II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 2), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 70

17.1. Der Punnenspieler
nschonsten mouth erwartet wurde, aber doch gerade genug, um als
und gold= arger Friedensstörer gegenüber den altererbten, lieben
das Auge patriarchalischen Zuständen, wie sich ein Pobjedonoszew
en Lebens=] Grunde geht: Bei Hauptmann wird er erdrosselt, nach¬
Schlachzizen dem er seine Schuld gestanden. „Sie hat in deinen Armen
fragt Starschenski, und mit vorgeschriebenem
geruht?“
wvelche der
„unverhohlenem Triumph“ antwortet dieser armselige
mit unge¬
Dritte: „Ich habe gelebt.“ Er verrät die Geliebte ohne
denschaften,
besondere Nötigung, er ist ein widerlicher Held, der seinen
was raffi¬
Strick wohlverdiente. Dagegen wird Elga von Hauptmann
nach allem
begnadigt. Der alte Grillparzer erscheint uns hier als der
t die ganze
ungleich kühnere Dichter, er stößt seine Elga in den
ein halbes
tiefsten Abgrund der Schlechtigkeit, er macht eine Art
Haar und
Medea aus ihr, schildert sie als eine Mutter, die bereit
is mit ihren
wäre, ihr Kind zu töten, das Kind ihres Liebhabers, um
ichmal, als
das eigene Leben zu retten. Dort hinab wagt der jüngere
und Maeter¬
Dichter nicht mitzugehen. Die kühne Situation ersetzt er
Richtungen
durch ein kräftig Wörtlein. Nach vollbrachter Rache läß
jeher ein
Starschenski Töne der Versöhnung hören, aber Elga stößt
einkapselte,
ihn zurück. „Ich speie dich an,“ sagt sie, und der Vorhang
rschiedensten
fällt, und der Traum ist ausgeträumt, und der fremde
schließlich
Ritter erwacht und reitet wieder von dannen wie er g
at sich just
kommen, als ein Ueberzähliger der an die Handlung des
und dieser
Stückes auch nicht mit dem kleinen Finger rührte.
fierchen. Sie
he Kultur¬
Ein wunderlicher Zwiespalt wäre zwischen dem Stil
fernen Keime
der Dichtung und dem Stil der Darstellung nachzuweisen.
s Präparat
Die Dichtung ist ein verflogenes Stück Romantib, dem
man aber auf der Bühne vollen, nötigenfalls derben
eben bejaht,
Realismus einzuhauchen sich bemüht — ein Standpunkt,
en behauptet.
der sich verteidigen läßt. Herr Rittner (Starschenski)
trägt in der Kehke eine helle Trompete, die ihren Part
Stück, das
mit plastischer Deutlichkeit zu schmettern versteht. Mehr
geträumt. Der
oder weniger fehlen nur die Dämpfer, die abgetönten
träumt der
Klangfarben, die Uebergänge, das mezza voce. Dieser statt¬
er erzählt
Wortwieder= liche Mann mit der weitträgenden Stimme und der vollen
Mond kalk= Leiblichkeit ist auch im Sobieski=Kostüm kein Romantiker,
ein weites was ihn nicht hindert, die Rolle siegreich durchzuführen.
zigen Land Ihren schwierigsten Teil, das Entstehen des Verdachtes,
und dar= das Schwanken zwischen Gewißheit und Ungewißheit, die
e Weib war wütende Eifersucht, die furchtbare Entdeckung der Wahr¬
Traum tut heit zuletzt, dies alles, was in der Tat einen ganzen
enschenschädel Schauspieler erfordert, bewältigt er mit unleugbarer
an ihr zu 1 Meisterschaft, Ein Rest bleibt gleichwohl übrig, die letzten
box 22/6
u Pse e d. U-R
W
Wulaan
1
muß. Merkwürdig, wie sel
paar Schritte zur Vollkommenheit. Neben ihm behauptet
Unheimliche mit einer gewissen
sich auf gleicher Höhe Frau Irene Triesch, eine Künst¬
Arth
Das zeigt auch
lerin, an die man sich freilich erst gewöhnen muß. Ihre
„Puppenspieler“, der
Bühnensscherheit, der rasche Griff, womit sie aus der ge¬
Ein ganz kleines, dramatisch
gebenen Figur die bedeutsamen Züge hervorholt, nehmen
Akt, kein Stück, nur „eine Stu
sofort für sie ein, doch hin und wieder verdunkelt sich
doch in ihrer Kürze nicht oh
dieser erste gute Eindruck. Gegen diese Schauspielerin
seines hilflosen Aussehens
spricht vor allem ihre eigene Stimme. Sie klingt unge¬
den furchtbaren Menschen.
