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17.4. Marionetten— Zuklus
Extrablatt
Träisl:
Wien,
vom:
une Mealergeoetnieh.
2ez.
7“ Der Skandalmacher im Parkett.
In Aetur Schnitzlers Groteske „Zum großen
Wurstel", die jetzt im Deutschen Volkstheater
gespielt wird, kommt bekanntlich Theater im Theater
vor. Ein altbewährtes Mittel, um treffsichere Wirkungen
auszulösen, um richtiggehende Spannung hervorzurufen
nd nach Bedarf festzuhalten. Nach der szenischen An¬
ordnung Schnitzlers hat „ein Herr“ — die Episode
erfordert einen verläßlichen Darsteller, der im Volks¬
theäter bei Max Höller vortrefflich aufgehoben ist —
im Zuschauerraume einen Parkettsitz zu okkupieren und
den Vorgängen auf der Bühne zuerst in aller Ruhe, dann
mit nervöser Aufgeregtheit zu folgen. Der „Herr“ muß gut
gekleidet sein; aus dem Zustande intensiver Anteilnahme
langsam herauskommen, Opposition markieren und
schließlich hochgradige Aufregung vortäuschen, die ihm
die Worte auf die Lippen drängt: „So ein Unsinn!
Schwindel!“ Bei der letzten Reprise des geistreichen
Einakters saß wieder Herr Höller im Parkett und
spielte seine Rolle. Zwei Nachbarn, die keine Ahnung
besaßen, daß hinter dem spektakulösen Benehmen
Gaukelei stecke, daß sie es mit einem Schauspieler zu
tun hatten, der dem höheren Willen des Dichters
gehorcht, nahmen Anstoß an dem Gehaben Höllers
und remonstrierten dagegen. Im Anfang leise ab¬
wehrend — später energisch zur Ordnung mahnend:
„Werden Sie endlich still sein!“ kommandierte
ein brillenbewaffneter Mann. „So eine Rücksichts¬
Teliphon III.
mun N. 24
losigkeit“, sekundierte der Danebensitzer, der sehr artig
BT
mit der Polizei drohte. Max Höller beachtete die Be¬
schwichtigungsversuche nicht und ging zum offenen
Ausschmitt aus
Randal über. Alles im Sinne seiner Rolle, die ihn
Generalanzeiger für Nürnber:
sogar zwang, über die Brüstung der Bühne zu
springen. Im ersten Momente glaubten die Nachbarn,
es mit einem Professionsskandalmacher oder mit
einem Narren zu tun zu haben und griffen mit den
#
Händen nach den flatternden Frackschößen des sich
uaturecht gebärdenden Mimen . .. bald wußten sie,
16. Z. 1912
daß der Schein die Wirklichkeit erreichte und sie ließen
ab, den Widerspäustigen zu zähmen. Im Publikuny
achten die Wissenden herzlich zu dem Rummel.
Msa
folg nicht hindern, denn die Anmut der Schnitzler¬
schen Poesic half über alle Fährlichkeiten hinweg.
Wiener Theater.
Die „Residenzbühnc", die soeben der
Von unserem Korrespondenten.
hundertsten Aufführung von „Meyers“ entgegengeht,
Ein „Schnitzler“=Abend im „Deutschen Volkstheater“.
kommt nachmittags manchmal literarisch. So brachte
Eine „Grabbe“=Vorstellung auf der „Residenz¬
sie kürzlich Grabbe's „Scherz. Satyre,
— Bühne". Lustspieltheater: „Ehrsam und Genossen“,
Ironie und ticfere Bedeutung" eine
Komödie in drei Akten von Otto Hinnerk.
