II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 2), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 3

box 22/5
17.1. Der Pupbensnieler
Sonntagsblatt der New-Yorker Staats-Zeitung,
Reichthum bemühen. Vorläufig ist mir der
Eduard: Das hab' ich für meinen Theil
nen. (L ieht ver sich hin. Dann): will ich ganz ehrlich gestehen: Ich bin im
Unterschied zwischen Armuth und Reich¬
immer behauptet.
Arbeitsrock, darum will ich dieses Ueber¬
Eduard
thum, zwischen Dunkelheit und Ruhm zu
Anna: Es war vielleicht mehr eine Art
kleid nicht ablegen. Ich hatte ja keine Ah¬
Eduard: Nun?
Sehnsuchi, Dich auf den rechten Weg zu gering, als daß es sich mir lohnte, einen Fin¬
nung, daß ich heute plötzlich als Besucher
Georg: Es war wohl der erste berauschte,
bringen.
ger darum zu rühren. Lass' mich spazieren
aufzutreten hätte. — Nein, Anna, wie Sie
sozusagen glühende Abend, den Du erlebt
Georg: Auf den rechten Weg?
geh'n, Freund, und mit Menschen spielen.
jung geblieben sind!
hast?
Das ist das Einzige, was eines Menschen
Anna: Den ich eben für den rechten
Eduard: So sagt Euch doch. Du, wie
Eduard: Es war ein seltsamer Abend,
meiner Art würdig ist. Lebt wohl, meine
hielt. Und dazu hielt ich es für nothwendig,
damals; es ist doch wahrhaftig kein
ganz gewiß.
Lieben; ich freue mich, Euch wiedergesehen
Dich von Irene zu befreien.
Grund —
Georg: Es waren wohl auch die ersten
Georg: Wie?
zu haben. (Zu dem Kleinen): Abieu —
Georg: Es ist wahrhaftig kein Grund.
zärtlichen Worte, die Du zu hören bekamst
Georg — Adieu! (Zu den Anderen): Wer
Anna: Ja, von Irene, die Dich — nun,
Ei, was bist Du jung geblieben, Anna!
an jenem Abend?
weiß, wozu dieser kleine Junge einmal be¬
die Dich so wenig verstand.
Eduard (betrachtet seine Frau mit
Eduard: Du glaubst —
rufen ist. Und wenn man zugleich bedenkt
Georg: Inwiefern? Was bringt Dich auf
Liebe): Ja.
Georg: Ich weiß es ja. Wie oft hab'
daß er nie geboren wäre, wenn ich nicht ar
die Vermuthung, daß Irene —
Anna (etwas verlegen): Aber wie kommt
ich Dich seufzen gehört, daß Du zum Glück
jenem Abend den Einfall gehabt hätte...
Eduard: Soll ich's mit einem kräftigen
es denn nur, wie habt Ihr Euch denn ...
nicht geschaffen, daß Du bestimmst seist,
Ihr müßt es ihm erzählen, wenn er einmal
Worte bezeichnen? Sie hielt Dich zum Nar¬
Eduard: Denke nur den Zufall, Anna!
Deine Jugend einsam und ungeliebt zu ver¬
ren
groß genug ist, um es zu verstehen.
Hier vor dem Hause! Nachdem man einen
bringen, weil Du ein so verschüchterter und
Eduard: Das werden wir uns doch über¬
Georg: Mich? — Irene — mich?
Menschen durch Jahre wie mit Lichtern ge¬
ängstlicher Bursch' warst.
legen.
Anna: Nun, sie war doch eigentlich schuld
sucht hat! Ich gehe spazieren — oder viel¬
Eduard: Nun ja, meine Jugend war frei¬
Georg: Ein Kind meiner Laune — wahr¬
daran, daß Du damals, nach Deinem ersten
mehr, ich komme aus der Probe, da erblick'
lich recht armselig in mancher Hinsicht.
haftig. (Das Dienstmädchen bringt die
Erfolg, Alles aufgabst; daß Du aus dem
ich ihn zehn Schritte vor mir — am Gang
Georg: Bis zu jenem Frühlingsabend,
Suppe.) Adien.
Amt austratest, wo Du doch wenigstens
hab' ich ihn erkannt — und ruf' ihn an.
da man Dir zum erstenmale glühende
Eduard: Und keinen Löffel Suppe? —
Dein sicheres Einkommen hattest:
Und er wendet sich um und will wieder sei¬
Worte zuflüsterte.
Geora: Sie hat an mich geglaubt. Sie
Es ist gerabezu kränkend! Du willst weg¬
nes Weges gehen.
Eduard (mit listigen Augen): Daß Du
wollte nicht, daß ich meine freie Seele in die geh'n, ohne das Geringste....
Georg: Ich hab' Dich nicht erkannt, ich
Dich daran noch erinnerst!
Georg: Nun denn, wenn Ihr mir durch¬
Bande eines täglichen Brufes ketten sollte.
bin ein wenig kurzsichtig.