wöhnlich rauh, hie und da fast abstoßend, und hat nur
und rühmt sich einer geheime
Höhe und Tiefe, mehr Tiefe als Höhe, keine Mittellage,
licht, einen Menschen durch d
kein ausgleichendes Register. Doch die Dame besitzt Tem¬
ihn anzurühren. „Stirb!“
perament oder das, was auf der Bühne dafür gelten kann,
des Todes. Zum Glück mißb
sie weiß als Elga bald wie eine Katze zu schmeicheln, bald
genügt ihm, sie zu besitzen,
wie ein Tiger aufzuspringen, sie kann donnern. Dann
Leben hat ihm nichts mehr zu
wieder plötzlich ein Ton, der uns aus allen Himmeln
armer Teufel, eine der vielen sc
reißt, der aus dem wüsten Straßenlärm heraus, von irgend
einzige Freude bleibt, mit
einem Jahrmarkt herzuklingen scheint. Wir wiederholen,
die Puppen sind die Menst
man muß sich daran gewöhnen.
Das ist alles ziemlich dunk
Die Ausstattung ist sehenswert, die Kostüme von
schwerverständlich, und do
einer historischen Treue, die vermutlich jeder Konkurrenz
Liebenswürdigkeit. Herr 2
spottet. Man fühlt allenthalben eine kundige, geschmack¬
sonderbaren Kanz geradezu
volle Leitung, die Hand einer phantasiebegabten Regie.
nehmen Einfachheit, die eis
Etwas seltsam wird die Verbindung zwischen den einzelnen
verhüllt. Er versteht wie kei
Szenen hergestellt. Das eigentliche Traumbild besteht aus
gesprochenen, des beredsam
fünf solcher Szenen. Nach jeder schließt sich ein pech¬
beziehungsreichen Gebärde,
schwarzer Zwischenvorhang, und alsbald beginnt auch
Wortes, das einen ganzen 6
wieder hinter der Bühne der mitternächtliche Chor der
richtige Ton für dieses klein
Mönche, unter welchem der Ritter kurz vorher einge¬
scheinlichkeiten und halben
schlafen ist. Dieses Nocturnum zieht sich durch das ganze
einem schauerlichen Geheimn
Stück, die Fortdauer des Traumes bezeichnend. Sechsmal
Schleiers in die Hand gibt.
ertönt der trübselige Mollgesang, um sehr unsein mitten
und seine „Elga“. Da wird
im Takt abzureißen, sobald die Dekoration gestellt ist. Der
strichen, das Schwarze wonk
Pole Chopin hat ebenso wehmütige, aber um wieviel
und das Bedenkliche ist nu
zartere Notturnos gedichtet. Da schimmert wie dort der
beim Zuschauer oft des C
kalkbleiche Mond über Berg und Tal, und schöne junge
kung hervorbringen. Sech
Weiber gleiten vorüber, nach Pariser Schnitt gekleidet oder
nächtliche Messe singen, ihr
auch nach der neuesten Dichtermode ganz nackt, doch sie
genug — beim siebentenn
tanzen nicht auf Menschenschädeln, sondern schweben über
Biumen und Blüten, die ihnen schwesterlich lächeln, die um Rat und Hilfe anruf
ihnen das duftige Grab betten, wenn schon gestorben sein! Lachen gelernt hat.
0