Komödie, deren amüsante Laune man eigentlich aus
Unter dem Sammelnamen „Marionctien“
dem Buche und nicht von der Bühne herab erfährt,
vereinigten drei Einakter von Arthur Schnitzter:
die witzigen und satyrischen Einfälle, der
„Der Puppenspieler
köstliche Humor und die saftige Polemik auf der
Cassian" und „Zum großen Wurste!“
Bühne vie von ihrer Wirkung verlieren. Immerk
vor einigen Tagen die große Schnitzler=Gemeinde
hin, unter der vorzüglichen Regie Ludwig Wolffs
im „Deutschen Volksthoater". Jedes dieser drei
kam es zu einer recht guten Aufführung, wozu die
Stücke hat man schon früher bei irgendeiner Matinee
Darstellung der Damen v. Nagy und Richter¬
einzeln gesehen, aber zusammen bildeten sie einen
[Rißka und der Herren Forster und Ettinger nicht
Prennerenabend, der leider nicht den Erfolg hatte,
wenig beitrug.
den sie verdient hätten. Wohl konnte der Dichter
Im „Lustspieltheater“ fand eine Diebs¬
aflmals vor der Rampe erscheiten, aber der Erfolg
komödie „Ehrsam und Genossen“ von Otto
hätte viel größer sein müssen, wenn die Regie nicht
Hinnerk eine recht freundliche Aufnahme, mehr
so gewalttätig in diese geistvolle Spielerei ein¬
durch das flotte und temperamentvolle Spiel, als
gegriffen hätte. „Der Puppenspieler“ ist eine Soe¬
durch den Inhalt der Komödie herbeigeführt. Die
lanstudie, echt Schnitzler'scher Provenienz. Diese
Handlung ist wenig originell, unwirklich. Im
Gestalt des Puppenspielers löst Schauder aus, ohne
Mittelpunkt steht Meister Ehrsam, dem von seinen
unheimlich zu wirken, sie wirkt erschütternd, sie ist
Mitbürgern dieser Ehrentitel beigelegt wurde. In
voll tiefer, seelischer Gewalt, aber — sie ist kein!
Wahrheit rerdient er ihn nicht, denn er ist im
Prahlhans und noch dazu ein so dämonischer, wie
Herzen ein Dieb, ein Meisterdieb, der aber nur die
ihn Herr Kramer leider gespielt hat. Immerhin,
Reichen bestiehlt. Sein Komplice ist der Polizeichef.
9600
das Publikum folgte mit größter Spannung den
Den beiden geht's natürlich glänzend. Da faut es
Intentionen des — Dichters.
auf, daß bei den vielen Einbrüchen und Diebstählen
Im „Tapferen Cassian“ einem hübschen, geist¬
im Städtchen gerade Meister Ehrsams Haus ver¬
vollen Einfall, störte die allzustarke Roalistik der
schont bleibt. Um dieses aufsteigende Mißtrauen zu
Regie, die die Grenzen zwischen Puppen und
bannen, bestimmt er ein eben angeworbenes junges
Menschen allzu deutlich verwischte. Wie der Ritter
Mitglied seiner Bande, bei ihm des Nachts einzü¬
Martin in Liebe erglüht zur großen, unbekannten
brechen. Der Polizeichef wird verständigt, damit &
Tänzeren, die er erst aufsuchen will, wie der Maul¬
den Einbrecher festnimmt. Aber es kommt anders.
heid Cassian ihm alles wegnimmt, Geld, Geliebte,
Der junge Einbrecher stiehlt sich ins Kämmerlein
sogar das Leben, und wie Ritter Martin endlich
der Schwiegertochter des Meisterdiebes, einer jungen
lieber stirbt, statt die Flöte zu spielen — das ist
Witwe, und als er erwischt werden soll, da weist er
alles witzig und geistvoll im Buche. Aber auf der
sich aus, daß er nur Küsse gestohlen und die ganze
Bühne versagten die „Puppen“, weil sie zu viel
Geschichte nimmt natürlich das übliche Ende. Von
„Hampelmann“ und zu wenig „Darsteller“ waren.
