II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 2), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 82

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oft er mit seinem Berliner künstlerischen Theater
nach Wien kommt. Diesmal bringt er reiche Schätze
mit. Brahm grüßte Wien durch den Mund eines
Wieners, denn das erste Wort hatte unser Arthur
Schnitler, dessen gedankenüppiger „Puppen¬
##reteste Vorstellung erfolgreich einleitete.
Den Georg Merklin, der sich vermißt, Schicksal zu
spielen, gibt Albert Bassermann mit einer „
wunderbaren Menschlichkeit, die wir bestaunen, als
ob Natürlichkeit Zauberei wäre. Rufe nach dem
Dichter wurden laut, der jedoch nicht erschien und
alle Ehren dem gefeierten Darsteller üverließ.
Und dann kam die zweite Gabe, die ja auch
wienerischer Provenienz ist. „Elga“ von Gerhart
[Hauptmann. So sagt schlankweg der Theater¬
zettel. Jede nähere Kennzeichnung fehlt. Und das ist
gut so, denn es handelt sich um kein eigentliches
Drama, sondern blos um eine dramatische Skizze,
die sich wie ein Entwurf zu einem Bühnen¬
werke ausnimmt. Aus Grillparzer's Novelle
„Das Kloster bei Sendomir“ hat der Dichter den
Stoff geholt, ohne dessen balladesken Charakter aus¬
zulöschen. In flüchtigen Scenenbildern spielt sich die
grausige Geschichte des Grafen Starschenski ab,
der an seinem ehebrecherischen Weibe furchtbare Rache
nimmt und dann als Klosterbruder Buße thut.
Die ganze Begebenheit, die in der Novelle der Mönch
dem fremden Ritter erzählt, läßt sich auf dem Theater
der Ritter im Traume einfallen! Er träumt mit Um¬
gehung der Traumpsychologie eine Geschichte, von der
er nie etwas gehört hat, und sieht Vorgänge,
mit denen seine eigene Person nicht verknüpft
ist. Wie anders im „Traum ein Leben“, wo der
Träumer selbst den Mittelpunkt der Ereignisse bildet.
Gerhart Hauptmann folgt der Novelle Schritt für
Schritt, nur manchmal tritt er ihr auf die Schleppe,
um einen Saum abzureißen und ihn rasch durch
einen poetischen Flicken zu ersetzen.
Der Dichter ist so liebenswürdig, der viel¬
verpönten Nachtkritik das Handwerk zu erleichtern.
Er läßt nämlich in der letzten Scene durch den
Mund des Hausverwallers die Handlung gewissen¬
haft erzählen. Kein noch so begabter Theaterreferent
macht ihm das nach. Man höre. „Es lebte vor alten
Zeiten ein treuer Mann und reicher Graf. Er lebte
für sich und in Frieden mit seiner erlauchten Mutter.
Endlich aber hing er sein Herz an ein Weib....
doch es war eine Grube voll Schlangen und
kein Weib. Sie log und betrog ihn, der redlich und
ohne Falschheit war. Sie verrieth ihn und über¬
schüttete ihn mit Schande.“ ... Auf die Frage, wo
sie das that, weist der Hausverwalter auf das Bett.
Auf diesem Bette liegt auch jetzt der Ehebrecher, aber
erschlagen von den Knechten des Grafen.
In der Novelle entrinnt der Ehebrecher, der
ein Feigling ist, der Rache des betrogenen Gatten.
Er springt durchs Fenster und kommt mit dem Leben
davon. Dafür wird bei Grillparzer die „Gräfin
getödtet, der Hauptmann kein Haar krümmen läßt.
Ein modernes Freudenweib, schreitet hier über
die Bretter, eine Art Iza, di
auch
eine
schöne Polin
ist.
Noch feucht von
den Küssen des Liebhabers, fliegt
ein die
Arme des Gatten, der in dieser Schlangengrube
einen Himmel voll Engel sieht. Er wird erst
allmählich zum Othello, nur mit mehr Berechtigung,
als sein schwarzes Vorbild. Und als er erkennt, daß
sein Kind dem Liebhaber aus dem Gesichte geschnitten
ist, läßt er die sündige Mutter leben und vollzieht
das Strafgericht an dem Ehebrecher.
Erst beim Morgengrauen fährt der Ritter
empor aus schweren Träumen und verläßt eiligst
das Kloster. Zwischen den einzelnen Traumbildern
hört man hinter einem schwarzen Vorhang den mittel¬
alterlichen Nachtgesang der Mönche gewissermaßen
als Zwischenactsklänge. Die triefende Romantik des
Dramas, für die ein Spiel à la Maeterlinck die rechte
Eignung hätte, fand eine realistische Darstellung.
