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18. Der einsane Neg
T
und Albert Bassermann auch wieder der Herr von Sala.
Er blüht nach wie vor in Reichtum, in Eindruckskraft von innen und
„Der einsame weg“ von Schnitzler
von außen her. Dieses Außen übertreibt er, er bringt Konsektio¬
„Tribüne.“
nelles, Gastspielreisekünstler=Imposantes. Das hat er nicht nötig,
fort damit! Lucie Höflich ist auch hier Else Lehmanns Nach¬
Vor zwanzig Jahren sah man dieses Schauspiel zum ersten
folgerin. Sie ist jene Schauspielerin mit der Muttersehnsucht, diese
Male. Es hatte fünf Akte; nun hat mit Zustimmung Schnitzlers
echteste Schnitzergestalt. Freilust und Hausluft umspielen sie, sie gibt
Georg Altman gekürzt und zusammengezogen und hat gut damit
ein köstliches Bild. Käthe Haack kommt diesmal düster, begabt
getan. Dem Tempo von heute es zu nähern, ihm auch nur eine
wie immer, nicht ganz ohne Zwang. Neben Winterstein,
Spur von Fiebertemperatur zu geben, wäre ja unmöglich und hieße
Stahl=Nachbaur und Paul Biensfeldt stellt sich ein
es zerstören. Im Kern mußte es bleiben, was es war: große Elegie,
junger Schauspieler Werner Schott in dieses gefährlich gute
Herbstlaubstimmung, Schattenspiel von lebenden Figuren.
Zusammenspiel und tut es mit Ehren.
Es ist die Geschichte von der Frau, die den einen geliebt, die den
*
anderen sofort geheiratet und ihm das Kind jenes ersten ins Nest
Ist nun die „Tribüne“, wenn sie Schnitzler spielt, eine „Kunst¬
gelegt hat. Das ist schon lange her, wir sehen die Frau nur als
stät..“ oder ein „Geschäftstheater“? Herr Stefan Großmaul hat sich
grauhaarig Sterbende, und so edel sie dahinschwindet, das Geheim¬
in seiner Zeitschrift jüngst mit dieser Begriffsbestimmung befaßt und
nis der Unterschiebung im Herzen, so weht doch ein trüber Duft von
von den „kindlichen Gemütern“ gesprochen, die zwischen Kunst= und
damals hinter ihr her. Hier fehlt, um ihn zu verscheuchen, mancher¬
Geschäftstheatern unterscheiden. Was er da schreibt, braucht man
lei Begründung. Aber der Konflikt entsaltet sich erst an ihrem
nicht sehr ernst zu nehmen, denn vor vier Wochen hat er vielleicht
Grabe. Der erste Geliebte kehrt zurück, auch er jetzt ein müder
das Gegenteil geschrieben oder er wird es in den nächsten vier Wochen
Mann. Er möchte nun Vater sein; der Sohn aber hat in dem Gatten
tun. Jeder Mensch lebt, wie und wovon er kann. Herr Großmaul
der Mutter den Mann gefunden, den er mit besserem Rechte Vater
lebt, wenn's ’ne Pointe gibt, vom Widerspruch auch gegen sich selbst.
nennt. So wirkt Vergangenheit weiter, so führt sie, scheinbar ab¬
Aber die Sache selbst ist gar nicht spaßig. Es ist nur ganz
getan, zu Katastrophen. Sie sitzt auch dem jüngeren Geschlechte im
äußerlich wahr, daß es immer nur zweierlei Theater gegeben habe.
Blut: es ist da noch eine Tochter der Frau, mit heißem Traum¬
Geschäftstheater und subventionierte Theater. Auch die subventio¬
wesen, die gleichfalls zu einem fremden Manne geht, ihr Schicksal
nierten konnten nie ganz am Geschäft vorbeigehen, und die Ge¬
dann aber früher als die Mutter beendet, im Teich.
schäftstheater gingen nicht an ernsten Kunstverpflichtungen vorüber.