Georg: Es hat seinen Grund, Eduard.
aus etwas anbieten wollt, so erlaubt mir,
Anna: Nun ja — aber sie wußte doch so
Eduard: Oder wolltest mir wieder da¬
Und ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß
meinem jugendlichen Namensvetter einen
gut wie wir, daß Du trotz Deiner freien
von, Aber nein, das wäre denn doch zu
uns das Schicksal nur deshalb noch einmal
Kuß auf die Stirn zu geben. (Er hebt ihn
Seele
arg; wenn man Jemanden durch Jahre
zusammengeführt hat, damit Du die Wahr¬
auf und küßt ihn. Nach einer Pause:) Viel¬
Georg: Was wußte sie?
sucht
heit erfährst.
Anna: Daß Du nicht von der Luft leben leicht bedarf dieser etwas rührsame Einfall
Georg (ernst): Wie mit Lichtern.
Eduard (wie oben): Was willst Du mir
konntest.
der Erklärung. Nun, ich habe keinen An¬
Anna: Wo waren Sie denn eigentlich?
sagen, Georg?
laß, Euch zu verhehlen, daß ich auch einmal
Georg: Das ist noch eine itfrage.
Eduard: Wo warst Du? Ich bestehe
Georg: Ich vermuthe, daß dieser Abend
eine Frau hatte.
dachte je¬
Anna: Nun, wie immer.
darauf, daß Ihr Euch Du sagt, wie früher.
bedeutungsvoller für Dich war, als Du
Eduard: Du hattest eine — Frau?
denfalls, Irene wäre für Dich nicht ganz
Ich bin sonst nicht eigensinnig, aber darauf
ahnst. Ich glaube, daß Du an diesem
Anna: Irene!
die Rechte. Ich habe sie ja so gut gekannt.
besteh' ich.
Abend den Lebensmuth in Dich getrunken
Georg: Ja. Und auch ein Kind.
Und Dich auch. Ich hätte Dich so gern in
Anna: Wo warst Du denn eigentlich in
hast, von dem Du auch heute noch erfüllt
Anna (ergriffen): Einen Sohn?
Sicherheit und Ruhe gewußt; und ich fürch¬
dieser langen Zeit?
bist. Denn damals, gesteh' es, hast Du
Georg: Ja.
tete, daß Du dergleichen bei Irene nicht fin¬
Georg: Ich war meistens auf Reisen.
zum erstenmale empfunden, daß auch Du
Anna: Wo sind sie —?
den würdest.
Anna; Auf Reisen?
im Stande bist, Glück zu geben, Glück zu
Georg: Sicherheit — Rühe.. sind das
Georg: Meine Frau ist von mir später
Georg: Ja. In der Welt herum.
empfangen.
fortgegangen, und der Bub, den sie mir
Dinge, die für mich jemals Werth hatten?
Anna: Und allein?
Eduard: Da hast Du nicht Unrecht.
zurückgelassen .... (Absichtlich kalt); ist ge¬
Anna: Ich glaubt' es eben. Und darum
Georg: Vorzugsweise allein. Anfangs
Georg: Wäre jene Stunde nicht gewesen,
hab' ich auch nach jenem Abend nicht gleich
storben. Ja. Ersehet daraus, meine
allerdings nicht.
Du wärst wohl Dein Lebtag der verschüch¬
aufgehört zu hoffen.
Freunde: — das Schicksal wünscht nicht,
Anna: Anfangs bist Du wohl mit Irene
terte, ängstliche Bursch geblieben, als den
daß ich durch Alltagssorgen an den Boden
Georg: Inwiefern?
gereist?
ich Dich kannte. Vielleicht hättest Du nicht
geschmiedet werde. Menschen meiner Art
Anna: Ich habe ein paar Tage lang auf
Georg: Ja, mit Irene.
einmal den Muth gefunden, um ein Weib
müssen frei sein, wenn sie sich ausleben sol¬
Dich gewartei. Mir war, als müßtest Du
Eduard: Hm. Wo — ich meine —
zit werben.
len. Lebt wohl. (Ab.)
selbst. (Pause). Aber Du bist nicht ge¬
(Blick Anna's) wo sie jetzt wohl sein mag,
Eduard (wie überzeugt): Du hast Recht,
Eduard: Georg! (Will ihm nach.)
kommen. Und dann — hab' ich engefan¬
Georg.
Irene.
Der Kleine (hat angefangen, seine Suppe
gen, mich zu schämen. Nicht nur für mich,
Georg (ruhig): Ich weiß nicht. Ich habe
Georg: Und wie kam dies Alles? Wo¬
zu essen).
auch für ihn, für Eduard. Ja wirklich, bis
lange nichts mehr von ihr gehört. Ich war
durch ward diese außerordentliche Verän¬
Anna: Lass' ihn! Lass' ihn! Wir wollen
in die tiefste Seele hab' ich mich für uns
weit herum. Ich bin soge in Californien
derung Deines Wesens hervorgerufen? In¬
ihm nicht das Letzte nehmen, was ihm ge¬
Beide geschämt. Am allerliebsten wär' ich—
gewesen und in Indien.
dem Du glaubtest, das schöne Mädchen, das
blieben ist.
Eduard: Nein, sprich das Wort nicht aus!
