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18. Der einsane Neg
Königsberger Hartungsche Zeitung
4 9. Apr. 1926
—
KEerhu
escsharine Seecrnen
eine Versicherung — nicht gegen das Sterben, wohl aber gegen die
Irene Herms, die
Neues Schauspielhaus.
Trostlosigkeit des Alterns: die Liebe der anderen. Sie ist das ein¬
nun in unerfüllter
zige, was den Uebergang ins ältere Fach oder den Einzug ins Nir¬
verzehrt. Da ist
Arthur Schnitzler: „Der einsame Weg“.
wana erleichtern kann. Aber sie ist ganz gewiß nicht von einem Tag
hätte zu einer den
Der einsame Weg — was ist das? Es ist der letzte, abschüssige,
zum andern zu haben, sondern sie will durch ein langes Leben erwor¬
die letzten Monate
trauerverhangene Teil der Lebensbahn, wie er den meisten von uns
ben, erkämpft, erobert sein. Und wie weit ist oavon diese verspielte,
Liebe umkränzen;
beschieden ist. Zwangsläufig, unentrinnbar? „Nein,“ scheint uns
verwöhnte Lebemannswelt entfernt, die Schnitzler so gut kennt und
bedingungslos zu
der Dichter zu trösten, „nur dann ist Euch dieser Dornenweg sicher,
so treffend darzustellen weiß! Diese Leute machen aus dem Leben ein
die Menschen, die
wenn Ihr es nicht verstanden habt, Liebe zu säen und Liebe zu
Spiel, aus der Neigung zu andern eine Unterhaltung, aus der Liebe
Alten, so sind die
ernten.“
eine Liebelei (lieben heißt ihnen nur: sich lieben lassen). So bleiben
Egoismus, deren ##
Vielleicht könnte „Der einsame Weg“ auch — „Die Kinder“
sie arm bis zuletzt, weil sie nicht gelernt haben, sich zu verschwenden
der geblendet ist un
heißen. Jedenfalls wirkt dieser Schnitzler, als wäre er die Quelle
und zu verschenken, bleiben verlassen, weil ihnen der Einsatz zu teuer
Charakter zu sein,
für die also benannte Komödie Hermann Bahrs, die wir kürzlich an
war, mit dem man Herzen gewinnen kann.
auf dem allerhand
der gleichen Stelle kennen lernten. Ein Hauptmotiv ist in beiden
Dauerglück gedeiht.
Urbild dieser Kaste ist der berufslose Aesthet und Gelegenheits¬
Stücken dasselbe: ein Sohn erfährt nach dem Tode seiner Mutter,
Aus dieser bet
dichter Stephan von Sala, eine der lebensvollsten und eigenartigsten.
daß nicht sein „Vater“ ihn gezeugt habe, sondern ein anderer, und
blick in die Zukunf
Gestalten, die Schnitzler geschaffen hat, ein hochmütiger Betrachter
sieht sich, da beide Väter noch leben, somit plötzlich vor eine ganz neue
jetzt wieder ein
der Dinge, der wie kein anderer auch seine Umwelt zu charakteri¬
Wahl gestellt. Bahr hat ins Lustige gewendet, was bei Schnitzler in
sieren weiß: „Lioben heißt, für jemand anderen auf der Geist und mehr
ernster Schwermut einherschreitet. Aber Bahrs Drama ist von 1910,
Weltsein. Was hat aber das, was unsereins in die Welt bringt, schlecht die Feuerpr#
das Schnitzlersche von 1903 — eine Feststellung, die in diesem Fall
mit Liebe zu tun? Es mag allerlei Lustiges, Verlogenes, Zärtliches, ob es ethisch empor
nicht ganz gleichgültig ist.
Gemeines, Leidenschaftliches sein, das sich als Liebe ausgibt, — aber
Sonderbar, de
Schnitzler ist ohne Zweifel der tiefere, reichere, gehaltvollere —
Liebe ist es doch nicht Haben wir jemals ein Opfer gebracht, von Moxalist. Wenn
wenn naturgemäß auch nicht der amüsantere. Neben dem mehrfach
dem nicht unsere Sinnlichkeit oder unsere Eitelkeit ihren Vorteil Evangelium der Li
abgewandelten Kindesproblem beschäftigt ihn die Verantwortungs¬
gehabt hätte?“ Und da ist weiter Salas Artverwandter — sie sind eine Mahnung an
losigkeit, die Oberflächlichkeit menschlicher Beziehungen und die Ge¬
„Freunde“, weil sie sich so hübsch das Stichwort reichen —, der Zug sführt, umzukehren
fahr selbstsüchtigen Alterns.
um Zug den Beleg zu diesem Steckbrief liefert. Julian Fichtner ist lich trägt Schnitzle
ein genial begabter Maler, der gleichwohl sein Leben genießerisch vor. Im Gegenteil
Der Dichter macht uns mit der Familie des Akademiedirektors
vertan hat und nun vor seinem seelischen Bankerott steht. Eine Frau, steht. Nur gibt er
Wegrat und mit ihrem Freundeskreis bekannt. Da ist eine Anzahl
die Braut Wegrats, schenkte sich ihm dereinst in voller Hingabe; er
Menschen — vier, sechs, acht, die sich Verwandte, Freunde nennen
weil sie durch die
verließ sie bei Nacht und Nebel aus Ueberangst, daß seine Künstler¬
und die doch voneinander nichts wissen und aneinander vorbeileben.
