II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 2), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 95

17.1. Der Puppenspieler box 22/6
Liebliches davon auf. Immergrün und ohne sonderlichen Geist, — doch
lieblich. Der Inhalt, daß ein Mädelchen mehr zu einem zehnten Se¬
mester denn zu einem neunzigsten Semester paßt: paradox ist dieser Inhalt
nicht ... Aber das bildet gar nicht den Inhalt, sondern: allgemein eine blöd¬
ernst gaukelnde Jugend; der krudelschöne Sommer; die heitere Gloria; die
frischen Kränze; die duftende Magie; und die schlimmen (aber nicht allzu¬
schlimmen) Sterne. Dieser Inhalt klingt fort in mir wie . .. etwa nach
einem Gewitter, wenn man auf dem Balkon sieht, der Schall zweier unten
dahinplaudernder Mädel, aus Süddeutschland. (So ist es.) Hochzeit, Tor¬
heit, völkische Menschlichkeit. Mir sind eigentlich diese Personen garnichts.
Etwas doch: ein Schmuck und eine kleine Drolligkeit für mein Leben. So ge¬
wiß mich ihnen gleichzustellen ich ermangle ... Hochzeit, Torheit, Sommer,
komische Wichtigkeiten — und alles das nimmt gar kein Ende; drollig immer noch
etwas und umständlich immer noch etwas zugefügt. Der Strauß richtet sich
häuslich ein auf der Bühne; der erzählt ruhig immer weiter ... (dacht ich).
Anmutend ist es, — im Leben mehr als im Theater. Wettzumachen durch An¬
derung der Proportion. (Man setzt keinen Knauf auf eine Säule, der
zwei Drittel so groß isi wie sie.) Zu gedenken ist der Schauspielerin Else
Heims, welche die grüne Gattin war: und hier in den Kreis deutscher
Künsilerinnen, ziemlich nach vorn, unablenklich und schnurgerad hinein¬
marschiert ist.
Weiter, junge Leute. Bab. „Der Andere“. Was mir heute davon vor¬
schwebt, ist ein Gesius: wie der Mann, der Getretene, sich plötzlich die Er¬
—!“ und
füllung nimmt und hinterher allen Beteiligten zuruft: „
abzieht. Das isi der hoffnungsvolle Moment. Aber nur ein Gesius: weil
die Getretenheit etwas überzeugungslos begründet war. Die dramatis personae
machen sämtlich Gesten. Feine Flickarbeit. Bewußte Verse — mit einem
dramatischen Punkt. Ein Anfang ... Vollmöllers Catherina von Armagnac.
Was lebt im Sommer davon? Ein Kopf auf dem Sims; aber ein Dramen¬
profil auch. Vollmöller hat (manchmal) das Geheimnis des Baues. Wenn bei
J. Bab die Erfüllung des Getretenen der dramatisch wertvolle Punkt ist: so liegt er
beim Vollmöller in der Überraschung, wie nämlich ein Statistenliebhaber, hintere
Garnitur, plötzlich Erster wird. In manchem Werk junger Leute will ich einen
solchen dramatischen Punkt aufzeigen wie bei Vollmöller und Bab; doch wer schreibt
ein Stück aus ihren Punkten? . .. Es müßte nicht schlecht sein . .. Vollmöllers
Verse: wie ein holprig stolpriger Weg durch ein wunderhübsches Tal. Trauer
der Anmut. Ein bißchen schwarze Holdheit. Ein leichtfüßig=ungeduldiger
Dichter, doch ein Dichter . .. Ulrich, den Fürsten von Waldeck, stieß Eulenberg
vor das Parkett. Ich befand mich damals in einer Gegend, wo Kaffee wächst
und Zucker, auch Pfeffer, und lag an einem kohlrabennachtpechschwarzen
Lavastrand vor etwas Blauem, Brüllendem. Ich las hinterher das Buch.
Bei Eulenburg ist der dramatische Punkt . .. eine Linie. Nämlich das Fehlen
I29