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18. Der einsade-neg
W
lig entwurzelt, und man fragt sich einigermaßen
verwundert, wie das Schauspielhaus und sein
künstlerischer Leiter, der den „Einsamen Weg“ selbst
Theater, Kunst
inszeniert hatte, gerade in dieser Zeit nach diesem
Stück greifen konnten. Dramen, denen es nur
S und Wissenschaft
um eine Wirkung auf die Nerven zu tun ist,
K
EIRTR ar: 1
bedürfen der malerisch=reichen Bühne. Dr. Eger
hatte infolgedessen die höchsten szenischen An¬
Deutsches Schauspielhaus.
strengungen gemacht. Seine Inszenierung ent¬
faltete in den geschmackvoll komponierten Land¬
Gestern wurde zum ersten Male das bereits
schaften und Innenräumen allen Zauber der
vor fünfzehn Jahren geschriebene fünfaktige Schau¬
Kulisse, und die Darsteller erschöpften sich in
spiel „Der einsame Weg“ von Arthur
feinen und komplizierten Leistungen, um alle
Schnitzler gegeben. Aber in diesen schwer¬
Schattierungen in den Stimmungen des „Ein¬
sten Stunden Deutschlands versagten die sonst
samen Weges“ herauszubringen. Die beiden
so wirkungsvollen melancholischen Reize, die
melancholischen Lebemänner gelangen Rober:
ein Kennzeichen der Stücke des nachdenklichen
Nhil und Carl Wagner vortrefflich.
Wiener Dichters sind und die im „Einfamen
Julius Kobler und Hermann Wlach
Weg“ besonders stark hervortreten. Diese
zeichneten nicht minder zutreffend ihre Anti¬
Schmerzen zweier eleganter Lebensgenießer,
poden. Reinhold Lütjohann gab den
die den Herbst kommen fühlen und die Ent¬
Jüngling, um den sich der illegitime Vater be¬
sagung, das Begnügen an der Erinnerung an
müht, mit liebenswürdiger Energie, und Hilde
die Stelle des unbedenklichen Genusses treten
82
Knoth lieh ihrer verliebten Achtzehnjährigen
lassen sollen — wie nahe wären sie uns ein
ophelienhaften Reiz. Von den sonstigen Dar¬
vielleicht gegangen, wie kalt lassen sie uns
stellern erwarben sich noch Gertrud Arnold
heute! Was einst vielen als Ursprünglichkeit
da erwähnenswerte Ver¬
und Julia &
erschienen wäre, dünkt uns heute sentimentale
dienste. Das Publikum, obwohl es ziemlich
Mache. Der eine der beiden 45jährigen Lebe¬
kühl blieb, war gutmütig genug, am Schluß leb¬
männer gewinnt sich noch einmal die Neigung
K.
haften Beifall zu äußern.
einer Achtzehnjährigen, obwohl er wegen sei¬
ner Herzschwäche dem Lebens= und Liebes¬
genuß Valet gesagt hat. Sie begeht um seinet¬
Altonaer Stadt=Theater.
willen Selbstmord und er — erschießt sich, da
Der“
„Hochparterre und Keller“
der Herzschlag auf sich warten läßt.
andere entdeckt in dem Sohn einer ehrenwerten Wiel Mühe Arbeit und Geschick sind darauf 1
verwandt worden, um ein altes Restroysches
Familie sein Kind, wirbt aber vergebens um
Stück, das nach dem Beispiel von E. T. A.
dessen Zuneigung. Durch diese beiden Fälle
Hoffmann die Wände der Häuser aufklappt und
will der Dichter beweisen, wie chmerzlich ein¬
des Lebens
gleichzeitig die Vorgänge im Hochparterre und
sam die selbstsüchtigen Gentek
Keller schauen läßt, zu galvanisieren. Otto
die letzte Hälfte ihres Daseins zurücklegen müssen,
Ernst hat nicht nur die Bearbeitung über¬
von nagendem Schuldgefühl gepeinigt und den¬
nommen, sondern auch mit zarter Hand die
noch außerstande, zu bereuen. Wie merkwürdig
Harfe geschlagen, um zu eigenen Liedern die
berührt es uns heute, da eine ganz andere Tragik
Musik zu setzen. Kapellmeistev Hans Belusa,
unser Wesen bedrückt, daß wir dergleichen einst
Kapellmeister
den gestern Herr
als ernsthafte Dichtung haben nehmen können!
hat
am Dirigentenpult vertrat,
Das Stück ist zudem ein Zwitter. Es wirbt um
Dr.
