De
17. 2 tapfere Cassian
UBSERVEn
österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschalten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christianh.
Oenf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapols,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petess¬
burg, Toronto.
agblatt
——
Wiesbaden
Ausschnitt aus:
vom:
Denmtr Uhecker=wriek.
Berlin, 23. Januar.
Das Münchener Märionetten=Theater von
Paul Braun gibt jetzt ein Gastspiel bei Keller und Reiner.
Man erinnert sich noch von der Ausstellung 1908 an das
ierliche Schauspielhaus en miniature oben auf der Bavaria¬
(estwiese. Ein graziöser Tempel war's, mit einer lustigen
„Laterne als Währzeichen, die auf ihrer Glasscheibe die
Figuren des Puppenspielplakats von Ignatius Taschner
ktrug. Und innen war eine niedliche Bühne in einem an¬
mutigen Rahmen, rokokohaft mit einer Polichinellfigur im
Giebel — von Wackerle. dem Künstler der Nymphenburger
Manufaktur — aufgebaut.
box 2277
Das sieht man nun erfreut wieder. Schnitzlers
„Tapferer Cassian“ ward dargestellt, und
salsspiel mit seinen feinen Lebensironiell und den frisches
Leben und Tod gaukelnden Märchenspaß wirkte in der
schwebenden gelösten Bewegung dieser Puppen traumhaft
vergleitend und dadurch echt und eindrucksvoll. Die
lächelnde Melancholie und die sentimental=spöttische Phan¬
tastik kam in dieser Zwischenelt voller heraus als in den
Massen der Menschenbühne. Taschner komponierte diese
Figurinen, das schöne Mädchen, den zärtlichen Flötenbläser
und den Haudegen=Desperado mit Stulpenstiefeln und
Federn am Hut.
Von ganz anderer Rasse sind die komischen Personen
des Bildhauers Jakob Bradl. Sie haben einen urwüchsigen
Humor, derb bajuvarisch, man könnte schon sagen:
„Hahmur". Vor allem saftig strotzen seine krachledernen
gewitterbackigen Bauernkerle.
Solch Marionetten=Groteske lernte man dann in dem
primitiven, aber dabei höchst lustigen Schwank des Grafen
Pocci: „Kasperl als Portraitmaler“ kennen. Er ist ganz
aus der Tradition des alten Puppenspiels hervorgegangen
und er zeigt die Grotesken und Erzentriks, die Zappel¬
drolerien und die Gelenkwitze der komischen Person, die hier
Prügelknabe ist, in überraschenden Variationen.
Doch das Feinste kam zuletzt: eine Miniaturoper:
„La serva padrona“, von Perpolese, hinter der Szene ge¬
sungen von Frau Heymann=Engel und Herrn Pirchan. Hier
entfalteten die Puppen ihre ganze preziöse Anmut und
porzellanene Grazie.
Auch hinter die Kulissen durfte man schauen. Man sah
die kleine Drehbühne, von Lautenschläger konstruiert, den
Donnerapparat und die Akteure und die Aktricen, langhalsig
baumelnd an der Wand, esn Hoffmanesker Anblick.
Die Novität des „Neuen Schauspielhauses", „Der
große Tote“ aus dem Dänischen von Magnussen
und Sarow, nennt sich mit stark unterstrichenem Unter¬
titel „ein lustiges Trauerspiel“
Er wandelt auf ausgetretenen Wied=Landschaften,
schneidet zornige Grimassen, bläkt die Zunge steht Kopf und
überschlägt sich. Eine recht eifrige, allzu betriebsame Komik.—
bei der man stockernst werden könnte, wenn nicht Herr Arndi
durch seinen fülligen Humor in die Hauptrolle menschliche
Lebenszüge brächte.
Er spielt den verkannten Dichter Mortensen Cederlund##
der — man ahnt die Handlung aus dem Titel — erst nach
seiner Totsagung berühmt wird. Das ist ja nun ein sehr
abgetakeltes Thema. Und man verzieht keine Miene über
den Nachruhms=Zauber.
Die neue Erweiterung des Themas ist, daß hier der
von den Toten Auferstandene nicht die inzwischen aufge¬
gangene Saat von Rühmesgemüse ernten darf, sondern
einfach von der Rückkehr in die Existenz ausgeschlossen
wird. Dem Publikum, der Gemeinde und der mit der
Aureole des Schmerzes gekrönten Witwe ist der tote
Mortensen als Fetisch und Idol viel lieber als ein leben¬
der unsicherer Dichter der ihnen das ganze Feierlichkeits¬
Schema verschandeln könnte.
Auf Situations=Burleske ist dies eingestellt. Cederlund
kommt von einer imaginären Afrikareise, arg entstellt und
seines Dichter=Haarschmuckes beraubt. gerade an dem Tage
zurück, als seine dankbare Vaterstadt feierlich zu seinem Ge¬
dächtnis das Cederlund=Museum einweiht. Ein lebender
und noch dazu so unkleidsamer Cederlund ist dabei natür¬
lich nur ein Störenfried, und man steckt ihn ins Irrenhaus.
Bei diesen Szenen geht es ziemlich hahnebüchen zu, die
Komik arbeitet mit dem Besenstiel, und der Geschmack —
ja, von dem merkt man überhaupt wohl wenig. Die
Pointe ist, daß Cederlund auf seine Identität verzichtet
und nun Direktor des Cederlund=Museums wird.
Es soll hier gewiß „tiefere Bedeutung“ menschlichen
Schicksals und nachdrücklicher Lebenssachen angegeben wer¬
den, die Fasson aber. in der das stecken bleibt. kommt über
das Niveau eines Bierulks voll „höheren Blödsinns“ nicht
F. P.
— heraus.