Dies alles wird im Stil Ibsens, nur nicht mit seiner letzten seeli¬
Sie machten Konzessionen, sie waren hier und da nachgiebig, doch
schen Hellhörigkeit, und im schweren Faltenwurf eines großen
ihre Grundlinie blieb rein erhalten. Otto Brahm steht als Gesamt¬
Romans vorgeführt. Die Gestalten packen uns nicht. Es ist nur die
persönlichkeit in der Theatergeschichte voll hoher Sauberkeit, vor ihm
besondere Musik Schnitzlers, der wir mit alter Liebe lauschen, diese
Adolph L'Arronge, vor diesem noch andere. Sie hatten ein Kunst¬
Musik ganz ohne Geschmetter, in einem unsichtbaren Orchester, leise,
programm, sie dienten einer Idee, sie suchten sich die rechten Helfer, sie
ganz leise. So umklingt er sehr bitteres Geschehen sogleich mit Trost,
verzichteten auf schlechte Mittel. Das ist die Hauptsache. Neben¬
und wenn er einige Menschen sterben läßt, fühlt man auch die weiche
sache, daß sie dabei ihre Existenz suchten und fanden. Ihre Bühnen
Hand, die noch dem Toten wohltun muß, wenn sie ihm die Augen
waren in jetzigem Sinne keine Geschäftstheater und gewiß kein
zudrückt. Es ist diese ganz persönliche Schnitzler=Farbe, ist auch sein
Theatergeschäft. Heute ist das Theater eine Branche geworden, mit
angeborenes Gefühl für Stilreinheit, die das Schauspiel zum Kunst¬
verheerender Wirkung. Ist es ein harmloser Zufull oder ist es
werk machen. Wie sein mischt er in das ernste Bild abgetönte Heiter¬
Kausalzusammenhang, wenn der Widerstand gegen die Männer der
keit: mit den weltmännischen Ironismen des Herrn v. Sala, mit der
Branche so groß und so allgemein geworden ist? Wenn sich in
Frische der ehemaligen Schauspielerin — und wie vertieft er diese
Berlin bereits mindestens zwölf Schauspiel= und Opern¬
Humore wieder zur Tragik!
veranstaltungen gegen den „Betrieb“ auflehnen? Die Kräfte mögen
Schnitzler wird von Eugen Robert, dem Regisseur des
oft noch nicht zulänglich sein, der Wille ist gut und notwendig.
Abends, sehr gut verstanden. Die Szene ist kümmerlich genug, aber
Wenn Herr Großmaul, Wechsel der Ueberzeugung vorbehalten,
schuld hat der Saal und nicht der Regisseur. Vor diesem in seiner
heute behauptet, es müsse alles bleiben, wie es — vorgeblich — immer
Enge fast störenden Hintergrunde wird ein exquisites Kammerspiel
gewesen, so pfeifen wir darauf. Wir werden nicht die Daumen
vollzogen. Alles gleitet zart ineinander. Hedwig Pauly ist
drehen und den Nabel beschauen. Die Kritik wird das hochnäsige 1 k
nach zwanzig Jahren noch die ätherisch dahinsiechende Frau Gabriele,
Ke00## 49.A
dinr SageuterR
2#
Tadelswort vom
akzeptieren und
aus dem Dreck ho
hineinziehen.
18. Der einsane Neg
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und Albert Bassermann auch wieder der Herr von Sala.
Er blüht nach wie vor in Reichtum, in Eindruckskraft von innen und
„Der einsame weg“ von Schnitzler
von außen her. Dieses Außen übertreibt er, er bringt Konsektio¬
„Tribüne.“
nelles, Gastspielreisekünstler=Imposantes. Das hat er nicht nötig,
fort damit! Lucie Höflich ist auch hier Else Lehmanns Nach¬
Vor zwanzig Jahren sah man dieses Schauspiel zum ersten
folgerin. Sie ist jene Schauspielerin mit der Muttersehnsucht, diese
Male. Es hatte fünf Akte; nun hat mit Zustimmung Schnitzlers
echteste Schnitzergestalt. Freilust und Hausluft umspielen sie, sie gibt
Georg Altman gekürzt und zusammengezogen und hat gut damit
ein köstliches Bild. Käthe Haack kommt diesmal düster, begabt
getan. Dem Tempo von heute es zu nähern, ihm auch nur eine
wie immer, nicht ganz ohne Zwang. Neben Winterstein,
Spur von Fiebertemperatur zu geben, wäre ja unmöglich und hieße
Stahl=Nachbaur und Paul Biensfeldt stellt sich ein
es zerstören. Im Kern mußte es bleiben, was es war: große Elegie,
junger Schauspieler Werner Schott in dieses gefährlich gute
Herbstlaubstimmung, Schattenspiel von lebenden Figuren.
Zusammenspiel und tut es mit Ehren.
Es ist die Geschichte von der Frau, die den einen geliebt, die den
*
anderen sofort geheiratet und ihm das Kind jenes ersten ins Nest
Ist nun die „Tribüne“, wenn sie Schnitzler spielt, eine „Kunst¬
gelegt hat. Das ist schon lange her, wir sehen die Frau nur als
stät..“ oder ein „Geschäftstheater“? Herr Stefan Großmaul hat sich
grauhaarig Sterbende, und so edel sie dahinschwindet, das Geheim¬
in seiner Zeitschrift jüngst mit dieser Begriffsbestimmung befaßt und
nis der Unterschiebung im Herzen, so weht doch ein trüber Duft von
von den „kindlichen Gemütern“ gesprochen, die zwischen Kunst= und
damals hinter ihr her. Hier fehlt, um ihn zu verscheuchen, mancher¬
Geschäftstheatern unterscheiden. Was er da schreibt, braucht man
lei Begründung. Aber der Konflikt entsaltet sich erst an ihrem
nicht sehr ernst zu nehmen, denn vor vier Wochen hat er vielleicht
Grabe. Der erste Geliebte kehrt zurück, auch er jetzt ein müder
das Gegenteil geschrieben oder er wird es in den nächsten vier Wochen
Mann. Er möchte nun Vater sein; der Sohn aber hat in dem Gatten
tun. Jeder Mensch lebt, wie und wovon er kann. Herr Großmaul
der Mutter den Mann gefunden, den er mit besserem Rechte Vater
lebt, wenn's ’ne Pointe gibt, vom Widerspruch auch gegen sich selbst.
