II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 2), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 128

17.1. Der Puppenspieler box 22/6
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(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
211001911
vom:
chner Zeitung
Kleines Feuilleton,
R. B. (Schauspielhaus.) Ein sonderbarer Abend,
gestern im Schauspielhaus. Zur Einleitung eine
Erstaufführung: Arthur Schnitzlers einaltige
Studie „Der Puppenspirber., die wir schon vor
zwei Jahren im Volkstheater gelegentlich eines
Bassermanngastspiels gesehen haben. Das Ganze
ohne eigentliche Handlung, nur Dialog, sehr wiene¬
risch, ein hübsches Nichts mit viel Stimmung und Ge¬
müt. Als Hauptperson ein vagabundierender alter
Dichter, der mit den Menschen wie mit Puppen zu
spielen glaubte und dabei nicht merkte, daß er selbst
Puppe in der Hand des Schicksals war. Von Herrn
Peppler in guter. Maske und mit feiner Ueber¬
legenheit gespielt. Und ihm zur Seite Herr Wal¬
dau, der Schnitzlerspieler, wie er im Buche steht, und
Frau Gerhäuser, von der man mit Vergnügen
gemerkte, daß sie noch lebt, was man gern öfter und
kräftiger beiont sehen möchte. Dann gab es, als
Kleist=Feier, den „Zerbrochenen Krug“.
Kleistfeier? Im Schauspielhaus? Ich zerbreche mir
noch immer nicht den Krug, aber den Kopf, was die
beiden eigentlich mit einander zu tun haben mögen.
Vielleicht bring' ich's gelegentlich heraus, und dann
werde ich das Resultat meines Nachdenkens sofortk
veröffentlichen. Unterdessen würde es mich nicht
wundern, wenn das Gärtnertheater eine Mahlerfeier
ankündigte. Dasselbe Recht hätte es dazu ....
Die
Aufführung — nun ja, man weiß ja, wie klassische
Verse sich im Schauspielhaus zumeist ausnehmen. Die
Darsteller können ja nichts dafür, daß dieser zer¬
brochene Krug mehr gekleistert als kleistisch war. Aber
was innerhalb der Möglichkeitsgrenzen zu machen
war, das ist geschehen. Herr Siegfried Raabe
stellte einen sehr originellen, derben Dorfrichter, der
Gerhard Hauptmann gelesen hatte, auf zwei ungleiche
Beine, und auch die Herren Burghardt und von
Duniecki und die Damen L. Fischer, Ruf,
Prasch=Grevenberg, Zunzer, Stein¬
brecher bemühten sich sehr, kleistisch zu sein, wel¬
chem Ideal eigentlich nur Herr Steiner als Ge¬
richtsrat nahe kam. Das Publikum amüsierte sich
gut und zeigte sich äußerst danlbar ... Und dann
kam das Sonderbarste: Frank Wedekind hielt
eine Gedächtnisrede auf Kleist! Wedekind und Kleist?
Auch das Geheimnis dieses Zusammenhangs errät
wohl niemand. Wedekind erriet es: er erkannte in
Kleist einen Schicksalsgenossen, einen Verkannten und
ebenfalls Unaufgeführten, dessen Stücke alle dem
Staatsanwalt verfielen, wenn sie heute geschrieben
würden. Und so hielt Wedekind eine Rede über Kleist,
wobei er sich meinte, und über den Staatsanwalt und
die Zensur, wobei er natürlich erst recht sich meinte.
Und aus der Rede über Kleist wurde eine Rede über
Wedekind, von Wedelind, für Wedelind. Was aller¬
dings Wissende nicht anders erwartet haben. Aber
sonderbar war's doch, höchst sonderbar ....
n

literarischen Ansprück
Thegter und Musitz.
durch den tiefer gearb
gespielten und von Frä
2# Bremer Stadttheater. 77042.
Schneeweiß als Oboespi
Artbur Schnitzler ist ein feiner, aber resignierter Einfachheit sekundierten
und sleplischeobachter; er ist Arzt und Dichter.
enttäuscht zu werden.
Als Arzt erkannte er, daß die Gesundheit des Menschen, vier Stückchen der wei
auch seine seelische und moralische, nur eine relative ist. eine seine, etwas schm
Alles ist nur relativ. Eine absolute Moral gibt es also von Haus aus lyrisch g
nicht. Die oft etwas müde Blasiertheit seiner Wiener
aus, der vermöge seine
Lebewelt ist also auch nicht ohne ihre eigene Moral.
seine Bühne und die
So dichtete er die von feinen, lyrisch=melancholischen
puppen behandeln zu
Schleiern umsponnene Zwischenwelt seiner Liebeleien,
erfahren muß, daß er
aus denen Ernst wird. (Liebelei; das Vermächtnis.)
Drahtpuppe seiner
Das war die Welt der besseren süßen Mädels, die auch
hält er an der
bitter werden können. Aber ein Aufdecker tiefer, seine Freunde bestärke
sozieller Schäden, die das Gesellschaftsleben vergiften, Illusion sein Leben z
Mnd gar ein Führer aus dem Labyrinth verworrener
deutung einer tiefen I
Triebe in reinere klarere Sphären des Erkennens und unserer Lebensillusion
Lebens, wie es Ibsen war, ist er nicht. Zumal seine Hialmar Ekdal, und
letzten Arbeiten sind nur noch Studien, interessante Relling. Aber die fru
documents humains, wie die Anatole=Szenen, die
aus den Extremen eine
Lebendigen Stunden; die zusammenfassende große Arbeit
Zukunft zu gewinnen
des in die Zukunft führenden Dichters steht bei Schnitzler
Wiener Dichters Sache
immer noch aus. Der Einsame Weg, zuletzt das
neue Lebensmöglichkeite
Zwischenspiel und das dichterisch bedeutendste Drama
Zusammenfassung alle
Schnitzlers, der Schleier der Beatrice, waren auch nur
Kraft des Glaubens
Versuche dazu, keine Erfüllungen. So muß man sich mit
entwickelnden Menscheng
seinen Skizzen und Studien beguügen. Es sind fast lauter
Individuum und Welt
Frauenstudien, die jungen Lebemänner, welche nebenher= Dieser Glaube fehlt Sch
laufen, sind immer dieselben, ob sie nun Anatole, Fritz,dichterisch objektivste und
Gilbert oder Clemens heißen. Die vier vorgestern bei der vier Stücke, „Der
uns aufgeführten Studien sind nun wenigstens geschickt des leichtfertigen Après
ausgewählt und kunstvoll nach dem Rezept des Goetheschen wenigstens den Mut ha
Schauspieldirektors gruppiert. Ganz raffiniert wird der weiterzuführen. Es i
Zuschauer durch die Frage an das Schicksal, den Hauch der groß
eine gewöhnliche allzu leichtfertig hingeworfene Mädel-objektiv wiedergebende
geschichte im Stile des Abschiedssoupers, nur viel gedankens von 1789.
weniger amüsant als dieses, auf ein Mindestmaß anlglänzend geschliffenen