II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 2), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 21

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17.1. Der Puppenspieler

typisch interessant, nicht zu einer allgemeinen Angelegenheit ge= in der Abrundung und Zuspitzung seines bizarren Vorwurfs, in der
worden. Ausnahmefälle von Malheur aber gibt es schließlich in Sparsamkeit und Sicherheit seiner Diktion; ist er reich an blühen
und Musik.
noch raffinierterer Form. Sie lassen uns kalt und verschlossen, dem Detail, an feingeprägten Witzworten. Kein größerer Gegensatz
weil die Charakteristik an ihrer Singularität erkalten muß. Die als zwischen seiner bescheidenen, aber ausgefüllten Kunstform und
ist der erste Premièrenabend der neuen
allegorische Bedeutung scheint durch hohle, menschenunähnliche der leeren, geräuschvollen Monstrosität, durch die dem Deutschen
Blamage gediehen. Denn das ist es
Theater der erste Premièrenabend der neuen Spielzeit zu einer
Puppen; sogar die Natursymbolik wirkt im Drama konstruiert, weil
einfacher menschlicher Irrtum, einem
schweren Blamage gedieh.
S. J.
nur ihre äußeren Zeichen sichtbar werden und nicht ihr innerstes
bachs „Trugbild“ Bühnenmöglichkeit
Wesen. So wird alles verschoben, alles verfälscht, alles ver¬
Lessingtheater. Am Sonnabend war zu sehen eine szenische
kkeit zuzutrauen. Noch schlimmer wäre
Verunstaltung von Leo Tolstois großem Roman „Auferstehung!
künstelt. Die Fehler der bedenklich gewalttätigen Handlung
ß Herr Brahm sein eignes Urteil einer
ausgeführt von dem Franzosen A. Bataille, 5 Bilder mit alleß
schwellen im Rampenlicht an; die Menschen erhalten einen kräftigen
„belgischer Symbolismus“) geopfert
Rührungseffekten eines Kolportageromans, mit einer echten
Stich ins Ridicule und das Ganze wird statt eines Mysteriums ein
von Björnsons „Auf Storhove“ freilich
Marlittpsychologie, mit allem Ungeschmack und Ungeschick eines Vor
Hokuspokus, der nach Gebühr ausgelacht worden ist.
ge Jahre nicht gekannt hatte, um nach
stadtdematikers. — „Wie? — sagt Hr. Bataille
— so sprecheß
Sie einem großen Werke des großen Tolstoi?“ Nein, Herr
isere Kraft“ der wagemutigeren Kon¬
Die Darsteller standen in erstaunlich prächtigen Interieurs
Bataille, so spreche ich von Ihrem Werke, und dies Stück ist durch¬
ng wegzukapern — danach freilich darf
auf verlorenen Posten. Aber einer von ihnen rettete wenigstens,
aus Ihr Werk! Allerdings glaube ich Ihnen, daß Sie keine
sacrifizio dell intelletto von ihm ver¬
was zu retten war. Während Fräulein Trieschs kühle Virtuosität
Ahnung davon haben, daß die Seele eines Kunstwerks in seiner
niemandem warm machte, kämpfte Oscar Sauers edle, stille, ernste,
ch nicht zu arg. Er glaube doch nicht,
Form wohnt, und daß ein beliebiger Tatsachen=Stoff aufhört, ein
n Deutschen Theater nicht angerechnet
unendlich delikate Künstlerschaft mit allen Kräften darum, einem
Kunstwerk von Tolstoi zu sein, wenn Herr Bataille ihn in seinen
use alles wieder gut machen läßt. Er
Monomanen die pittoreske Seelenzerklüftung zu geben, die ihn
Szenenbildern formt. — Freilich muß trotzdem zugegeben werden,
dahin sein längst erschüttertes Ansehen
interessant machen konnte. Zum vollen Gelingen fehlte ihm am
daß Batailles mit normaler Handwerkergeschicklichkeit gezimmertes
Ende doch die dichterische Unterlage. Da war Bassermann besser
; daß er dicht auf den Fersen junge
Werk einen kunstähnlichen Eindruck machen könnte, wenn künstlen
rische Schauspieler auf den Plan träten, die Tolstoi näher ständen
dran, dem Arthur Schnitzler das Material zu einer bestimmten,
en schön und nachahmenswert, deren
als Bataille. Im Lessingtheater aber waren die zwei Rollen, mit
F noch schöner, wenn auch nicht so ohne
runden, originellen und intimen Menschenschöpfung geliefert hatte.