nennt. So wirkt Vergangenheit weiter, so führt sie, scheinbar ab¬
Aber die Sache selbst ist gar nicht spaßig. Es ist nur ganz
getan, zu Katastrophen. Sie sitzt auch dem jüngeren Geschlechte im
äußerlich wahr, daß es immer nur zweierlei Theater gegeben habe.
Blut: es ist da noch eine Tochter der Frau, mit heißem Traum¬
Geschäftstheater und subventionierte Theater. Auch die subventio¬
wesen, die gleichfalls zu einem fremden Manne geht, ihr Schicksal
nierten konnten nie ganz am Geschäft vorbeigehen, und die Ge¬
dann aber früher als die Mutter beendet, im Teich.
schäftstheater gingen nicht an ernsten Kunstverpflichtungen vorüber.
Dies alles wird im Stil Ibsens, nur nicht mit seiner letzten seeli¬
Sie machten Konzessionen, sie waren hier und da nachgiebig, doch
schen Hellhörigkeit, und im schweren Faltenwurf eines großen
ihre Grundlinie blieb rein erhalten. Otto Brahm steht als Gesamt¬
Romans vorgeführt. Die Gestalten packen uns nicht. Es ist nur die
persönlichkeit in der Theatergeschichte voll hoher Sauberkeit, vor ihm
besondere Musik Schnitzlers, der wir mit alter Liebe lauschen, diese
Adolph L'Arronge, vor diesem noch andere. Sie hatten ein Kunst¬
Musik ganz ohne Geschmetter, in einem unsichtbaren Orchester, leise,
programm, sie dienten einer Idee, sie suchten sich die rechten Helfer, sie
ganz leise. So umklingt er sehr bitteres Geschehen sogleich mit Trost,
verzichteten auf schlechte Mittel. Das ist die Hauptsache. Neben¬
und wenn er einige Menschen sterben läßt, fühlt man auch die weiche
sache, daß sie dabei ihre Existenz suchten und fanden. Ihre Bühnen
Hand, die noch dem Toten wohltun muß, wenn sie ihm die Augen
waren in jetzigem Sinne keine Geschäftstheater und gewiß kein
zudrückt. Es ist diese ganz persönliche Schnitzler=Farbe, ist auch sein
Theatergeschäft. Heute ist das Theater eine Branche geworden, mit
angeborenes Gefühl für Stilreinheit, die das Schauspiel zum Kunst¬
verheerender Wirkung. Ist es ein harmloser Zufull oder ist es
werk machen. Wie sein mischt er in das ernste Bild abgetönte Heiter¬
Kausalzusammenhang, wenn der Widerstand gegen die Männer der
keit: mit den weltmännischen Ironismen des Herrn v. Sala, mit der
Branche so groß und so allgemein geworden ist? Wenn sich in
Frische der ehemaligen Schauspielerin — und wie vertieft er diese
Berlin bereits mindestens zwölf Schauspiel= und Opern¬
Humore wieder zur Tragik!
veranstaltungen gegen den „Betrieb“ auflehnen? Die Kräfte mögen
Schnitzler wird von Eugen Robert, dem Regisseur des
oft noch nicht zulänglich sein, der Wille ist gut und notwendig.
Abends, sehr gut verstanden. Die Szene ist kümmerlich genug, aber
Wenn Herr Großmaul, Wechsel der Ueberzeugung vorbehalten,
schuld hat der Saal und nicht der Regisseur. Vor diesem in seiner
heute behauptet, es müsse alles bleiben, wie es — vorgeblich — immer
Enge fast störenden Hintergrunde wird ein exquisites Kammerspiel
gewesen, so pfeifen wir darauf. Wir werden nicht die Daumen
vollzogen. Alles gleitet zart ineinander. Hedwig Pauly ist
drehen und den Nabel beschauen. Die Kritik wird das hochnäsige 1 k
nach zwanzig Jahren noch die ätherisch dahinsiechende Frau Gabriele,
Ke00## 49.A
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Tadelswort vom
akzeptieren und
aus dem Dreck ho
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