II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 2), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 20

17.1. Der Puppenspieler box 22/6

typisch interessant, nicht zu einer allgemeinen Angelegenheit ge= in der Abrundung und Zuspitz
Chrater und Mustk.
worden. Ausnahmefälle von Malheur aber gibt es schließlich in Sparsamkeit und Sicherheit se
noch raffinierterer Form. Sie lassen uns kalt und verschlossen, dem Detail, an feingeprägten?
Dem Deutschen Theater ist der erste Premiérenabend der neuen
weil die Charakteristik an ihrer Singularität erkalten muß. Die als zwischen seiner bescheidene
Spielzeit zu einer schweren Blamage, gediehen. Denn das ist es
allegorische Bedeutung scheint durch hohle, menschenunähnliche
der leeren, geräuschvollen Mo
und nicht mehr bloß ein einfacher menschlicher Irrtum, einem
Puppen; sogar die Natursymbolik wirkt im Drama konstruiert, weil
Theater der erste Premièrena#
Drama wie Georges Rodenbachs „Trugbild“ Bühnenmöglichkeit
nur ihre äußeren Zeichen sichtbar werden und nicht ihr innerstes
schweren Blamage gedieh.
und gar erst Bühnenwirksamkeit zuzutrauen. Noch schlimmer wäre
Wesen. So wird alles verschoben, alles verfälscht, alles ver¬
Lessingtheater. Am Son
es, annehmen zu müssen, daß Herr Brahm sein eignes Urteil einer
künstelt. Die Fehler der bedenklich gewalttätigen Handlung
Verunstaltung von Leo Tolstc
vermeintlichen Konjunktur („belgischer Symbolismus“) geopfert
schwellen im Rampenlicht an; die Menschen erhalten einen kräftigen
ausgeführt von dem Franzose
habe. Nach der Aufführung von Björnsons „Auf Storhove“ freilich
Stich ins Ridicule und das Ganze wird statt eines Mysteriums ein
Rührungseffekten eines Kolp
Marlittpsychologie, mit allem U
—dessen Dichter er acht lange Jahre nicht gekannt hatte, um nach
Hokuspokus, der nach Gebühr ausgelacht worden ist."
stadtdramatikers. — „Wie? —
dem Erfolge von „Ueber unsere Kraft“ der wagemutigeren Kon¬
Die Darsteller standen in erstaunlich prächtigen Interieurs
Sie von einem großen Werke
kurrenz den schwachen Letztling wegzukapern — danach freilich darf
auf verlorenen Posten. Aber einer von ihnen rettete wenigstens,
Bataille, so spreche ich von Ihr
man sich auch eines zweiten sacrifizio dell intelletto von ihm ver¬
was zu retten war. Während Fräulein Trieschs kühle Virtuosität
aus Ihr Werk! Allerdings
sehen. Aber er treibe es doch nicht zu arg. Er glaube doch nicht,
Ahnung davon haben, daß die
niemandem warm machte, kämpfte Oscar Sauers edle, stille, ernste,
daß ihm das letzte Jahr im Deutschen Theater nicht angerechnet
Form wohnt, und daß ein bel
unendlich delikate Künstlerschaft mit allen Kräften darum, einem
wird; daß sich im neuen Hause alles wieder gut machen läßt. Er
Kunstwerk von Tolstoi zu sein,
Monomanen die pittoreske Seelenzerklüftung zu geben, die ihn
vergesse doch nicht, daß bis dahin sein längst erschüttertes Ansehen
Szenenbildern formt. — Freil
interessant machen konnte. Zum vollen Gelingen fehlte ihm am
daß Batailles mit normaler &
ganz geschwunden sein kann; daß er dicht auf den Fersen junge
Ende doch die dichterische Unterlage. Da war Bassermann besser
Werk einen kunstähnlichen Ein
Leute hat, deren Dekorationen schön und nachahmenswert, deren
dran, dem Arthur Schnitzler das Material zu einer bestimmten,
rische Schauspieler auf den Pl#
Tatkraft und Initiative aber noch schöner, wenn auch nicht so ohne
runden, originellen und intimen Menschenschöpfung geliefert hatte.
