II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Der tapfere Cassian. Puppenspiel in einem Akt (Generalprobe), Seite 60

17.2. Der tapfere Cassian box 22.7
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732
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Ausschnitt aus
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt a
Neue Freie Presse. Wien
General-Anzeiger, Franktan
vom: 13 Mhütmn 1911
[Münchener Marionettentheater.] Vor zwei
Jahren hat das Marionettentheater Münchener Künstler sich
9 11. MI
dem Wiener Publikum im Kabarett „Fledermaus“ vorgestellt.
* Premierenabend im Marionettentheater. Zwei Pre¬
Dieser kleine Raum hatte die idealen Dimensionen für eine
mieren brachte die gestrige Abendooestellung des Mario¬
Marionettenbühne. Das Spiel der am Draht gezogenen
nettentheaters, und die wackeren Künstler konnten mit der
Puppen, das verfeinerte Kasperltheater, verlangt einen
fröhlichen Anteilnahme der zahlreichen Besucher sehr zu¬
kleineren Raum als den gewöhnlichen Bühnenraum,
owie
frieden sein, trotzdem sie unermüdlich, wie sie sind, scho
es auch andere Kunstwerke verlangt als solche, die für das
zwei Nachmittagsaufführungen hinter sich hatten.
ie
Maß lebender Menschen zugeschnitten sind. Darum werden
spielten wieder mit Aufbietung aller Kräfte und mit Liebe
die Münchener Künstler, die nun im großen Saale der
und Hingebung und einer vollkommenen Echtheit der Be¬
„Urania“ gastieren werden und heute ihre Generalprobe
wegungen. Sie konnten sich das Wagestück leisten, Arthur
hielten, vielleicht nicht so wirken wie damals. Sie haben nun
Schnitzlers Marionettenstück „Der tapfere Cas¬
siageben, das einst in der kurzen Epoche, da Otto
auch Stücke in ihr Programm genommen, die nicht eigens
Julius Bierbaum das Direktionsszepter in einem Theater,
für Puppenspiele geschrieben worden sind. Ein gewagtes
das in einem Bogen der Berliner Stadtbahn lag, mit un¬
Experiment! In den Puppenspielen sieht man Kunst und
befangenem Idealismus und unentwegt schwang und durch¬
Leben wie durch ein verkehrtes Opernglas: verkleinert aber
aus die Marionetten für die nun einmal der Dichter seine
schärfer. Wirkliche Menschendramen lassen sich durch Puppen
Rollen geschrieben#e und auf deren hüpfendes Wesen
nicht darstellen. Hamlet und Tasso sind nicht am Draht zu
die Handlung in ihre komischen Szenen zugeschnitten war,
zichen. Eine Kunstgatlung, die zwischen der Realität und der
durch menschliche Darsteller spielen zu lassen: ein von vorn¬
spielfreien Phantasie, zwischen Leben und Traum legt, scheint
herein mißglücktes, innerlich unmögliches Experiment. Das
uns für die Marionettenbühne am geeignetsten zu sein.
ließ sich in der gestrigen urdrolligen Aufführung erkennen,
die allgemeine Heiterkeit erregte und jede Pointe nur mit
Arkur Schnitzler hat in seinem „Tapferen Cassian“ geradezu
dem Mittel der Bewegung zur Wirkung brachte. Das ist
das Muster eines Puppenspieles geschaffen. Die Munchener
ja überhaupt das Geheimnis bei den Marionetten, daß
Künstler werden es auch bei diesem Gastspiele vorführen.
durch ein raffiniert ausgearbeitetes System von Be¬
Und man wird gerade am „Tapferen Cassian“ sehen, daß
wegungen, zumal des Kopfes und des Nackens, zugleich die
jenes merkwürdige Zwittergebilde dramatischer Kunst, als das
Illusion entstand, auch die Züge des Gesichtes fingen an,
uns die Marionettenbühne erscheint, nicht bloß ein kindliches
sich zu bewegen. Das lebhafte Spiel von Licht und Schatten
Spiel bedeutet, dem der Erwachsene nur lächelnd zuschauen
auf den Gesichtern im Bunde mit den Bewegungen der
darf. Das Puppenspiel kann ernsten und eigentümlichen
Gliedmaßen und des Kopfes und Halses sind es, die jenen
künstlerischen Absichten dienen. Was uns an wirklichen?
zwingenden Eindruck hervorrufen. Je öfter man diese
Menschen beleidigen würde, was uns an ihnen unverständlich
Marionetten studiert, umsomehr bewundert man die Aus¬
prägung der Charaktere und die außerordentlich seine Aus¬
wäre, das verzeihen, das begreifen wir, wenn es uns von
arbeitung der Bewegungen, die oft eine höchst verwickelte
Puppen vorgeführt wird. Im Spiele der Puppen darf der
Reihe von Einzelbeugungen und =streckungen in einem ein¬
Dichter übertreiben. Er kann Worte sagen, die von lebendigen!
heitlichen abgerundeten Eindruck zusammenfaßt. Das war
Lippen hohl klingen würden. Er ist an die Gesetze des
besonders reizvoll bei den Rhythmen der Musik in Per¬
realen Lebens nicht so gebunden wie der wirkliche Dramatiker.
goleses alter und noch heute sehr lustig wirksamen kleinen
Er kann eben Wesen schaffen, die nur in den verkleinerten
Oper „La serva padrona“ zu erkennen, die in
geistigen und körperlichen Dimensionen der Puppenbühne
t wundervoll echtem Stil mit der den Marionetten ange¬
lebendig erscheinen. Ein klassisches Stück dieser Art ist eben
borenen Steifheit alle Nüancen zum Ausdruck brachte.!
SchnitzlersTapferer Cassian“. Das romantisch=satirische
Nicht zu vergessen seien die szenische Ausstattung und die
Püppenspiel von August Mahlmann: „König
geschmackvolle Pracht der Kostüme. Der Beifall war außer¬
Violon und Prinzessin Klarinetie" (Musik
ordentlich stark.
von Konrad Scherber), das wir heute sahen, scheint uns
nur die Aeußerlichkeiten des Puppenspieles erfaßt zu haben.
Reizend nahm sich hingegen die Offenbachsche Operette
„Das Mädchen von Elizendo“ im verkleinerten
Rahmen der Marionettenbühne aus. Die Münchener Künstler
werden mit ihren eigenartigen Darbietungen jedenfalls Inter¬
esse erregen. Die unter der Leitung Paul Brauns stehenden
Sprecher, Sänger und Musiker verdienen für ihre irefflichen
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Leistungen besondere Anerkennung.