II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 548

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18. Der einsane Nen
Tribüne.
„Der einsame Weg“ von Arthur Schnitzler.
F. E. Bei höchst genußreicher Darstellung ein Wiederaufleben
dieses älteren Dramas. Romanhaft, schwerblütig, mit verhaltenem
Atem, schon etwas grau übersponnen und nicht sein Allerbestes, zeigt
es doch auch Schnitzlers Güte, Zartheit und schmiegsam ordnende
Hand. Der Beifall war groß.
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Lustspielhaus.
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Ke

grausam entschleiert werden. Es wird entweder
mit salopper Natürlichkeit“ gesprochen, wie von
Herrn von Winterstein, dann enthüllt sich
Der einsame Weg.
die Unnatur der Rolle. Oder es wird schwer¬
Tribüne.
mütig rezitiert wie von Käthe Haack (die aber
künstlerisch gewachsen ist), dann zeigt sich, daß
Die Eindrücke des Abends sind schauspiele¬
die Sätze Schnitzlers die Gewichtigkeit nicht ver¬
sche, nicht dichterische. Albert Bassermann
tragen. Schnitzler ist veraltet, weil der nie jung
hat die künstlerische Krise der letzten Jahre über¬
war. Schnitzler ist auch kaum zu bearbeiten, wie
wunden. Man hat das Gefühl, als ob er in der
der von Georg Altmann zusammengezogene
ersten Zeit, als neue Schauspieler, neue Dichtun¬
Text dieser von Eugen Robert geleiteten Auf¬
gen in Berlin sich durchzusetzen begannen, aus
führung bewies. Wenn ein Stück auf Ge¬
einem unproduktiven Protestgefühl hevaus spielte,
spräche, auf Betrachtungen gestellt ist, wird Zu¬
seine Art, seine Mittel betonte und deshalb ab¬
sammenlegung keine dramatische Bewegung
nutzte. Heute hat er zur Selbstverständlichkeit
schaffen. Jedes Bühnenwerk kann nur aus seiner
Ein aktives
zurückgefunden. Er spielt nicht mehr „gegen“
Art heraus belebt werden.
etwas, er spielt aus sich. Er ist der Meister
Drama kann auf Handlung gespielt, ein melan¬
seiner selbst geworden. Seine Mittel strömen
cholisches Redestück kann nur auf (mimisch
wieder. Die Rolle geht in ihm auf. Schnitzler
unterströmten, mimisch bereicherten) Dialog hin
darzustellen, erscheint heute fast unmöglich,
„beurbeitet“ werden. Was im Wesen undrama¬
Bassermann löst den Dialog, der im „Ein¬
tisch ist, wird durch Einzelheiten nicht dramatisch,
samen Weg“ kein dramatischer Dialog, sondern
sondern unwahr. „Der einsame Weg“ wirkte
restlos in
feuilletonistische Wechselrede ist,
durch den Widerspruch zwischen retardierender
mimischeorgänge auf. Die Ironie des Herrn
Darstellung und zusammenfassender Bearbeitung
von Salu — und Bassermanns Gesicht funkelt.
Die weltmätnische Attitüde des Herrn von Sala theatralisch: der Effekt stand nicht im Verhältnis
— und Bassermann führt die Unterhaltung mit zum Anlaß. „Der einsame Weg“ wirkte, als ob
Sudermann ein Ibsendrama hätte schreiben
lässiger Ueberlegenheit. Der sentimentale Welt¬
wollen und deshalb die Handlung auf Filzsohlen
schmerz — und Bassermanns Haltung wird müde.
gestellt hätte. Ein fernes, ein fremdes Stück.
und Bassermanns Körper
Die Einsamkeit
Menschlich reizvoll, weil man die Nachdenklich¬
fröstelt unnerkbar. Bewundernswert ist, daß
keit eines erfahrenen Mannes dahinter spürt.
bei diesem mimischen Reichtum niemals der Dia¬
log überzeichnet, immer die Gesprächslinie ein= Künstlerisch unlebendig, weil diese Betrachtun¬
gen immer dann einsetzen, wenn das Stück aus
eigener Kraft, aus eigenen Gesetzen nicht vor¬
gehalten wird.
wärts kommt. Menschlichkeit aus dichterischer
Lueie Höflich hat eine im schauspielerischen
Verlegenheit. Private Bekenntnisse, um sich
Sinne dankbarere Partie: die alternde frühere
schöpferisch nicht bekennen zu brauchen. Matt,
Schauspielerin Irene Herms, deren Theaterjar¬
gin von der Erinnerung an die Vergangenheit
hinfällig, romanhaft. Menschlich gehalten, künst¬
und der Sehnsucht nach einem Kinde fortge¬
lerisch haltungskos.
Herbert Ihering.
schmemmt wird. (Die Skizze liegt Schnitzler
besser als die durchgeführte Gestalt.) Ohne die
dankbaren Sätze ihrer zwei Szenen zu unter¬
Restaurierung des Dresdener
Die
drücken, spielte Lucie Höflich mit einer Feinheit,
Zwingers. Der Dresdener Zwinger, das Wunder¬
einer gedränten Kraft, einer Wärme und einem
werk des deutschen Rokokos, zeigt so bedenkliche Ver¬
Reichtum, daß hier ihre Zukunftsrollen zu liegen
fallserscheinungen, daß sich der Dresdener Rat jezt
scheinen. Die schöpferische Besinnung der Höflich
endlich entschlossen hat, die Erneurungsarbeiten mit
zeigt, wie die Bassermanns, zu einem kleinen
größerere Beschleunigung, möglichst binnen 5 Jahren,
Teile, daß die Hysterie von der Zeit zu weichen
durchzuführen. Zur Aufbringung der Mittel werden
beginnt und jede Künstlergeneration ihr Recht
drei Geldlotterien veranstaltet, die einen Ueberschuß
von je 250 000 M. bringen sollen. Die darüber hinaus
behauptet, wenn sie sich treu bleibt. Es ist nur
erforderlichen Beträge sollen von Staat und Stadt
falsch, von der einen die Kunst der andern zu ver¬
derartig ausgebracht werden, daß 65 Proz. der nicht
langen.
Im übrigen ist die Aufführung so diskret gedeckten Aufwendungen vom Staat und 35 Proz.]
oder so feierlich, daß die Schwächen des Stückes von der Stadt getragen werden.
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