als Bataille. Im Lessingtheat
Weiteres zu kopieren sind. Diese Rivalen hätten für Rodenbachs
Sein „Puppenspieler“ ist am Morgen des Lebens ausgezogen
denen alles steht und fällt, der
„Trugbild“ bestens gedankt. Der kluge Kritiker Brahm hätte die
artigen Dilettanten und einer
wie Ulrik Brendel, mit der Fähigkeit, „wahrscheinlich“ „nächstens“
Aufführung dieser Schaurigkeit mit einer seiner Lieblingsbezeich¬
ofenbar zwei Neuerwerbun
ein epochemachendes Werk herauszugeben. Es hat auch bei ihm
nungen einen „Schwabenstreich“ genannt. Und hätte Recht gehabt.
Hofer, der auch fast alle wich
nicht gereicht, und er hat bald resigniert, um ei Erklärung für
„Trugbild“ hat auf dem Wege vom Buch auf die Bühne allen
probten Talentlosigkeiten spiele
seine Impotenz nicht verlegen. „Weshalb sollte ia, auch meine
Reiz und jeden Vorzug eingebüßt. Dort liegt das Hauptgewicht
schendarsteller, die er besitzt, abe
Ideale profanieren, wenn ich sie in Reinheit und für mich genießen
als ein Advokat Bataillescher
auf dem geheimnisvollen Zauber des toten Brügge, der Stadt, die
konnte?“ So hat er sich begnügt, die Alltäglichkeit zu dekorieren.
Kayßler, dessen starke rein
zur Hauptperson in Hugo Vianes Leben wird, „die ihren Einfluß
Er ist im Leben und zwischen den Menschen stehen geblieben: aber
vielleicht einen Hauch Tolstoif
geltend macht, abrät und befiehlt, und der er die Gründe zu allen
als der heimliche Herr; alle anderen sind seine Objekte, Akkumula¬
hatte die denkbar winzigste
seinen Handlungen entlehnt". Hieratisch traurige Geberden und
toren von Stimmungen, Instrumente zur Beleuchtung, zur Erheite¬
nicht verhindern konnte, daß e
klösterlicher Weihrauchduft sind die Wahrzeichen dieses seltsamen
Mitspieler überragte — nun,
rung, zur Verstimmung oder zur Rührung — seine Puppen. So
Gemeinwesens, dessen Herzschlag verstummt ist und dessen Toten¬
denkt er. In einem Falle aber erweist sich, daß er geschoben wurde,
stille der Totentrauer Hugos behagt. Eine umfangreiche Novelle
wo er zu schieben glaubte. Das sicht diesen Don Quixote nicht an.
ist nötig, um beides, Totenstille und Totentrauer, überzeugend zu
Er zieht weiter seine Straße, um keine Illusion ärmer. Uns bleibt
beleben. Der Einzelfall, eingesponnen zwischen Dämmerungen und
das bittere Gefühl, das Schnitzler erwecken wollte: der Unmöglich¬
Träumen, wird vollkommen glaubhaft und vollkommen poetisch.
keit, das menschliche Handeln zuverlässig zu beurteilen, da niemand!
Ein Mann mag das täuschende Ebenbild seiner unsäglich beklagten
die geheimen Motive noch die Tragweite einer Tat kennt. „Es
Gattin in einer Tänzerin finden und deren Sklave werden. Wenn
fallen die leidenden Menschen, blindlings von einer Stunde zur
aber eine Dichtung dramatisch werden soll, dann muß sie das Ein¬
andern, wie Wasser von Klippe zu Klippe geworfen, jahrlang ins
zelne zur „allgemeinen Weihe“ zu erheben trachten; dann muß sie
Ungewisse hinab“, könnte man der Studie als Motto geben, wärc sie
ihr Gefühl an einem Falle darstellen, der fähig ist, es allen mit¬ nicht zu anspruchslos und zu fragmentarisch für das herrliche Höl¬
zuteilen. Daran fehlt es hier. Hugos Sonderschicksal ist nicht derlin=Wort. Doch bei aller Abruptheit ist Schnitzler wieder Meister!