17.4. Marionetten Zuklus box 22/11
Ausschnitt aus
Hamburger Fremdenblatt
15 2. 1912
ographie.
Wien, I., Conoordiaplats 4.
Vertretungen
Arthur Schnitzlers„Marionetten“.
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Malland, Minnespells,
Wien, 11. Februar.
How-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Potese¬
Vor zwanzig Jahren — oder ist es gar
burg, Toronto.
noch länger her? — hat Schnitzler seine Anatol=
(Osollenangabe oune Gowühr.
Szenen geschrieben. An die Bühne mag er da¬
Ansschnitt aus: Interessantes Blatt, Wien
bei kaum gedacht haben. Niemand hat daran
gedacht. Nachdem aber Schnitzler, zunächst durch
„Liebelei“ ein gekannter Dramatiker geworden,
gom:1015
holten findige Theaterdirektoren den „Anatol“ her¬
vor, stellten nach Bedürfnis und Geschmack einige
Deutsches Volkstheater. Drei in Wien
Szenen für ihr Publikum zusammen, und so
hat jetzt fast jedes Theater seinen Anatol=Abend.
nicht mehr unbekannte Einakter von Arthur Schnitzler
Ein ähnlicher Vorgang scheint jetzt bei den
verschafften, unter dem Titel „Marionetten“ zusammen¬
Puppenspielen Schnitzlers im Beginne. Das
gefaßi, dem Publikum einen gedankenvollen Abend.
Deutsche Volks=Theater hat den
Eine spielerische Lebensbetrachtung, die Schnitzler seit
Anfang gemacht und hat drei dieser Spiele
jeher zu eigen gewesen, hat ihn zum Meister einer
unter dem Gesamtlitel „Marionetten“ in einem
Einakter=Abend vereinigt. An erster Stelle stand
Art auf den Kopf gestellter Dramatik gemacht, die im
die Studie „Der Puppenspieler“ ein
Leben überall das Theater aufdeckt. Es gelingt ihm die
Problemstück erlesenster Art, einen Menschen
dichterische Erschaffung von Menschen, die sich selbst
demonstrierend, der die anderen wie seine Pup¬
darstellende Schauspieler, vom Schicksal an Fäden ge¬
pen dirigieren will und eigentlich doch selbst
am Faden des Schicksals grausam gezerrt wird.
lenkte Marionetten sind, und er läßt sie in Handlungen
Leopold Kramer gab diese Rolle mit guter
auftreten, die sich vom Traum nur dadurch unter¬
Beherrschung des Geistes, der in ihr wohnt.
scheiden, daß die Selbsterkenntnis durchs Erwachen fehlt. Am
Dann kam das Puppenspiel „Der tapfere
dentlichsten läßt Schnitzler den Grundgedanken im Einakter
Cassian“. Da sind die Drähte, an denen
die Figuren zappeln, deutlich sichtbar. Gestern
„Der tapfere Cassian“ hervortreten, wo er ihn parodiert
waren sie es nur zu deutlich. Der Sinn des
und die Schauspieler mit Puppenbewegungen agieren
Spiels ging fast verloren, weil die Form sich
heißt. Er kehrt ihn im „Puppenspieler“ um, indem er
zu sehr vordrängte. Dasselbe ist auch von dem
einen Menschen zeigt, der, als hätte er Schnitzler beim
dritten Stücke zu sagen, von der Burleske
Schreiben zugesehen, selber die andern als seine Mario¬
„Zum großen Würstel“, deren köstliche
Persiflage auf alles, was im heutigen Theater
netten tanzen machen möchte, am Ende aver sich als
die treibenden Kräfte sind, nicht allzu sachlich
Gefoppten des Glücks ertennen muß. Im Einakter
genommen werden darf, um die rechte Wirkung
„Zum großen Wurstel“ kehrt dann die Grundidee, durch
zu tun. Im vorigen Jahre hat Schnitzler diese
Jongleurkünste des Antors bis zur Verzerrung kompli¬
Burleske an einem Vortragsabend der Grill¬
parzergesellschaft vorgelesen und der Effekt war
ziert, wieder. Wenn das Leben ein Stück Theater ist,
größer als gestern bei der Vorführung auf der
was ist dann das Theater, das ja auch selbst wieder
Bühne. Das ist wohl noch gutzumachen, denn
ein Stück Leben ist? So ungefähr muß die Frage
es wäre schade, wenn diese bunte Satire, in
lauten, auf die diese Groteske eine nicht allzudentliche
der so viel Witz und so viel Sarkasmus, so viel
Spaß und so viel Ernst ist, für die Bühne ver¬
Antwort gibt. — Dramatische Kunst dieser Art kann
loren wäre. Daß das Publikum sich auch gestern
auf verschiedene Weise zur Darstellung gebracht werden.