denen alles steht und fällt, der Fürst und die Dirne, einem bös¬
Sein „Puppenspieler“ ist am Morgen des Lebens ausgezogen
Diese Rivalen hätten für Rodenbachs
artigen Dilettanten und einer gutartigen Dilettantin anvertraut
wie Ulrik Brendel, mit der Fähigkeit, „wahrscheinlich“ „nächstens“
Der kluge Kritiker Brahm hätte die
ofenbar zwei Neuerwerbungen des sinnigen Herrn Neumann¬
ein epochemachendes Werk herauszugeben. Es hat auch bei ihm
keit mit einer seiner Lieblingsbezeich¬
Hofer, der auch fast alle wichtigeren Nebenrollen von seinen er¬
ich“ genannt. Und hätte Recht gehal
nicht gereicht, und er hat bald resigniert, um eine Erklärung für
probten Talentlosigkeiten spielen ließ, die beiden wirklichen Men¬
seine Impotenz nicht verlegen. „Weshalb sollte ich auch meine
Wege vom Buch auf die Bühne allen
schendarsteller, die er besitzt, aber so beschäftigte: Adolf Klein durfte
Ideale profanieren, wenn ich sie in Reinheit und für mich genießen
gebüßt. Dort liegt das Hauptgewicht
als ein Advokat Bataillescher Erfindung statieren, und Friedrich
konnte?“ So hat er sich begnügt, die Alltäglichkeit zu dekorieren.
kuber des toten Brügge, der Stadt, die
Kayßler, dessen starke reine Kunst dem Batailleschen Fürsten
vielleicht einen Hauch Tolstoischen Geistes hätte leihen können
Er ist im Leben und zwischen den Menschen stehen geblieben: aber
Pianes Leben wird, „die ihren Einfluß
hatte die denkbar winzigste Episodenrolle erhalten, was freilich
als der heimliche Herr; alle anderen sind seine Objekte, Akkumula¬
kfiehlt, und der er die Gründe zu allen
nicht verhindern konnte, daß er mit seinen wenigen Sätzen seine
toren von Stimmungen, Instrumente zur Beleuchtung, zur Erheite¬
Hieratisch traurige Geberden und
Mitspieler überragte — nun, etwa so wie Tolstoi Baiaille.:
rung, zur Verstimmung oder zur Rührung — seine Puppen. So
sind die Wahrzeichen dieses seltsamen
au 1
denkt er. In einem Falle aber erweist sich, daß er geschoben wurde,
chlag verstummt ist und dessen Toten¬
wo er zu schieben glaubte. Das sicht diesen Don Quixote nicht an.
s behagt. Eine umfangreiche Novelle
Er zieht weiter seine Straße, um keine Illusion ärmer. Uns bleibt
tille und Totentrauer, überzeugend zu
das bittere Gefühl, das Schnitzler erwecken wollte: der Unmöglich¬
gesponnen zwischen Dämmerungen und
keit, das menschliche Handeln zuverlässig zu beurteilen, da niemand
nglaubhaft und vollkommen poetisch.
die geheimen Motive noch die Tragweite einer Tat kennt. „Es
ande Ebenbild seiner unsäglich beklagten
fallen die leidenden Menschen, blindlings von einer Stunde zur
nden und deren Sklave werden. Wenn
ch werden soll, dann muß sie das Ein= andern, wie Wasser von Klippe zu Klippe geworfen, jahrlang ins
he“ zu erheben trachten; dann muß sie Ungewisse hinab“, könnte man der Studie als Motto geben, wärc sie
darstellen, der fähig ist, es allen mit= nicht zu anspruchslos und zu fragmentarisch für das herrliche Höl¬
hier. Hugos Sonderschicksal ist nicht derlin=Wort. Doch bei aller Abruptheit ist Schnitzler wieder Meister!