II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 520

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18. Der einsane des
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Stimmungsakkord beginnen? Vielleicht. Aber dadurch zerstört er
Nachdruck liegt gar nicht auf dem Beiwort im Titel. Es kommt
sich einen künstlerischen Gegensatz, der von entscheidender Wichtig¬
äger, und es kommt gar
dem Dichter wohl darauf an, zu zeigen, daß wir einsam dahin¬
keit für die ganze Entwicklung der Handlung ist. Denn aus dieser
de alles dramatische Ge¬
gehen, doch nur aus dem Grunde, weil wir in der Einsamkeit am
Enge flieht ja gerade die Tochter Johanna in die Freiheit, die
stärksten fühlen, daß wir tatsächlich dahingehen, daß Leben und
hen sehen wir wohl auf
Weite, die Schönheit, die sie bei Sala, wenn auch nur für letzte
Sterben eben im Grunde das gleiche ist. Darum läßt er die beiden
können wir fühlen, und
trunkene Minuten, zu finden hofft. Das was wir hier sehen, ist
Egoisten Fichtner und Sala sich gegen die Zeit aufbäumen; darum
und zertritt, als wertvoll
eigentlich das Charakteristische des neuen vielbesprochenen Land¬
kommt die Vergangenheit in Gestalt der früheren Geliebten,
In ihrem Schicksal. Wir
hauses der reichen Aristokraten. Und was bleibt nun für dieses
der Schauspielerin Irene Herms, noch einmal zurück; darum
sisches Beispiel für eine
übrig? Stimmungswerte genug! Das langsame Verdämmern
knüpft sich ein Drama erst, wenn das andere sich schon zu lösen
K aus allen Wonnen und
des Parks, während das Licht der Türe warm auf die beiden ge¬
scheint; darum müssen die beiden Frauen so plötzlich dahin, und
Goethes Entweichen aus
scheiterten Lebenskünstler in ihrer kalten Einsamkeit fällt, war
den überlebenden bleibt am Ende nichts weiter als das bißchen
ter in der Stille seiner
sehr fein gemacht. Aber wieder fehlt hier wesentliches. Denn der
Pflicht, das noch immer das beste, vielleicht das einzige Mittel ist,
che Formen gießt, um es
Garten Salas ist ein Spiegelbild seines Ich. Gerade die Zeichen
damit wir das ewiggleiche Gleiten der Zeit nicht mehr hören und
zu unterbreiten, da über¬
einer feineren Kultur wollen wir darum nicht missen, und römische
des monotone Ticktack der Uhr wenigstens für Augenblicke aus dem
1 der die Worte zu Papier
Kaiserbüsten sind wichtiger als Kiefernstämme, die sowieso mehr
Ohr verbannen. Legen wir das eigentliche Problem des Stückes
blicke, da es ihr fast das
an den Grunewald als an den Wiener Wald, mehr an Dahlem als
in dieser Richtung aus, so müssen wir die Meisterschaft des Dichters
n der Notwendigkeit des
an Dornbach erinnern. Der Innenraum der Wohnung von Weg¬
unumwunden anerkennen. Wo immer diese Menschen sich hin¬
en Gestalt emporblickend,
rats war ein kleines Kabinettstückchen künstlerischer Kultur von
wenden, da starrt ihnen das Vergehen entgegen: sie umschlingen
cht dazu!“ Dies geheime
Alt=Wien (ist unser ganzes Theater=Programm nicht etwas Alt¬
sich, und das Alter stößt die Jugend hinab, und die Jugend kann
Ans in dem Schnitzlerschen
Wien?) mit Biedermeiermöbeln, farbigen Stichen, Familienbildern
Im des gemeinsamen Emp¬
das Alter nicht halten; sie sprechen miteinander, und ihre Sprache
usw. Aber soviel Liebe man auf dieses Szenenbild verwandt hat,
klingt wie ein Echo aus längstvergangenen Tagen; sie gehen den
Einzelfall. Aber auch die
ebenso stiefmütterlich behandelt man die Wohnung von Julian
Weg des Alltags, und dennoch schreiten sie Schritt für Schritt die
terführt, stößt auf innere
Fichtner. Freilich ist das ein Unbehauster in tieferem Sinne. Aber
Stufen hinab, die wie jene Marmortreppe im alten Ekbatana ins
wachsenen Sohn das Ge¬
gerade solche, zumal wenn sie Künstler sind und außerdem in der
Dunkel führt, und von deren Stufen man nie weiß und nie wissen
lerstenmal um die Sohnes¬
Stadt Makarts wohnen, pflegen das Heimliche vorzutäuschen. Aber
wird, welches schließlich die letzte ist. Es gibt kaum ein Theaterstück
Elegenheit, daß sie nur von
ein einziges Sportbild — man denke — eignet sich absolut nicht,
in der modernen Literatur, das uns gerade die Zeit so lebendig
sch erledigt werden kann.
um diese Atmosphäre herzustellen.
