17.1. Der Puppenspieler box 22//6
solcher ... und das Vorhandensein vieler geeigneten. Timon von Waldeck.
Ein tragödienschlichter Bilderbogen. Worin liegt Eulenbergs Art? Drama¬
tisierte Volksbücher: von einem, der eben halt gescheiter ist ...
Wo liegt der dramatische Punkt bei dem jungen Mann Apel; Autor von
„Liebe“, diesem Ulk zwischen Komik und Humor? In dem jungen Menschen,
der alles glaubt; und in der Brücke zu seinem Widerspieler: einem Hosensteg
mit Bartbinde. Im Nebeneinander des Animalikers und des Beseelten. Was
mir davon im Sommer bleibt, ist etwan eine Dienstmagd auf dem Pfühl,
und der Animaliker spricht zu ihr: „Quatsch keene Oper!“ (Der Natu¬
ralismus hat noch seine Meriten.)
Der junge Mann und Nachwuchs Hermann Bahr, als er die „Gelbe
Nachtigall“ schrieb, verlegte den Punkt in eine, nur in eine Gesialt:
des Theaterdirektors. Warum ist sie nicht aufzubewahren! von dem
Stück loszulösen! und wieder zu gebrauchen! . .. Vom Sonstigen ist nur
wertvoll ein Szenenaufbau gegen den Schluß. Im letzten Akt nämlich so
ein crescendo; so ein Gewitter, so ein Tohuwabohn und (weiß der Leser
Bescheid?) so ein Abebben, diminuendo, zuletzt gar bloß noch verhallende Solo¬
stimmen ... Nicht ein Atom eigen; ganz theaterliterarisch; aber glänzend
und sicher gebaut. Hier ist der zweite zu konservierende Punkt,
wenn es nicht ein konservierter Punkt wäre. Jedenfalls: der Theater¬
direktor. Ein sommerlicher Bestand: wie er Napoleons Wendung „Das
Wort „unmöglich sieht nicht in meinem Lexikon“ umkrempelt, etwa so:
„Wie heißt, ich kann nicht? Warum kann ich nicht? Wenn sie mir —
da soll ich nicht können? Warum kann ich nicht? Wollen sehen, ob ich
nicht kann!“ Ungefähr; nachschlagen will ich nicht. Zum Umwerfen.
Übrigens ist der „Punkt“ nur in solchem Zierrat von Worten; ein Mensch ist
der Direktor nicht. Eine köstliche Figur. Aber, Nachwuchs, warum nicht
hundert Aufführungen? Darum: weil plötzlich etwas für allzuschwache Zuschauer
hineingearbeitet ist. So eine Geschichte mit einer vorgetäuschten Japanerin,
zweitens mit einem Automobil; deren Fadheit niemanden angeht. Bahr schraubt
sich, inmitten reichen Glitzerns, gewaltsam herab, denn er geht auf Erfolg.
Er will nicht auf ein besonders gescheites Publikum rechnen: doch er darf
nicht auf ein besonders dummes (in Norddeutschland) rechnen. Darum nicht
hundert Aufführungen ... Endlich: Was er nicht für die Leute macht,
sondern aus dem Innern, das isi: Mimenleben. Immer Mimenleben. Er
gibt aber (nicht?) mehr den Umriß (so das Merkwürdige der Laufbahn) als
die Exaktheiten ihrer Seele. Mich würden sie dann erst fesseln. Wir pfeifen,
auf die Dramatisierung von „Seht das krause Theatervölkchen, nein, dies
Theatervölkchen!“ Wir pfiffen aber nicht auf das Festhalten bestürzend wahrer
Züge.
Dramaturgenrat: Er tilge die Japanerin; hernach das Automobil: und er
kann ein witziges, lustiges, glänzendes Theaterstück haben. Ich spreche con
1926
solcher ... und das Vorhandensein vieler geeigneten. Timon von Waldeck.
Ein tragödienschlichter Bilderbogen. Worin liegt Eulenbergs Art? Drama¬
tisierte Volksbücher: von einem, der eben halt gescheiter ist ...
Wo liegt der dramatische Punkt bei dem jungen Mann Apel; Autor von
„Liebe“, diesem Ulk zwischen Komik und Humor? In dem jungen Menschen,
der alles glaubt; und in der Brücke zu seinem Widerspieler: einem Hosensteg
mit Bartbinde. Im Nebeneinander des Animalikers und des Beseelten. Was
mir davon im Sommer bleibt, ist etwan eine Dienstmagd auf dem Pfühl,
und der Animaliker spricht zu ihr: „Quatsch keene Oper!“ (Der Natu¬
ralismus hat noch seine Meriten.)
Der junge Mann und Nachwuchs Hermann Bahr, als er die „Gelbe
Nachtigall“ schrieb, verlegte den Punkt in eine, nur in eine Gesialt:
des Theaterdirektors. Warum ist sie nicht aufzubewahren! von dem
Stück loszulösen! und wieder zu gebrauchen! . .. Vom Sonstigen ist nur
wertvoll ein Szenenaufbau gegen den Schluß. Im letzten Akt nämlich so
ein crescendo; so ein Gewitter, so ein Tohuwabohn und (weiß der Leser
Bescheid?) so ein Abebben, diminuendo, zuletzt gar bloß noch verhallende Solo¬
stimmen ... Nicht ein Atom eigen; ganz theaterliterarisch; aber glänzend
und sicher gebaut. Hier ist der zweite zu konservierende Punkt,
wenn es nicht ein konservierter Punkt wäre. Jedenfalls: der Theater¬
direktor. Ein sommerlicher Bestand: wie er Napoleons Wendung „Das
Wort „unmöglich sieht nicht in meinem Lexikon“ umkrempelt, etwa so:
„Wie heißt, ich kann nicht? Warum kann ich nicht? Wenn sie mir —
da soll ich nicht können? Warum kann ich nicht? Wollen sehen, ob ich
nicht kann!“ Ungefähr; nachschlagen will ich nicht. Zum Umwerfen.
Übrigens ist der „Punkt“ nur in solchem Zierrat von Worten; ein Mensch ist
der Direktor nicht. Eine köstliche Figur. Aber, Nachwuchs, warum nicht
hundert Aufführungen? Darum: weil plötzlich etwas für allzuschwache Zuschauer
hineingearbeitet ist. So eine Geschichte mit einer vorgetäuschten Japanerin,
zweitens mit einem Automobil; deren Fadheit niemanden angeht. Bahr schraubt
sich, inmitten reichen Glitzerns, gewaltsam herab, denn er geht auf Erfolg.
Er will nicht auf ein besonders gescheites Publikum rechnen: doch er darf
nicht auf ein besonders dummes (in Norddeutschland) rechnen. Darum nicht
hundert Aufführungen ... Endlich: Was er nicht für die Leute macht,
sondern aus dem Innern, das isi: Mimenleben. Immer Mimenleben. Er
gibt aber (nicht?) mehr den Umriß (so das Merkwürdige der Laufbahn) als
die Exaktheiten ihrer Seele. Mich würden sie dann erst fesseln. Wir pfeifen,
auf die Dramatisierung von „Seht das krause Theatervölkchen, nein, dies
Theatervölkchen!“ Wir pfiffen aber nicht auf das Festhalten bestürzend wahrer
Züge.
Dramaturgenrat: Er tilge die Japanerin; hernach das Automobil: und er
kann ein witziges, lustiges, glänzendes Theaterstück haben. Ich spreche con
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