werden; sondern er
laufbahn verengt und beschränkt werden könnte. Und doch ist aus ihm
Selbst die Familie ist weit mehr Wohn= als Seelengemeinschaft. Ein
recht leiden als Um
nichts geworden als ein unbefriedigter liebe= und haltbedürftiger
Mitglied kennt vom anderen nicht einmal die Voraussetzungen, auf
Himmelsstürmer, n
Weltbummler ohne Leistung und Ruh. Auf seine alten Tage will er
die sich sein ganzes Leben aufbaut, geschweige denn sein Wesen und
der gute Hahnrei, d
sich, husch husch, ein Vaterglück zulegen und den Sohn, den Wegrat
seine Herzensnot. Vollends sind die Freunde nur Gäste im Leben,
ins Nest legte, und
Zeit seines Lebens als sein eigen Kind betreut hat, für sich gewin¬
die, wenn abgespeist ist, sich vom Tisch erheben und ihren eigenen Ge¬
rechtigkeit des Bet
nen. Aber nun muß er erfahren, daß man sehr wenig für einen
schäften nachgehen. So ist im Grunde jeder ein Einsiedler — um
liebte, — nicht des
Menschen getan hat, wenn man ihn nur in die Welt gesetzt hat, und
so mehr, je höher er in die Jahre kommt. Eines Tages, wenn der
geführt und nun de
sich von dem jungen Mann ins Gesicht sagen lassen: Sie sind vir
Rausch und die Illusionen der Jugend verflogen sind, erfolgt ein
liebenden Vater zu
fremder geworden, seit ich von Ihrer Vaterschaft weiß.
peinliches Erwachen: man blickt um sich und sieht sich isoliert. „Und
Nein, Theaterd
wenn uns ein Zug von Bacchanten begleitet, — den Weg hinab
So sind sie alle betrogene Betrüger, sie, die nur der Gegenwart
Stück die weiche 9#
gehen wir allein ... wir, die selbst niemandem gehört haben.“
leben und denen die Form des Lebens wichtiger ist als sein Inhalt.
Stille eines späten
Ja, da liegt's. „Die selbst niemandem gehört haben.“ Es gibt! Da ist noch eine verklungene Geliebte Fichtners, die Schauspielerin Schneeböen niederg#
18. Der einsane Neg
Königsberger Hartungsche Zeitung
4 9. Apr. 1926
—
KEerhu
escsharine Seecrnen
eine Versicherung — nicht gegen das Sterben, wohl aber gegen die
Irene Herms, die
Neues Schauspielhaus.
Trostlosigkeit des Alterns: die Liebe der anderen. Sie ist das ein¬
nun in unerfüllter
zige, was den Uebergang ins ältere Fach oder den Einzug ins Nir¬
verzehrt. Da ist
Arthur Schnitzler: „Der einsame Weg“.
wana erleichtern kann. Aber sie ist ganz gewiß nicht von einem Tag
hätte zu einer den
Der einsame Weg — was ist das? Es ist der letzte, abschüssige,
zum andern zu haben, sondern sie will durch ein langes Leben erwor¬
die letzten Monate
trauerverhangene Teil der Lebensbahn, wie er den meisten von uns
ben, erkämpft, erobert sein. Und wie weit ist oavon diese verspielte,
Liebe umkränzen;
beschieden ist. Zwangsläufig, unentrinnbar? „Nein,“ scheint uns
verwöhnte Lebemannswelt entfernt, die Schnitzler so gut kennt und
bedingungslos zu
der Dichter zu trösten, „nur dann ist Euch dieser Dornenweg sicher,
so treffend darzustellen weiß! Diese Leute machen aus dem Leben ein
die Menschen, die
wenn Ihr es nicht verstanden habt, Liebe zu säen und Liebe zu
Spiel, aus der Neigung zu andern eine Unterhaltung, aus der Liebe
Alten, so sind die
ernten.“
eine Liebelei (lieben heißt ihnen nur: sich lieben lassen). So bleiben
Egoismus, deren ##
Vielleicht könnte „Der einsame Weg“ auch — „Die Kinder“
sie arm bis zuletzt, weil sie nicht gelernt haben, sich zu verschwenden
der geblendet ist un
heißen. Jedenfalls wirkt dieser Schnitzler, als wäre er die Quelle
und zu verschenken, bleiben verlassen, weil ihnen der Einsatz zu teuer
Charakter zu sein,
für die also benannte Komödie Hermann Bahrs, die wir kürzlich an
war, mit dem man Herzen gewinnen kann.
auf dem allerhand
der gleichen Stelle kennen lernten. Ein Hauptmotiv ist in beiden
Dauerglück gedeiht.