17. 2 tapfere Cassian
UBSERVEn
österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschalten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christianh.
Oenf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapols,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petess¬
burg, Toronto.
agblatt
——
Wiesbaden
Ausschnitt aus:
vom:
Denmtr Uhecker=wriek.
Berlin, 23. Januar.
Das Münchener Märionetten=Theater von
Paul Braun gibt jetzt ein Gastspiel bei Keller und Reiner.
Man erinnert sich noch von der Ausstellung 1908 an das
ierliche Schauspielhaus en miniature oben auf der Bavaria¬
(estwiese. Ein graziöser Tempel war's, mit einer lustigen
„Laterne als Währzeichen, die auf ihrer Glasscheibe die
Figuren des Puppenspielplakats von Ignatius Taschner
ktrug. Und innen war eine niedliche Bühne in einem an¬
mutigen Rahmen, rokokohaft mit einer Polichinellfigur im
Giebel — von Wackerle. dem Künstler der Nymphenburger
Manufaktur — aufgebaut.
box 2277
Das sieht man nun erfreut wieder. Schnitzlers
„Tapferer Cassian“ ward dargestellt, und
salsspiel mit seinen feinen Lebensironiell und den frisches
Leben und Tod gaukelnden Märchenspaß wirkte in der
schwebenden gelösten Bewegung dieser Puppen traumhaft
vergleitend und dadurch echt und eindrucksvoll. Die
lächelnde Melancholie und die sentimental=spöttische Phan¬
tastik kam in dieser Zwischenelt voller heraus als in den
Massen der Menschenbühne. Taschner komponierte diese
Figurinen, das schöne Mädchen, den zärtlichen Flötenbläser
und den Haudegen=Desperado mit Stulpenstiefeln und
Federn am Hut.
Von ganz anderer Rasse sind die komischen Personen
des Bildhauers Jakob Bradl. Sie haben einen urwüchsigen
Humor, derb bajuvarisch, man könnte schon sagen:
„Hahmur". Vor allem saftig strotzen seine krachledernen
gewitterbackigen Bauernkerle.
Solch Marionetten=Groteske lernte man dann in dem
primitiven, aber dabei höchst lustigen Schwank des Grafen
Pocci: „Kasperl als Portraitmaler“ kennen. Er ist ganz
aus der Tradition des alten Puppenspiels hervorgegangen
und er zeigt die Grotesken und Erzentriks, die Zappel¬
drolerien und die Gelenkwitze der komischen Person, die hier
Prügelknabe ist, in überraschenden Variationen.
Doch das Feinste kam zuletzt: eine Miniaturoper:
„La serva padrona“, von Perpolese, hinter der Szene ge¬
sungen von Frau Heymann=Engel und Herrn Pirchan. Hier
entfalteten die Puppen ihre ganze preziöse Anmut und
porzellanene Grazie.
Auch hinter die Kulissen durfte man schauen. Man sah
die kleine Drehbühne, von Lautenschläger konstruiert, den
Donnerapparat und die Akteure und die Aktricen, langhalsig
baumelnd an der Wand, esn Hoffmanesker Anblick.
Die Novität des „Neuen Schauspielhauses", „Der
große Tote“ aus dem Dänischen von Magnussen
und Sarow, nennt sich mit stark unterstrichenem Unter¬
titel „ein lustiges Trauerspiel“
Er wandelt auf ausgetretenen Wied=Landschaften,
schneidet zornige Grimassen, bläkt die Zunge steht Kopf und
überschlägt sich. Eine recht eifrige, allzu betriebsame Komik.—
bei der man stockernst werden könnte, wenn nicht Herr Arndi
durch seinen fülligen Humor in die Hauptrolle menschliche
Lebenszüge brächte.
Er spielt den verkannten Dichter Mortensen Cederlund##
der — man ahnt die Handlung aus dem Titel — erst nach
seiner Totsagung berühmt wird. Das ist ja nun ein sehr
abgetakeltes Thema. Und man verzieht keine Miene über
den Nachruhms=Zauber.
Die neue Erweiterung des Themas ist, daß hier der
von den Toten Auferstandene nicht die inzwischen aufge¬
gangene Saat von Rühmesgemüse ernten darf, sondern
einfach von der Rückkehr in die Existenz ausgeschlossen
wird. Dem Publikum, der Gemeinde und der mit der
Aureole des Schmerzes gekrönten Witwe ist der tote
Mortensen als Fetisch und Idol viel lieber als ein leben¬
der unsicherer Dichter der ihnen das ganze Feierlichkeits¬
Schema verschandeln könnte.
Auf Situations=Burleske ist dies eingestellt. Cederlund
kommt von einer imaginären Afrikareise, arg entstellt und
seines Dichter=Haarschmuckes beraubt. gerade an dem Tage
zurück, als seine dankbare Vaterstadt feierlich zu seinem Ge¬
dächtnis das Cederlund=Museum einweiht. Ein lebender
und noch dazu so unkleidsamer Cederlund ist dabei natür¬
lich nur ein Störenfried, und man steckt ihn ins Irrenhaus.
Bei diesen Szenen geht es ziemlich hahnebüchen zu, die
Komik arbeitet mit dem Besenstiel, und der Geschmack —
ja, von dem merkt man überhaupt wohl wenig. Die
Pointe ist, daß Cederlund auf seine Identität verzichtet
und nun Direktor des Cederlund=Museums wird.
Es soll hier gewiß „tiefere Bedeutung“ menschlichen
Schicksals und nachdrücklicher Lebenssachen angegeben wer¬
den, die Fasson aber. in der das stecken bleibt. kommt über
das Niveau eines Bierulks voll „höheren Blödsinns“ nicht
F. P.
— heraus.