##n Mahem kanmte die umglückselige Regie den Er= den Darstellern ragte Herr Kröck als „Ehrsam“ in
17.4. Marionetten— Zuklus
Extrablatt
Träisl:
Wien,
vom:
une Mealergeoetnieh.
2ez.
7“ Der Skandalmacher im Parkett.
In Aetur Schnitzlers Groteske „Zum großen
Wurstel", die jetzt im Deutschen Volkstheater
gespielt wird, kommt bekanntlich Theater im Theater
vor. Ein altbewährtes Mittel, um treffsichere Wirkungen
auszulösen, um richtiggehende Spannung hervorzurufen
nd nach Bedarf festzuhalten. Nach der szenischen An¬
ordnung Schnitzlers hat „ein Herr“ — die Episode
erfordert einen verläßlichen Darsteller, der im Volks¬
theäter bei Max Höller vortrefflich aufgehoben ist —
im Zuschauerraume einen Parkettsitz zu okkupieren und
den Vorgängen auf der Bühne zuerst in aller Ruhe, dann
mit nervöser Aufgeregtheit zu folgen. Der „Herr“ muß gut
gekleidet sein; aus dem Zustande intensiver Anteilnahme
langsam herauskommen, Opposition markieren und
schließlich hochgradige Aufregung vortäuschen, die ihm
die Worte auf die Lippen drängt: „So ein Unsinn!
Schwindel!“ Bei der letzten Reprise des geistreichen
Einakters saß wieder Herr Höller im Parkett und
spielte seine Rolle. Zwei Nachbarn, die keine Ahnung
besaßen, daß hinter dem spektakulösen Benehmen
Gaukelei stecke, daß sie es mit einem Schauspieler zu
tun hatten, der dem höheren Willen des Dichters
gehorcht, nahmen Anstoß an dem Gehaben Höllers
und remonstrierten dagegen. Im Anfang leise ab¬
wehrend — später energisch zur Ordnung mahnend:
„Werden Sie endlich still sein!“ kommandierte
ein brillenbewaffneter Mann. „So eine Rücksichts¬
Teliphon III.
mun N. 24
losigkeit“, sekundierte der Danebensitzer, der sehr artig
BT
mit der Polizei drohte. Max Höller beachtete die Be¬
schwichtigungsversuche nicht und ging zum offenen
Ausschmitt aus
Randal über. Alles im Sinne seiner Rolle, die ihn
Generalanzeiger für Nürnber:
sogar zwang, über die Brüstung der Bühne zu
springen. Im ersten Momente glaubten die Nachbarn,
es mit einem Professionsskandalmacher oder mit
einem Narren zu tun zu haben und griffen mit den
#
Händen nach den flatternden Frackschößen des sich
uaturecht gebärdenden Mimen . .. bald wußten sie,
16. Z. 1912
daß der Schein die Wirklichkeit erreichte und sie ließen
ab, den Widerspäustigen zu zähmen. Im Publikuny
achten die Wissenden herzlich zu dem Rummel.
Msa
folg nicht hindern, denn die Anmut der Schnitzler¬
schen Poesic half über alle Fährlichkeiten hinweg.
Wiener Theater.
Die „Residenzbühnc", die soeben der
Von unserem Korrespondenten.
hundertsten Aufführung von „Meyers“ entgegengeht,
Ein „Schnitzler“=Abend im „Deutschen Volkstheater“.
kommt nachmittags manchmal literarisch. So brachte
Eine „Grabbe“=Vorstellung auf der „Residenz¬
sie kürzlich Grabbe's „Scherz. Satyre,
— Bühne". Lustspieltheater: „Ehrsam und Genossen“,
Ironie und ticfere Bedeutung" eine
Komödie in drei Akten von Otto Hinnerk.