gut unterhalten hat, das bezeugten die vielen
Im Volkstheater hat man, vielleicht zum Vorteil des
Hervorrufe, denen der Dichter, folgen mußte.
Dichters, die leichtere erwählt und so ziemlich vergessen
In der Darstellung tat jeder Einzelne das
machen, daß der Dichter uns über symbolisch ausgehöhltem
Seine, nur alle zusammen waren sie nicht auf
den Ton gestimmt, auf den halb realistischen,
Boden zu Menschen, die Sinnbilder ihrer selbst sind,
halb phantastischen Ton, der dem Werke ziemt.
führen wollte. Das Publikum fand an den Einaktern
Am besten trafen ihn noch die Damen Gala¬
großen Gefallen und belohnte die Darsteller, besonders
Es und Waldau und von den Herren
die Glöckner und die Herren Kramer, Homma und
Theodor W#e
ß als düsterer Lanzlist, dieser
aber ganz besonders.
Askongs mit reichem Beifall. Schnitzler wurde häufig
Winternitz.
hervorgerufen.
Sanen
Ausschnitt aus
Hamburger Fremdenblatt
15 2. 1912
ographie.
Wien, I., Conoordiaplats 4.
Vertretungen
Arthur Schnitzlers„Marionetten“.
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Malland, Minnespells,
Wien, 11. Februar.
How-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Potese¬
Vor zwanzig Jahren — oder ist es gar
burg, Toronto.
noch länger her? — hat Schnitzler seine Anatol=
(Osollenangabe oune Gowühr.
Szenen geschrieben. An die Bühne mag er da¬
Ansschnitt aus: Interessantes Blatt, Wien
bei kaum gedacht haben. Niemand hat daran
gedacht. Nachdem aber Schnitzler, zunächst durch
„Liebelei“ ein gekannter Dramatiker geworden,
gom:1015
holten findige Theaterdirektoren den „Anatol“ her¬
vor, stellten nach Bedürfnis und Geschmack einige
Deutsches Volkstheater. Drei in Wien
Szenen für ihr Publikum zusammen, und so
hat jetzt fast jedes Theater seinen Anatol=Abend.
nicht mehr unbekannte Einakter von Arthur Schnitzler
Ein ähnlicher Vorgang scheint jetzt bei den
verschafften, unter dem Titel „Marionetten“ zusammen¬
Puppenspielen Schnitzlers im Beginne. Das
gefaßi, dem Publikum einen gedankenvollen Abend.
