II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 2), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 90

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17. 1. Der Punpenspieler
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(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
ches Weiksblatt,Wien
6-MRL 10 10
vom:

Theater, Kunst und Literatur.
Theater an der Wien. Gestern hat an dieser Bühne
ein Gesamtgastspiel des Lessing=Theaters begonnen. Für
die Eröffnungsvorstellung hatte sich das Berliner Ensemble
zwei Stücke gewählt, die für das Wiener Publikum Novitäten
sind, die aber in den Theaterbriefen unseres Korrespondenten
seinerzeit schon eine eingehende Besprechung gefunden haben,
so daß wir auf eine Erzählung der Handlung verzichten
können. Der Abend wurde eingeleitet durch eine einaktige
„Studie“ Artur Schnitzlexs die sich „Der Puppenspieler“
betitelt. Das ##ei recht unerquickliche Sache, mit der
weder die Darsteller noch die Zuhörer etwas Rechtes an¬
zufangen wissen. Das Ganze ist in jenem gewaltsam geist¬
reichelnden Tone gehalten, in dem in gewissen Literatur¬
kaffeehäusern nach der Jaufe die Konversation geführt
zu werden pflegt. Wenn wir Herrn Schnitzler
recht verstanden haben, will er mit seiner ganz
undramatischen Auseinandersetzung beweisen, daß mancher
glaubt, die Fäden in der Hand zu haben und die Schicksale
anderer zu lenken, während er, ohne es zu wissen, selbst
gelenkt wird. Um diese gar zu alltägliche Wahrheit etwas
interessanter zu machen, hat der Autor etwas Hypnotismus
und Suggestion als Ingredienzien verwendet, aber es hat
ihm nicht viel genützt. Auch die Art, in der die Kleinigkeit
gespielt wurde, konnte uns nicht imponieren. Herr Basser¬
mann gab den „Puppenspieler“ Er ließ uns allzu viel
von dem Mechanismus seiner Kunst sehen, als daß wir ihm
seinen forcierten Naturalismus hätten glauben können.
Den größeren Teil des Abends nahm ein „Nocturno“ von
Gerhart Hauptmann in Anspruch, das eine Dramati¬
sierung der Grillparzerschen Novelle „Das Kloster
von Sendomir“ ist und sich nach der weiblichen Hauptgestalt
der
Erzählung „Elga“
betitelt.
Die
Schicksale
des Grafen Starschenski,
der,
nachdem er in
seiner anfänglich
so
glücklich
scheinenden Ehe
die grausamsten Enttäuschungen erlitten und sich an dem
Schuldigen gerächt hat, in dem Kloster, das er auf seinem
einstigen Besitztum errichtete, selbst als dienender Mönch
Zuflucht sucht, werden uns als Traumbilder vorgeführt,
die einem Ritter erscheinen, der just in jenem Gemache des
Klosters übernachtet, in dem sich der Schlußakt der Star¬
schenskischen Familientragödie abgespielt hat. Die Ver¬
bindung zwischen den einzelnen Bildern ist der Gesang der
zur nächtlichen Trauermesse versammelten Mönche. Das
Werk interessierte, lehnt es sich doch an die Schöpfung eines
wirklichen Dichters an, und Hauptmann hat sich in
seiner Bearbeitung bemüht, die Pflicht der Pietät nicht zu
verletzen. Inszenierung und Darstellung von „Elga“ ver¬
dienen Lob. Irene Triesch, welche die Titelrolle gab,
ist freilich nur eine routinierte Schauspielerin, es fehlt
ihr le#der alles, dessen sie gerade in dieser Rolle an äußeren
Mitteln bedürfen würde. Der „Graf Starschenski“ des Herrn
Rittner ist aber uneingeschränkter Anerkennung würdig.
In den übrigen Rollen sind noch die Herren Neuß, Marr,
Reicher, Stieber und Forest zu nennen.
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