rionettenhafte, das er manchmal, weit über die szenischen
Angaben des Dichters hinausgehend, auch verstärkt. Dem
tapferen Cassian selbst wird ein dröhnendes Lachen mit
auf den Weg gegeben, zu dem sich das Püppchen gar
possierlich schüttelt. Die zapplige Heiterkeit steigert sich,
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wenn sich Cassian, Martin und Sophie zu Tisch setzen und
Cassian seine aufschneiderischen Mären zum besten gibt,
wobei sich in sein gröhlendes Gelächter das Gepipse des
Fräuleins sowie das schüchterne Lachen Martins ergötz¬
lich mischt und alle drei gar kräftiglich wackeln. Köstlich ist
auch der Doppelsprung aus dem Fenster. Das Würfel¬
spielen und den Zweikampf verlegt die löbliche Regie hin¬
ter oder wenigstens nahe an die Kulisse. Nur die figür¬
liche Darstellung des unglückseligen Flötenspiels am Schlusse
will nicht recht gelingen ... Der Gesamteindruck dieses
in unserer Literatur ziemlich vereinzelt dastehenden mo¬
dernen Puppenspiels ist jedenfalls so entzückend, daß
man nur wünschen kann, Schnitzler möchte es auf diesem
aparten Gebiet nicht bei dem einen Versuch bewenden
lassen. Es gibt Variationen des Schnitzlerschen Themas
von der Bittersüßigkeit von Tod, Liebe und Leben, die
sich durch Marionetten wirklich besser wiedergeben lassen
als durch lebendige Menschen, so daß auch der Dichter
des „jungen Medardus“ im Abfassen neuer Puppenspiele
keine capitis diminutio zu erblicken brauchte.
Dem Schauspiel folgte, etwas weniger wirksam, Mo¬
zarts Singspiel von den Launen der Verliebten „Bastien
und Bastienne“. Die bekanntlich recht schematische Ver¬
söhnungshandlung des zerzankten Schäferpaares durch den
devin du village Colas kommt der Darstellung durch
Marionetten mehr entgegen als die Handlung der serva
padrona, die ein sehr sorgsames Mienenspiel verlangt.
Leider ist in Wien — in Berlin war das anders — der
Sänger des Colas stimmlich unzulänglich; seinem Gesang
fehlt des Basses Grundgewalt und seine Prosa bleibt
nahezu unverständlich. Dafür singen Herr Dr. Neumann
(Bastien) und Fräulein Sax (Bastienne) sehr hübsch. Un¬
sagbar zierlich sind die ländliche Dekoration und die Püpp¬
chen, beides von Professor Jakob Bradl entworfen. Die
Schäferin hat einen rosenfarbenen Reifrock an, unter dem
die weißen Strümpfchen lieblich hervorlugen, und sie
trägt einen Stab mit Bändern in dem zarten Händchen.
Er, der Schäfer, hat lilafarbene kurze Sammethosen, die
am Knie mit roten Mascherln geschmückt sind, zu denen
das rote Band des Strohhütchens harmonisch paßt. Als
dörflicher deus ex machina erinnert Colas an das Vertigo¬
Figürchen im „Mädchen von Elizondo“, mit seinen kleinen
Wackelbeinchen, dem pfiffigen Faungesicht und den schwar¬
zen Zotteln. Einen Separaterfolg erzielte Bastien, als er
sich während der Auseinandersetzung mit Bastienne zwei¬
mal gar artig mit dem linken Arm an den Steinrand eines
Brunnen lehnte, der im Mittelpunkt des Bühnenbildes
stand
Ein besonderes Kapitel wäre den Dekorationen und
Beleuchtungskünsten des Marionettentheaters zu wid¬
men, von denen hier noch nicht gesprochen wurde. Bilder,
wie der Tannenwald in der „Zaubergeige“, der von Kerzen
erhellte Saal beim Fürsten, der mondbeglänzte Garten,
in dem Kasperl seine Fensterpromenaden macht, das Stadt¬
gemälde mit dem Galgen, an den Kasperl gehängt werden
soll, oder die Dachstube des 17. Jahrhunderts, in der
sich die erschreckliche Historie vom tapfern Cassian zuträgt,
sind Kunstwerke für sich. Ebenso die Sonnenauf= und
untergänge, der blasse Mondenschein, der einmal auf Be¬
sehl Kasperls prompt verlischt, und sonstige Lichteffekte,
die nur bei der Première des Cassian nicht ganz Order
parieren wollten
... Und ein Märchen ist der bunte Vor¬
hang, auf dem ein Ritter in einem Zauberwald einher¬
reitet, ein holdseligs Fräulein vor sich auf dem stolzen
Rosse, einen ganz zahmen gräulich=grünen Drachen an
der Leine führend. Wer von den verehrten Brünner Da¬
men und Herren Lust verspürt, gelegentlich eine Stunde
in einem Zauberwald zuzubringen, der versäume es, wenn
er in Wien ist, ja nicht, dem Marionettentheater in der
Urania am Aspernplatz einen Besuch abzustatten. In
drei Stunden des Nachmittags oder des Abends lassen sich
die schönsten Gaben des Spielplans dieses Theaterchens ge¬
nießen, und niemand wird den Besuch bereuen.