II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Der tapfere Cassian. Puppenspiel in einem Akt (Generalprobe), Seite 77

17.2. Der tanfere Cassian
Telephon 12.801.
„ODSLRVEN
1. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
" New-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus #
Nous Preussisene Zellung, Berla
vom:
# eea
Murionettentheater Münchener Künstler.
Der kapfere Cassian. Ein groteskes Puppenspiel von Arthur
ißler.
Hierauf: „La serva padrona“. (Wie die Zofe
Verener) Komische Oper in 2 Akten von Giovanni Pergolese.
Für das Marionettentheater instrumentiert von Richard Trunk. Am
7. Januar.
Schnitzlers Art zu schildern ist weich und anmutig, all seinen
Gestalten haftet eine gewisse sentimentale Schwermut an, er ver¬
schleiert sie und überläßt es dem Hörer, das Angedeutete zu erraten.
Für das derb=heitere Geure des Kasperletheaters eignet sich seine
Dichtkunst nicht. Der Hanswurst ist die typische, „lustige Gestalt“
der deutschen Bühne und wenn sie
sich späterhin unter
dem Namen „Kasperle“
auch in mannigfaltige Theaterfiguren
wandelte, so ist ihr doch das Derb=Komische geblieben. Die ruck¬
artigen, zappelnden oder hüpfenden Bewegungen der hölzernen
Puppen wirken an sich schon komisch und können unmöglich tragische
Wirkungen erzielen, wie es der Stoff von Schnitzlers kleiner Tragödie
verlangt. Der tapfere Cassian ist ein Soldat, der auf Besuch
zu
seinem Vetter Martin, einem armen Studenten, kommt.
Er nimmt ihm im Spiel sein Geld ab, macht ihm die
Geliebte abspenstig und dringt schließlich auch noch mit dem Degen
auf ihn ein. Sterbend bricht Martin zusammen und beichtet, daß
er eigentlich gar nicht Sophie, sondern eine fremde Künstlerin liebt.
Darauf springt Sophie aus dem Fenster, aber dem tapferen Cassian
gelingt es, sie zu retten. Diese mit gewaltsamer Lustigkeit vermischte
Tragik konnte keinen besonderen Eindruck hervorrufen, obgleich die
Herren Wieland und Kurzhals und Fräulein Falkow ihre Figuren so
dramatisch wie möglich sprechen und handeln ließen.
Pergoleses kleine Oper, in der die niedliche Zofe es so
graziös versteht, ihren Herrn in das Ehejoch zu zwingen, fand
größeren Beifall, wenn auch die Gleichmäßigkeit der Szene und
die geringe Anzahl der handelnden Personen etwas eintönig wirkt.
Die Kasperle=Komödien verlangen nun einmal eine schnell vorüber¬
huschende Handlung und häufigen Wechsel der Figuren, sollen sie
nicht unnatürlich und damit langweilig wirken. Fräulein Weber
brachte mit ihrem reinen, hellen Sopran die Schönheit der alten
italienischen Musik recht zur Geltung und auch Herr Keller saag ge¬
schmackvoll die Rolle des alten Junggesellen.
J. M.
box 22/7
Telephon 12.801.
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I. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Conoordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
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New-YVork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Oaellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
Die Zeit, Wien
19 1 1911
vom 1
Theates und Kunst.
Puppenspiele.
c. h. Das Marionettentheater, das aus
München kommt und in der Urania auf¬
geschlagen ist, hat man schon in Wien gesehen.
Man kennt es aus der „Fledermaus“ wa es
ein paar entzückende kleine Stücke, darünter
den „Tapfern Kassian“ von Schnitzler. spielte.
Nunmehr soll es aber ein br#
Molikum g
heranlocken. Kinderspiele sind's nicht, aber einz
köstliches Theaterchen für Große. Es ist immer
von einem zauberhaften Reiz, Marionetten
agieren zu sehen. Das Püppenspiel mag in der
Mitte zwischen Schauspielerei und Pantomime
stehen. Die Pantomime schließt selbst das Wort

aus, als könnte es die Leidenschaft, das Gefuhl
gar nicht ausdrücken; sie läßt nur die Geste und
den Blick zu, ist ganz auf das Unsagbare
gestellt. Das Puppenspiel anerkennt des
Dichters Wort, doch nicht viel mehr; es liefert
sich nicht an den Schauspieler, an seine äußere
Erscheinung aus. Die Marionette kann sich der
Gestalt, wie der Dichter sie ersonnen, auf das
äußerste nähern. Sie streift von ihr das In¬
dividuelle=Veränderliche und erhebt sie zum
Typischen. Sie ist immer von einem wunder¬
vollen Geheimnis des Unwirklichen umhüllt.
Dadurch ist sie gar nicht an die psychblogischen
Abwicklungen gebunden und macht alles Bizarre,
Groteske nicht unglaubhaft. Keine Schwere zieht
sie nieder. Alles wird spielerisch, heiter, ironisch.
wie eine miniatürliche Karikierung des mensch¬
lichen Getriebes.
Die possierlichen, nur in den Gelenken be¬
weglichen kleinen Akteure sind immer wieder an¬
regend. Besonders wenn sie so reizende Komödien
spielen wie die Marionetten Paul Branns.
Sie geben ein romantisch=satirisches Stück
„König Violon und Prinzessin Klarinette“,
August Mahlmann, der zum Tieck=Kreise
gehörte, hat es gedichtet, einige aktuell=anzüg¬
liche Witze putzen es jetzt auf. Man sieht einen
komischen König, dessen Braut sich in einen
Prinzen Kasimir verliebt; Kasimir entpuppt
sich als ein unechter Sohn des Königs; die
Geschichte nimmt einen fürchterlichen Verlauf,
denn am Ende sind alle Beteiligten Leichen
Das ist aber nicht die Attraktion. Eine komische
Oper von Offenbach „Das Mädchen von
Elizondo“ schlägt das Romantikerstückchen. Da#
singen die Marionetten. Ein Gastwirt, ein
Liebhaber, ein Mädchen. Ein Baßbufso, ein
Tenor, ein Sopran. Die kleinen Marionetten
singen mit vollen Menschenstimmen, und doch
entsteht kein zwiespältiger Eindruck. Sie geben
sich dem Rhythmus der faszinierend pikanten,
champagnisierenden Musik hin. Hier zeigt sich die
feine Kunst der Münchener Pupvenspieler. Die
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