musikalisch bearbeitet, Direktor
sie
unsere Teilnahme einzig für die beiden ent¬
Loewenfeld hat sich selbst bemüht, um
täuschten selbstsüchtigen Genießer, während die
das ganze in Szene zu setzen, und endlich leitete
selbstlosen Erfüller ihrer Lebens= und Arbeits¬
Herr Wehrlin die Aufführung. Die besten
pflicht, ein alter Künstler und ein braver Arzt,
Kräfte der Bühne, die Herren Eppens,
ihnen nur als Folie dienen. Gegen diese Unge¬
Haase, Taeger, Hirsch, Wehrlin,
rechtigkeit, diese Schiefheit der Auffassung lehnt
Die Damen Goericke, Ferron und Raym,
sich das gerade Gefühl auf. Und nur wider¬
spielten und sangen tapfer mit, um den Erfolg
willig erkennt man manche Feinheit in der
bei den Zuhörern zu erzielen, der dem zweiten
Charakterzeichnung und in der Stimmungs¬
und dritten Aufzug zuteil wurde. Es kreißten
schilderung an, die das Schauspiel auszeichnet.
schon die Berge, aber... die Frage bleibt,
Aber es fehlt ihm jede Größe. Schnitzler war
ob es wirklich solchen Aufwandes wert war,
Arzt, ehe er Dichter wurde. Aber auch als
dieses Stück so aufzufrischen, wie es geschehen.
Dichter ist er seinem ursprünglichen Beruf treu
geblieben: er etablierte sich als Spezialarzt für Als geschicktem Theatermann ist es Otto Ernst!
natürlich gelungen, eine straffe Handlung zu¬
erotische Katzenjammerzustände. Als solcher be¬
sammenzubauen, auch sind seine lyrisch=sentimen¬
tätigt er sich auch in dieser Tragikomödie. Aber
talen Lieder=Einlagen nicht ohne Stimmung.
der nervöse Sensualismus, der das Theater¬
aber das Ganze kann — immer unter der Vor¬
publikum früher für Stücke dieser Art empfänglich
aussetzung, daß auch in diesem Stück der Ver¬
machte, ist durch den furchtbaren Krieg der letzten
vier Jahre und durch seine jetzige Wendung völ¬ fasser literarisch genommen werden will —
Jcuetr Funsutktalf“e i8
#4#
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18. Der einsade-neg
W
lig entwurzelt, und man fragt sich einigermaßen
verwundert, wie das Schauspielhaus und sein
künstlerischer Leiter, der den „Einsamen Weg“ selbst
Theater, Kunst
inszeniert hatte, gerade in dieser Zeit nach diesem
Stück greifen konnten. Dramen, denen es nur
S und Wissenschaft
um eine Wirkung auf die Nerven zu tun ist,
K
EIRTR ar: 1
bedürfen der malerisch=reichen Bühne. Dr. Eger
hatte infolgedessen die höchsten szenischen An¬
Deutsches Schauspielhaus.
strengungen gemacht. Seine Inszenierung ent¬
faltete in den geschmackvoll komponierten Land¬
Gestern wurde zum ersten Male das bereits
schaften und Innenräumen allen Zauber der
vor fünfzehn Jahren geschriebene fünfaktige Schau¬
Kulisse, und die Darsteller erschöpften sich in
spiel „Der einsame Weg“ von Arthur
feinen und komplizierten Leistungen, um alle
Schnitzler gegeben. Aber in diesen schwer¬
Schattierungen in den Stimmungen des „Ein¬
sten Stunden Deutschlands versagten die sonst
samen Weges“ herauszubringen. Die beiden
so wirkungsvollen melancholischen Reize, die
melancholischen Lebemänner gelangen Rober:
ein Kennzeichen der Stücke des nachdenklichen
Nhil und Carl Wagner vortrefflich.
Wiener Dichters sind und die im „Einfamen
Julius Kobler und Hermann Wlach
Weg“ besonders stark hervortreten. Diese
zeichneten nicht minder zutreffend ihre Anti¬
Schmerzen zweier eleganter Lebensgenießer,
poden. Reinhold Lütjohann gab den
die den Herbst kommen fühlen und die Ent¬
Jüngling, um den sich der illegitime Vater be¬
sagung, das Begnügen an der Erinnerung an
müht, mit liebenswürdiger Energie, und Hilde
die Stelle des unbedenklichen Genusses treten
82
Knoth lieh ihrer verliebten Achtzehnjährigen
lassen sollen — wie nahe wären sie uns ein
ophelienhaften Reiz. Von den sonstigen Dar¬
vielleicht gegangen, wie kalt lassen sie uns
stellern erwarben sich noch Gertrud Arnold
heute! Was einst vielen als Ursprünglichkeit
da erwähnenswerte Ver¬
und Julia &
erschienen wäre, dünkt uns heute sentimentale
dienste. Das Publikum, obwohl es ziemlich
Mache. Der eine der beiden 45jährigen Lebe¬
kühl blieb, war gutmütig genug, am Schluß leb¬
männer gewinnt sich noch einmal die Neigung
K.