Eduard: Ahl
Dich damals doch zum erstenmale sah, hätte
Eduard: Wieso denn? (Sieht sie an.)
Anna (still):... wär' ich gestorben....
sich auf den ersten Blick in Dich verliebt.
Georg: Dann hab'ch mich allmälig auf
Anna (bindet dem Kleinen die Serviette
Eduard: Ja, das hat sie mir auch damals
Eduard: Ich hatte doch alle Ursache.
Europa beschränkt, und später sind meine
um).
gesagt, Georg. Und auf den Knieen ist sie
Georg: Du hattest Ursache, es zu glau¬
Reisen immer kleiner geworden. (Beschreidt
Eduard (kommt herbei, streicht ihr übe
vor mir gelegen. . .. Das heißt, ich hab' sie,
ben; aber Du hast Dich geirrt.
mit der Hand eine Spirale.) Der Kreis
die Haare. Sie blickt nicht auf. Er##
natürlich gleich aufgehoben .... und hat
Eduard: Wie? Ist es möglich?
immer enger. Jetzt mach' ich nur Wande¬
wie verstehend.) Nun ja ....
mir das Ganze gestanden, Alles. Ja, viel
Georg: Das Ganze war ein tiefsinniger
rungen in der Umgebung Wiens. Aber das
(Sie setzen sich und essen.) — Vorhang.
mehr, als Du selber wußtest. Und in mei¬
Spaß, den ich ausgedacht hatte.
ändert nichts. Denn für mich bedeutet ein
nen Armen hat sie sich ausgeweint.

Spaziergang auf den Geländen da draußen
Eduard (in verstellter Verwunderung):
Anna (lächelnd): Ja. Und so wurde es
Ein Spaß?
mehr, als für Andere eine Fahrt um die
(Für das „Sonntagsblatt der N. D. Staats=Zeitung“.)
auch wieder gut. Es dauerte gar nicht so
Georg: Ja. Es war eine abgekartete
Welt. Denn überall giebt es Menschen
lang. Es war doch ganz gut, dacht' ich bald,
und Schicksale, wenn man sehen und höden
Sache. Die Kleine, die so zärtlich mit Dir
Wahre Liebe
daß er nicht gekommen ist.
kann.
war, that einfach, was ich wollte. Ihr
Skizse von Peter Ransen.
Eduard: Und sie schrieb mir Briese, als
Eduard: Im Ganzen lebst Du jetzt sehr
war't die Puppen in meiner Hand; ich
ich drüben in Amerika war. Ah, und was
Er lag in einem niedrigen Schaukelstuhl
lenkte die Drähte. Es war abgemacht, daß
zurückgezogen, nicht wahr?
für Briefe! Alle hab' ich aufbewahrt. Wir
und rauchte, neben einer Art von Rohr¬
sie sich in Dich ve# ht stellen sollte. Denn
Georg: Wie man's nimmt. Ich finde
lesen sie auch zuweilen wieder. In dem
Chaiselongue, auf der das Fräulein zwi¬
Du hast mir immer leid gethan, Eduard.
auch Gesellschaft, wenn mir's grave paßt.
Fach dort liegen sie. Und dann, nach eini=schen weichen Kissen ruhte. Ihr Rock verbarg
Ich wollte in Dir die Illusion eines Glücks
Ich hab' auch Freunde und Freundinnen
ger Zeit, nahm sie ein Billet und ging zu nur halb die zierlichen Füße, die in gestick¬
erwecken, damit Dich das wahre Glück be¬
für einen Tag. Und ein Tag ist lang,
Schiff und kam zu mir nach Boston. Ja,
ten Strümpfen und kleinen, koketten Halb¬
reit fände, wenn es einmal erschiene. Und
venn man versteht, zu leben. Ich bin wie
Georg, hier steht ein Wesen, das mir nach
schuhen steckten.
so hab' ich — wie es Leuten meiner Art
Harun=al=Raschid, der unerkannt im Volke
Ueber die Veranda hinaus sah man den
Amerika nachgereist ist, so sehr hat sie mich
wohl gegeben sein mag — vielleicht noch
wandelt. Die Leut mit denen ich da
Sund, der in der Sonne glitzerte und fun¬
geliebt. (Pause.)
tiefer gewirkt, als ich wollte. Ich habe draußen (große Geste) i de, ahnen nicht,
kelte.
Georg (nachdenklich): Und wenn ich da¬
Dich zu einem andern Wenschen gemacht.
wer ich bin; und wer von mir Abschied
mals gekommen wäre, als Sie mich erwar¬
Mitten in einem Zug aus der Cigarre
Wahrhaftig, es ist ein edleres Vergnügen, nimmt, weiß nicht, ob er mich jemals wie¬
gähnte er.
teten?
mit Lebendigen zu spielen, als Luftgestal= derfindet. Es ist ein höchst interessantes
„Hans, — Du gähnst ja!“
Anna: Da wäre wuhrscheinlich Manches
ten im poetischen Tanze herumwiebeln zu
„Ach ja, es ist so furchtbar warm!“
anders geworden.
lassen.
Eduard: Und wenn Di nicht spazieren
ie hielt soht
einen kleinen