Urbild dieser Kaste ist der berufslose Aesthet und Gelegenheits¬
Stücken dasselbe: ein Sohn erfährt nach dem Tode seiner Mutter,
Aus dieser bet
dichter Stephan von Sala, eine der lebensvollsten und eigenartigsten.
daß nicht sein „Vater“ ihn gezeugt habe, sondern ein anderer, und
blick in die Zukunf
Gestalten, die Schnitzler geschaffen hat, ein hochmütiger Betrachter
sieht sich, da beide Väter noch leben, somit plötzlich vor eine ganz neue
jetzt wieder ein
der Dinge, der wie kein anderer auch seine Umwelt zu charakteri¬
Wahl gestellt. Bahr hat ins Lustige gewendet, was bei Schnitzler in
sieren weiß: „Lioben heißt, für jemand anderen auf der Geist und mehr
ernster Schwermut einherschreitet. Aber Bahrs Drama ist von 1910,
Weltsein. Was hat aber das, was unsereins in die Welt bringt, schlecht die Feuerpr#
das Schnitzlersche von 1903 — eine Feststellung, die in diesem Fall
mit Liebe zu tun? Es mag allerlei Lustiges, Verlogenes, Zärtliches, ob es ethisch empor
nicht ganz gleichgültig ist.
Gemeines, Leidenschaftliches sein, das sich als Liebe ausgibt, — aber
Sonderbar, de
Schnitzler ist ohne Zweifel der tiefere, reichere, gehaltvollere —
Liebe ist es doch nicht Haben wir jemals ein Opfer gebracht, von Moxalist. Wenn
wenn naturgemäß auch nicht der amüsantere. Neben dem mehrfach
dem nicht unsere Sinnlichkeit oder unsere Eitelkeit ihren Vorteil Evangelium der Li
abgewandelten Kindesproblem beschäftigt ihn die Verantwortungs¬
gehabt hätte?“ Und da ist weiter Salas Artverwandter — sie sind eine Mahnung an
losigkeit, die Oberflächlichkeit menschlicher Beziehungen und die Ge¬
„Freunde“, weil sie sich so hübsch das Stichwort reichen —, der Zug sführt, umzukehren
fahr selbstsüchtigen Alterns.
um Zug den Beleg zu diesem Steckbrief liefert. Julian Fichtner ist lich trägt Schnitzle
ein genial begabter Maler, der gleichwohl sein Leben genießerisch vor. Im Gegenteil
Der Dichter macht uns mit der Familie des Akademiedirektors
vertan hat und nun vor seinem seelischen Bankerott steht. Eine Frau, steht. Nur gibt er
Wegrat und mit ihrem Freundeskreis bekannt. Da ist eine Anzahl
die Braut Wegrats, schenkte sich ihm dereinst in voller Hingabe; er
Menschen — vier, sechs, acht, die sich Verwandte, Freunde nennen
weil sie durch die
verließ sie bei Nacht und Nebel aus Ueberangst, daß seine Künstler¬
und die doch voneinander nichts wissen und aneinander vorbeileben.
werden; sondern er
laufbahn verengt und beschränkt werden könnte. Und doch ist aus ihm
Selbst die Familie ist weit mehr Wohn= als Seelengemeinschaft. Ein
recht leiden als Um
nichts geworden als ein unbefriedigter liebe= und haltbedürftiger
Mitglied kennt vom anderen nicht einmal die Voraussetzungen, auf
Himmelsstürmer, n
Weltbummler ohne Leistung und Ruh. Auf seine alten Tage will er
die sich sein ganzes Leben aufbaut, geschweige denn sein Wesen und
der gute Hahnrei, d
sich, husch husch, ein Vaterglück zulegen und den Sohn, den Wegrat
seine Herzensnot. Vollends sind die Freunde nur Gäste im Leben,
ins Nest legte, und
Zeit seines Lebens als sein eigen Kind betreut hat, für sich gewin¬
die, wenn abgespeist ist, sich vom Tisch erheben und ihren eigenen Ge¬
rechtigkeit des Bet
nen. Aber nun muß er erfahren, daß man sehr wenig für einen
schäften nachgehen. So ist im Grunde jeder ein Einsiedler — um
liebte, — nicht des
Menschen getan hat, wenn man ihn nur in die Welt gesetzt hat, und
so mehr, je höher er in die Jahre kommt. Eines Tages, wenn der
geführt und nun de
sich von dem jungen Mann ins Gesicht sagen lassen: Sie sind vir
Rausch und die Illusionen der Jugend verflogen sind, erfolgt ein
liebenden Vater zu
fremder geworden, seit ich von Ihrer Vaterschaft weiß.
peinliches Erwachen: man blickt um sich und sieht sich isoliert. „Und
Nein, Theaterd
wenn uns ein Zug von Bacchanten begleitet, — den Weg hinab
So sind sie alle betrogene Betrüger, sie, die nur der Gegenwart
Stück die weiche 9#
gehen wir allein ... wir, die selbst niemandem gehört haben.“
leben und denen die Form des Lebens wichtiger ist als sein Inhalt.
Stille eines späten
Ja, da liegt's. „Die selbst niemandem gehört haben.“ Es gibt! Da ist noch eine verklungene Geliebte Fichtners, die Schauspielerin Schneeböen niederg#