Wenn man sich mit dieser Stylwidrigkeit befreundet
hatte, konnte man an Rittner, trotz seines neu¬
rasthenischen Gelächters viel Frende haben, des¬
gleichen an Frau Triesch, obgleich die messerscharfe
Sprechweise dieser Tragodin in Wien erst geneigte
Ohren finden muß. Das Publicum rief zum Schlusse
die Darsteller jubelnd vor die Rampe. Rittner wurde
ganz besonders ausgezeichnet. Mich aber ließ die
ganze Geschichte kalt. Wäre nicht Grillparzer der
Vater und Hauptmann der Pathe, ich beginge die
Respectlosigkeit, den grauenvollen Traum in die
Lotterie zu setzen.
unterhalten sich eine M
in der sie sich kurz vorher brillant unterhalten haben, der Be¬
amte erkundigt sich bei dem Manne auch um dessen Schwester, der
er den Hof macht, und als sie sich schließlich nichts mehr zu
sagen wissen, verlangte jener seinen Ge.dbrief. Da ändert der
Postbeamte sofort den Ton: „Bitte, haben Sie Ausweispapiere
bei sich?“ Der Mann ist starr. „Sie kennen mich doch sehr
gut!“ „Ja, aber nur als Privatmann. Hier aber bin ich Be¬
amter!“ So ungefähr entwickelte sich die Geschichte, es kommt zu
einem aufgeregten Streit und der Manu muß schließlich ohne
seinen Geldbrief abziehen.
An diese beißende Satire erinnert das Erscheinen des Herrn
Ritter bei dem Kassier, von dem er seine Bezüge holen wollte.
Der Kassier war sehr erfreut, aber — er bedauerte, dem Künstler
sein Ersuchen abschlagen zu müssen. „Wir kennen Sie allerdings,
aber Sie müssen eine Bestätigung aus Ihrem Pfarrsprengel mit¬
bringen, daß Sie noch am Leben sind!“ Herr Ritter fand das
natürlich sehr drollig, doch die heitere Auffassung der Situation
nützte ihm nichts. Vorschrift bleibt Vorschrift. Ohne Bestätigung der
Pfarre, daß der p. p. Ritter noch frisch und gesund sei und die
Bezüge weiter zu erhalten habe, durfte ihm nichts ausgezahlt
werden. Der Künstler mußte sich bescheiden; er lebt wohl, aber
das gilt nicht, solange es nicht auch offiziell ausdrücklich
konstatiert ist.
Daß fremde Stücke ins Deutsche übertragen und aufgeführt
werden, ist von jeher gang und gäbe. Es ist sogar schon vor¬
gekommen, daß beispielsweise ein deutsches Stück ins Französische
übersetzt war, dann zurückübersetzt wurde und nun erst hierzulande
auf der Bühne erschien. Aber es gibt noch kuriosere Dinge.
Direktor Karczag entsann sich eines Tages, daß er in seinen
Jugendjahren in einem ungarischen Theater ein Stück von
O. F. Berg gesehen habe, das ihm damals außerordentlich gefiel.
Es führte den Titel „Ein Wort an den Reichsrat“, und dem
Direktor wollte scheinen, daß die Sache momentan recht aktuell
und einer Auffrischung wert sei. Er begann nun die Nach¬
forschungen nach dem Manuskript, aber es konnte nirgendwo
entdeckt werden. Nuc das eine konnte man er¬
fahren: Das Stück wurde seinerzeit von der Zensur
verboten. Da nun gewöhnlich bei der Behörde die Manuskripte
der verbotenen Stücke zurückbehalten werden, wendete sich Herr
Karczag an den Zensor. Aber auch der konnte ihm keine Aus¬
kunft erteilen. Da setzte sich der Direktor hin und schrieb nach
Debreczin an das dortige Theater, man möge im Archiv Nachschau
halten. Wohl sind schon einige Dezennien seit der ersten Auf¬
führung verstrichen, aber schließlich wurde das Manuskript doch
ans Tageslicht gefördert. Herr Karczag war selig; ließ das
wienerische Stück aus dem Ungarischen übersetzen und hält es nun
bereit, um gelegentlich seine Bühnenwirkung zu exproben.
So haben auch Bühnenwerke die merkwytdigsten Schicksale.
„Elga.“
(Nokturkus von Gerhart Hauptmann. Vom Ensemble des Berliner
Lessing Theaters im Theater an der Wien zum erstenmale aufgeführt
am 4. Mai. — Vorher: „Der Puppenspieler, Studie in
einem Akt von Artur Schnitzler.)
Der Eröffnungsabend ständ unter keinem glücklichen Stern.
Das Publikum wollte sich nicht erwärmen.
Das Gesamtgastspiel des unter der Leitung des Dr. Otto
1 Brahm stehenden Berliner Lessing=Theaters begann gestern mit
Gerhart Hauptmanns „Elga“. Es war im doppelten Sinne eine
Wiener Première, denn Stoff, Gliederung und Vortrag gehören
zum literarischen Eigentum unserer Scholle. „Den Szenen, die
im Jahre 1896 geschrieben sind, liegt eine Novelle Grillparzers
zugrunde,“ erklärt der schlesische Dichter in der Buchausgabe der
sechs Szenen. Er hätte sie getrost als eine Dialogisierung der
Grillparzerschen Schauergeschichte „Das Kloster bei Sendomir.
Nach einer als wahr überlieferten Begebenheit" bezeichnen können.
Die Figuren sind samt ihrer Eigenart getreulich übernommen
und nur um die Mutter des Grafen Starschenski
vermehrt; die Ehebruchstragödie entwickelt sich genau
n
der von Grillparzer „vorgeschriebenen“ Weise
in
u
die
im Stücke nicht
##ersticht der betrogene Graf
von ihm zum Wohlleben emporgehobene Tochter des verkrachten
Starosten von Laschek, sondern er läßt Oginski, den ritterlichen Jugend¬
gespielen und Geliebten seiner Frau, im Bette des Turmgemaches