Deutsche Volks=Theater hat den
Eine spielerische Lebensbetrachtung, die Schnitzler seit
Anfang gemacht und hat drei dieser Spiele
jeher zu eigen gewesen, hat ihn zum Meister einer
unter dem Gesamtlitel „Marionetten“ in einem
Einakter=Abend vereinigt. An erster Stelle stand
Art auf den Kopf gestellter Dramatik gemacht, die im
die Studie „Der Puppenspieler“ ein
Leben überall das Theater aufdeckt. Es gelingt ihm die
Problemstück erlesenster Art, einen Menschen
dichterische Erschaffung von Menschen, die sich selbst
demonstrierend, der die anderen wie seine Pup¬
darstellende Schauspieler, vom Schicksal an Fäden ge¬
pen dirigieren will und eigentlich doch selbst
am Faden des Schicksals grausam gezerrt wird.
lenkte Marionetten sind, und er läßt sie in Handlungen
Leopold Kramer gab diese Rolle mit guter
auftreten, die sich vom Traum nur dadurch unter¬
Beherrschung des Geistes, der in ihr wohnt.
scheiden, daß die Selbsterkenntnis durchs Erwachen fehlt. Am
Dann kam das Puppenspiel „Der tapfere
dentlichsten läßt Schnitzler den Grundgedanken im Einakter
Cassian“. Da sind die Drähte, an denen
die Figuren zappeln, deutlich sichtbar. Gestern
„Der tapfere Cassian“ hervortreten, wo er ihn parodiert
waren sie es nur zu deutlich. Der Sinn des
und die Schauspieler mit Puppenbewegungen agieren
Spiels ging fast verloren, weil die Form sich
heißt. Er kehrt ihn im „Puppenspieler“ um, indem er
zu sehr vordrängte. Dasselbe ist auch von dem
einen Menschen zeigt, der, als hätte er Schnitzler beim
dritten Stücke zu sagen, von der Burleske
Schreiben zugesehen, selber die andern als seine Mario¬
„Zum großen Würstel“, deren köstliche
Persiflage auf alles, was im heutigen Theater
netten tanzen machen möchte, am Ende aver sich als
die treibenden Kräfte sind, nicht allzu sachlich
Gefoppten des Glücks ertennen muß. Im Einakter
genommen werden darf, um die rechte Wirkung
„Zum großen Wurstel“ kehrt dann die Grundidee, durch
zu tun. Im vorigen Jahre hat Schnitzler diese
Jongleurkünste des Antors bis zur Verzerrung kompli¬
Burleske an einem Vortragsabend der Grill¬
parzergesellschaft vorgelesen und der Effekt war
ziert, wieder. Wenn das Leben ein Stück Theater ist,
größer als gestern bei der Vorführung auf der
was ist dann das Theater, das ja auch selbst wieder
Bühne. Das ist wohl noch gutzumachen, denn
ein Stück Leben ist? So ungefähr muß die Frage
es wäre schade, wenn diese bunte Satire, in
lauten, auf die diese Groteske eine nicht allzudentliche
der so viel Witz und so viel Sarkasmus, so viel
Spaß und so viel Ernst ist, für die Bühne ver¬
Antwort gibt. — Dramatische Kunst dieser Art kann
loren wäre. Daß das Publikum sich auch gestern
auf verschiedene Weise zur Darstellung gebracht werden.
gut unterhalten hat, das bezeugten die vielen
Im Volkstheater hat man, vielleicht zum Vorteil des
Hervorrufe, denen der Dichter, folgen mußte.
Dichters, die leichtere erwählt und so ziemlich vergessen
In der Darstellung tat jeder Einzelne das
machen, daß der Dichter uns über symbolisch ausgehöhltem
Seine, nur alle zusammen waren sie nicht auf
den Ton gestimmt, auf den halb realistischen,
Boden zu Menschen, die Sinnbilder ihrer selbst sind,
halb phantastischen Ton, der dem Werke ziemt.
führen wollte. Das Publikum fand an den Einaktern
Am besten trafen ihn noch die Damen Gala¬
großen Gefallen und belohnte die Darsteller, besonders
Es und Waldau und von den Herren
die Glöckner und die Herren Kramer, Homma und
Theodor W#e
ß als düsterer Lanzlist, dieser
aber ganz besonders.
Askongs mit reichem Beifall. Schnitzler wurde häufig
Winternitz.
hervorgerufen.
Sanen