haften Beifall zu äußern.
einer Achtzehnjährigen, obwohl er wegen sei¬
ner Herzschwäche dem Lebens= und Liebes¬
genuß Valet gesagt hat. Sie begeht um seinet¬
Altonaer Stadt=Theater.
willen Selbstmord und er — erschießt sich, da
Der“
„Hochparterre und Keller“
der Herzschlag auf sich warten läßt.
andere entdeckt in dem Sohn einer ehrenwerten Wiel Mühe Arbeit und Geschick sind darauf 1
verwandt worden, um ein altes Restroysches
Familie sein Kind, wirbt aber vergebens um
Stück, das nach dem Beispiel von E. T. A.
dessen Zuneigung. Durch diese beiden Fälle
Hoffmann die Wände der Häuser aufklappt und
will der Dichter beweisen, wie chmerzlich ein¬
des Lebens
gleichzeitig die Vorgänge im Hochparterre und
sam die selbstsüchtigen Gentek
Keller schauen läßt, zu galvanisieren. Otto
die letzte Hälfte ihres Daseins zurücklegen müssen,
Ernst hat nicht nur die Bearbeitung über¬
von nagendem Schuldgefühl gepeinigt und den¬
nommen, sondern auch mit zarter Hand die
noch außerstande, zu bereuen. Wie merkwürdig
Harfe geschlagen, um zu eigenen Liedern die
berührt es uns heute, da eine ganz andere Tragik
Musik zu setzen. Kapellmeistev Hans Belusa,
unser Wesen bedrückt, daß wir dergleichen einst
Kapellmeister
den gestern Herr
als ernsthafte Dichtung haben nehmen können!
hat
am Dirigentenpult vertrat,
Das Stück ist zudem ein Zwitter. Es wirbt um
Dr.
musikalisch bearbeitet, Direktor
sie
unsere Teilnahme einzig für die beiden ent¬
Loewenfeld hat sich selbst bemüht, um
täuschten selbstsüchtigen Genießer, während die
das ganze in Szene zu setzen, und endlich leitete
selbstlosen Erfüller ihrer Lebens= und Arbeits¬
Herr Wehrlin die Aufführung. Die besten
pflicht, ein alter Künstler und ein braver Arzt,
Kräfte der Bühne, die Herren Eppens,
ihnen nur als Folie dienen. Gegen diese Unge¬
Haase, Taeger, Hirsch, Wehrlin,
rechtigkeit, diese Schiefheit der Auffassung lehnt
Die Damen Goericke, Ferron und Raym,
sich das gerade Gefühl auf. Und nur wider¬
spielten und sangen tapfer mit, um den Erfolg
willig erkennt man manche Feinheit in der
bei den Zuhörern zu erzielen, der dem zweiten
Charakterzeichnung und in der Stimmungs¬
und dritten Aufzug zuteil wurde. Es kreißten
schilderung an, die das Schauspiel auszeichnet.
schon die Berge, aber... die Frage bleibt,
Aber es fehlt ihm jede Größe. Schnitzler war
ob es wirklich solchen Aufwandes wert war,
Arzt, ehe er Dichter wurde. Aber auch als
dieses Stück so aufzufrischen, wie es geschehen.
Dichter ist er seinem ursprünglichen Beruf treu
geblieben: er etablierte sich als Spezialarzt für Als geschicktem Theatermann ist es Otto Ernst!
natürlich gelungen, eine straffe Handlung zu¬
erotische Katzenjammerzustände. Als solcher be¬
sammenzubauen, auch sind seine lyrisch=sentimen¬
tätigt er sich auch in dieser Tragikomödie. Aber
talen Lieder=Einlagen nicht ohne Stimmung.
der nervöse Sensualismus, der das Theater¬
aber das Ganze kann — immer unter der Vor¬
publikum früher für Stücke dieser Art empfänglich
aussetzung, daß auch in diesem Stück der Ver¬
machte, ist durch den furchtbaren Krieg der letzten
vier Jahre und durch seine jetzige Wendung völ¬ fasser literarisch genommen werden will —
Jcuetr Funsutktalf“e i8
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