Jungensschwächlichkeit nicht auf. er
vorstellen, daß eine Gartenspritze, die irgend wer
interessierte nicht, doch mag auch das am Dichter
aus der Kulisse plötzlich in die sehnsüchtelnde Gesell¬
liegen. Die Gabriele der Gertrud Arnold
schaft richtete, einen nicht unnetten Lustspieleffekt
war achtbarste Leistung, während Hilde Knoth
anrichtete und ergäbe.
als Johanna einem der süßen Dämchen auf dänischen
In unseren jetzt politisch=schwül gespannten
Strandpostkarten glich, kitschig und blond.
Tagen quillt ein frischer Wind auf, der von Taten
Das Szenenbild im vierten Akt, mit den hohen
prall geht und sie, früher oder später, gebären muß.
VI.
Fichten, die kalt die dämmergrüne Landschaft zer¬
Die neue Periode kann nur von werktätigen Man¬
schnitten, mag als feine malerische Leistung noch
nern kommen, Männern, die weder sinnieren noch
gewürdigt werden. Der Beifall war herzlich.
Entschwundenem elegisch nachseufzen, und, daß
. B.
ssie dies müssen, schon für Tragik halten. Es be¬
rührt eigentümlich, wie alt uns der „Einsame Weg“
gestern war, wie Staub herabrieselte, wie uns pein¬
lich das Vergängliche gerade dieser Literatur ins
Gesicht senk.
Wer, wie Schnitzler in dem Einsamen Weg, ver¬
sucht, Leidenschaften mit Mikromater und Präzi¬
sionswage zu wägen, der will in Wirklichkeit harte
Leidenschaft nicht; ihm ist sie lästig, tatstörend,
während sie doch gerade jede Tat befreit, ihr die
„Farbe der Entschließung“ gibt. Das angewärmte
Blut dieser Halbkünstler Wegrath, Fichtner und