Komödie, deren amüsante Laune man eigentlich aus
Unter dem Sammelnamen „Marionctien“
dem Buche und nicht von der Bühne herab erfährt,
vereinigten drei Einakter von Arthur Schnitzter:
die witzigen und satyrischen Einfälle, der
„Der Puppenspieler
köstliche Humor und die saftige Polemik auf der
Cassian" und „Zum großen Wurste!“
Bühne vie von ihrer Wirkung verlieren. Immerk
vor einigen Tagen die große Schnitzler=Gemeinde
hin, unter der vorzüglichen Regie Ludwig Wolffs
im „Deutschen Volksthoater". Jedes dieser drei
kam es zu einer recht guten Aufführung, wozu die
Stücke hat man schon früher bei irgendeiner Matinee
Darstellung der Damen v. Nagy und Richter¬
einzeln gesehen, aber zusammen bildeten sie einen
[Rißka und der Herren Forster und Ettinger nicht
Prennerenabend, der leider nicht den Erfolg hatte,
wenig beitrug.
den sie verdient hätten. Wohl konnte der Dichter
Im „Lustspieltheater“ fand eine Diebs¬
aflmals vor der Rampe erscheiten, aber der Erfolg
komödie „Ehrsam und Genossen“ von Otto
hätte viel größer sein müssen, wenn die Regie nicht
Hinnerk eine recht freundliche Aufnahme, mehr
so gewalttätig in diese geistvolle Spielerei ein¬
durch das flotte und temperamentvolle Spiel, als
gegriffen hätte. „Der Puppenspieler“ ist eine Soe¬
durch den Inhalt der Komödie herbeigeführt. Die
lanstudie, echt Schnitzler'scher Provenienz. Diese
Handlung ist wenig originell, unwirklich. Im
Gestalt des Puppenspielers löst Schauder aus, ohne
Mittelpunkt steht Meister Ehrsam, dem von seinen
unheimlich zu wirken, sie wirkt erschütternd, sie ist
Mitbürgern dieser Ehrentitel beigelegt wurde. In
voll tiefer, seelischer Gewalt, aber — sie ist kein!
Wahrheit rerdient er ihn nicht, denn er ist im
Prahlhans und noch dazu ein so dämonischer, wie
Herzen ein Dieb, ein Meisterdieb, der aber nur die
ihn Herr Kramer leider gespielt hat. Immerhin,
Reichen bestiehlt. Sein Komplice ist der Polizeichef.
9600
das Publikum folgte mit größter Spannung den
Den beiden geht's natürlich glänzend. Da faut es
Intentionen des — Dichters.
auf, daß bei den vielen Einbrüchen und Diebstählen
Im „Tapferen Cassian“ einem hübschen, geist¬
im Städtchen gerade Meister Ehrsams Haus ver¬
vollen Einfall, störte die allzustarke Roalistik der
schont bleibt. Um dieses aufsteigende Mißtrauen zu
Regie, die die Grenzen zwischen Puppen und
bannen, bestimmt er ein eben angeworbenes junges
Menschen allzu deutlich verwischte. Wie der Ritter
Mitglied seiner Bande, bei ihm des Nachts einzü¬
Martin in Liebe erglüht zur großen, unbekannten
brechen. Der Polizeichef wird verständigt, damit &
Tänzeren, die er erst aufsuchen will, wie der Maul¬
den Einbrecher festnimmt. Aber es kommt anders.
heid Cassian ihm alles wegnimmt, Geld, Geliebte,
Der junge Einbrecher stiehlt sich ins Kämmerlein
sogar das Leben, und wie Ritter Martin endlich
der Schwiegertochter des Meisterdiebes, einer jungen
lieber stirbt, statt die Flöte zu spielen — das ist
Witwe, und als er erwischt werden soll, da weist er
alles witzig und geistvoll im Buche. Aber auf der
sich aus, daß er nur Küsse gestohlen und die ganze
Bühne versagten die „Puppen“, weil sie zu viel
Geschichte nimmt natürlich das übliche Ende. Von
„Hampelmann“ und zu wenig „Darsteller“ waren.
##n Mahem kanmte die umglückselige Regie den Er= den Darstellern ragte Herr Kröck als „Ehrsam“ in