Hilfe. Zwar nicht in leib¬
in unserem Gefühl werden läßt. Darum kann es auch kein Drama
Die Darstellung leidet an dem einen großen übelstand, daß
it wenige Tage, unter der
ir eigentlichen Sinne des Wortes sein. Denn wer so das Leben
das Weiche Gleitende des Schnitzlerschen Dialoges fast nirgends
Dem Bilde steigt nicht nur
Stunde für Stunde als ein Fliehen, ein Entgleiten empfindet der
erreicht wird. Das ganze wirkt wie ein vorgetragenes Klavierstück,
s dem Grabe hervor, und
vergißt, daß man nur mit Einsatz dieses Lebens der unerbittlichen
dessen Töne sich nicht binden, sodaß man jeden Anschlag mit pein¬
Er lebendig. Wir lesen aus
Flucht Einhalt gebieten kann, daß nur der sich selber gewinnt, der
licher Deutlichkeit hört. Herr Wagner spielt den Julian Ficht¬
emalt, aus den fragenden
auch bereit ist, sich selber aufzugeben. Wenn Schnitzer schließlich
ner. An ihm hat der neue Herr ein kleines Wunder gewirkt. Zum
nur das Seelenleben, son¬
mit melancholischer Gebärde eine jüngere, stärkere Generation grußt,
erstenmal seit langen Jahren sehen wir anstatt der äußeren Aktion
Pirkt wie ein Sakrileg am
so grüßt er damit zugleich eine neue Kunst und vor allem ein
eine feelische Handlung. Die Windmühlenflügel stehen still; das
des Lebens selbst. Wieder
Wort braucht nicht erst durch sie heraufgepumpt zu werden; es
neues Drama.
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Der so oft mit Unrecht als
Die Aufführung steht unter der Leitung des neuen künstleri¬
kommt aus innerem Drange. Ganz ohne Opfer geht es natürlich
Bühne ist im Gegenteil ein
schen Leiters. Es ist entschieden zu begrüßen, daß Herr Dr. Eger
bei einer solchen Umstellung nicht ab, und vorläufig fehlt es ihm noch
Abstraktion geistiger Zu¬
endlich aus dem Dunkel der Namenlosigkeit hervortritt. Man steht
etwas an werbender Kraft, was bei der Rolle des Fichtners doppelt
Fann, was sich in der Ver¬
sich besser Auge in Auge gegenüber und auch für das ästhetische
schwer in die Wagschale fällt. Aber der Fortschritt ist unverkenn¬
acktheit enthüllen kann, das!
Urteil ist die uneingeschränkte Offentlichkeit eine Lebensbedingung.
bar und dessen wollen wir uns freuen. Nicht mit dem gleichen
t, wo es nur auf die Ver¬
Er hat gar keinen Grund, hinterm Berge zu halten. Wir spürten
Glücke spielt Herr Nhil die höchst eigenartige Figur des Herrn von
auch gestern seine sorgsame Hand. Die Bühnenausstattung, das
en Gefühl ankommt.
Sala. Gewiß handelt es sich auch hier um einen typischen Schnitz¬
Zusammenspiel haben sich entschieden unter seiner Leitung schon ge¬
Drama im Drama zu tun,
lerschen Helden. Aber dem Anatolgeschlechte gehört Sala doch nur
ß kommen. Aber Schnitzler
bessert. Keine Frage: Wir sind einen Schritt vorwärts gekommen.
als Bastard an. Seine Blutmischung hat einen fremden literari¬
Ob wir damit tatsächlich schon den Anschluß an das künstlerische
ker ja er ist am meisten
schen Einschlag. Es scheint als ob Oskar Wildes Lord Henry
Wollen der Zeit erreicht haben, muß allerdings vorläufig noch da¬
atiker ist. Der Blickpunkt,
Wotton aus dem Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ ihm
hingestellt bleiben. Einige Eigenwilligkeiten in der bildlichen Aus¬
mannigfach verzahnten Ge¬
manches von seinem Wesen mitgegeben hat. Auch andere Be¬
gestaltung der Szene sind uns aufgefallen. Wir wollen aber gleich
tt erfaßt, wo die seelischen
ziehungen deuten auf diese Verwandtschaft. Dadurch kommt ein
bemerken, daß wir dem Regisseur einen großen Spielraum in die¬
falsch gewählt. Neben dem
Bruck, in Salas Wesen und der wird in der Darstellung von Herrn
ser Hinsicht einräumen. Die Kunstmittel der Bühne sind in stetem
hht ja das andere her, dessen
Nhil empfindlich verstärkt. Er trägt eine höchst unglückliche Masie;
Wandel begriffen. Heute mehr denn je! Und wer mit anderen
1
nd der eine mit väterlichen
die Ironie wird zu intriganter Dämonie gesteigert und so der
Mitteln als denen, die dem Dichter vorgeschwebt, stärkere Wirkun¬
r Freund und Altersgenosse
Liebbaber schier völlig unmöglich gemacht. Frau Serda findet
gen erzielen kann, dem steht das vollkommen frei. Aber Herr Eger
kr versuchen, nun auch in die
als Irene Herms wohl die weichsten und reichsten Töne. Aber ihr
versucht mit den gleichen Mitteln ganz entgegengesetzte Wirkungen
fehlt es an der nötigen Selbstironie, durch die diese Frauengestalt
en so würden wir auf noch
zu erreichen. Im ersten Akt schreibt der Dichter vor: „Das kleine
gerade so sympathisch wirkt. Man hat mit Recht ihre Auftritte die
Reichen Bedenken wie gegen
Gärtchen am Hause des Professors Wegrat. Es ist fast gänzlich
Lustspielszenen im Stücke genannt, und jemehr die so unjüngfer¬
In Sala, und die Zweifel an
von Häusern umschlossen, sodaß jeder freie Ausblick fehlt.“ Was
liche Alte Jungfer über sich und ihr Los lächeln kann, desto mehr
Nahrung. Aber das Kunst¬
sehen wir auf der Bühne des Deutschen Schauspielhauses? Haus
kießen, wenn wir alle diese
wirken die Tränen, wenn sie ihr schließlich doch in die Augen
und Garten, wie vorgeschrieben und sehr fein und stimmungsdoll,
knüpfung als ein sekundäres
aber über die trennende Mauer schweift der Blick frei in die Weite,
da, um uns als künstlerisches
lich das Leben selbst. Der und die Landschaft des Wiener Waldes entfaltet alle ihre Reize. War¬ kommen. Frl. Knoth hat in der Rolle der Johanna wohl das
serem Gefühle ganz erfasten,
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