II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 2), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 129

17.1. Der Punpenspieler box 22/6

literarischen Ansprüchen herabgestimmt, um dann Szenen benutzt er zugleich mit faszinierender Wirkung
Chegter und Musitz.
durch den tiefer gearbeiteten (von Herrn Graumann das Spiel des Lebens, das so oft aus leichtfertigem
gespielten und von Fräulein Lorenz als Anna und Herrn Scherz den blutigsten Ernst macht. Der Akt schildert
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Bremer Stadttheater.7042.
Schneeweiß als Oboespieler vortrefflich und mit rührender
den Zusammenbruch des alten autokratischen Regimes,
Schnitzler ist ein feiner, aber resignierter Einfachheit sekundierten) Puppenspieler angenehm
wie er in den Nachmittagsstunden des 14. Juli 1789
obachter; er ist Arzt und Dichter.
enttäuscht zu werden. Dieser Puppenspieler ist von den vor sich ging: Das Einläuten der Revolutionsjahre in
rzt erkannte er, daß die Gesundheit des Menschen,
vier Stückchen der weitaus echteste Schnitzler. Es geht
einem Komödiantenkeller in Paris. Den Abend erleben
ine seelische und moralische, nur eine relative ist. eine seine, etwas schmerzliche Resianation von einem
wir, aber den folgenden Tag nicht. Überall läßt
ist nur relativ. Eine absolute Moral gibt es alsol von Haus aus lyrisch gestimmten, hochfliegenden Idealisten Schitzler uns vor der Frage stehen: Was wird nun?
Die oft etwas müde Blasiertheit seiner Wiener
aus, der vermöge seiner Suggestionskraft die Welt als Für das große Werk der Zukunft fehlt ihm ehen die
Elt ist also auch nicht ohne ihre eigene Moral.
seine Bühne und die Mitmenschen als seine Draht= Kraft und der Glaube an sich und die Menschen. Fein¬
ichtete er die von feinen, lyrisch=melancholischen
puppen behandeln zu können glaubt, schließlich aber
sinnig und mit philosophischem Witz das Leben genießen,
rn umsponnene Zwischenwelt seiner Liebeleien,
erfahren muß, daß er selber mindestens ebenso sehr die
und wenn es ausgepreßt, es ohne viel Bedauern fort¬
enen Ernst wird. (Liebelei; das Vermächtnis.)
Drahtpuppe seiner Autosuggestion ist. Trotzdem
wersen, das
ist seine Maxime. Daher ist
sein
ar die Welt der besseren süßen Mädels, die auch
hält er an der Illusion seines Lebens fest und Rat: carpe diom! Benutze den Tag. Das tut
werden können. Aber ein Aufdecker tiefer,
seine Freunde bestärken ihn darin, weil ohne diese
er am ungeniertesten und mit frischem Behagen in
Schäden, die das Gesellschaftsleben vergiften,
Illusion sein Leben zusammenbräche. Das ist die An- dem für den Geschmack des großen Publikums
ar ein Führer aus dem Labyrinth verworrener
deutung einer tiefen Idee, etwas von der Notwendigkeit sicher am erfolgreichsten, in O. E. Hartlebens Manier,
e in reinere klarere Sphären des Erkennens und
unserer Lebensillusionen, Ideale nennt sie Ibsens aber ohne Hartlebens bitteren Sarkasmus, flott und
, wie es Ibsen war, ist er nicht. Zumal seine Hjalmar Ekdal, und plumpe Lügen der brutale Arzt lustig hingeworfenen kleinen satirischen Lustspiel:
Arbeiten sind nur noch Studien, interessante Relling. Aber die fruchtbare Idee Jauszugestalten und[Literatur. Hier wird der Gegensatz eines albernen
ents humains, wie die Anatole=Szenen, die
aus den Extremen eine mittlere Proportionale für die
adligen Rennbahnfexen zu einer sehr freigeistigen jungen
igen Stunden; die zusammenfassende große Arbeit
Zukunft zu gewinnen, das ist nicht des skeptischen
Schriftstellerin etwas gewaltsam zum Gegensatz zwischen
die Zukunft führenden Dichters steht bei Schnitzler Wiener Dichters Sache. Um aus dem Zusammenbruch adligem Banausentum und literarischer Bohème=Genialität
noch aus. Der Einsame Weg, zuletzt das neue Lebensmöglichkeiten zu sammeln, dazu gehört die verallgemeinert. Nur ein sehr flottes und geistreiches
enspiel und das dichterisch bedeutendste Dre aj Zusammenfassung aller unserer idealen Kräfte, die Spiel (Frl. Baumbach als Schriftstellerin, Herr Grau¬
lers, der Schleier der Beatrice, waren auch ir Kraft des Glaubens an die Zukunft des sich aufwärts mann als jovialer Münchener Bohémien und Herr
e dazu, keine Erfüllungen. So muß man sich nit
entwickelnden Menschengeschlechts, dem Gott und Mensch, Pichler als alberner Jockey von Adel) hielten die Posse
Skizzen und Studien beguügen. Es sind fast lauter
Individuum und Welt als eine unlösbare Einheit gilt. in Atem und die Lacher außer Atem. Dagegen
studien, die jungen Lebemänner, welche nebenher¬
Dieser Glaube fehlt Schnitzler. So bleibt ihm auch das wurde die in der Aufführung gleich zu Beginn viel zu
sind immer dieselben, ob sie nun Anatole, Fritz, dichterisch objektivste und dramatisch weitaus bedeutendste
laut und in ihrem glänzenden Crescendo nicht entfernt
toder Clemens heißen. Die vier vorgestern beil der vier Stücke, „Der grüne Kakadu“, eine Illustration
klar und scharf genug vorgetragene Revolutionsgroteske
fgeführten Studien sind nun wenigstens geschicktl des leichtfertigen Après nous le déluge; nur daß er
nur durch die urwüchsige eigene dramatische Kraft ge¬
bählt und kunstvoll nach dem Rezept des Goetheschen wenigstens den Muk hat, es bis zum Voilà le déluge!
tragen. Hier verlangt jede Rolle (es sind ihrer gegen
pieldirektors gruppiert. Ganz raffiniert wird der weiterzuführen. Es ist die geistvollste und den glühen= fünfzehn) Geist und Geistesgegenwart und vollendete
uer durch die Frage an das Schicksal, den Hauch der großen Revolutionszeit merkwürdig Beherrschung aller technischen Mittel. Und das ist ja
wöhnliche allzu leichtfertig hingeworfene Mädel¬
objektiv wiedergebende Zusammenfassung des Revolutions- vielleicht für unsere Verhältnisse und zu Beginn der
ie im Stile des Abschiedssoupers, nur viel gedankens von 1789. In dem kleinen, aber dramatisch
Saison nicht gleich zu verlangen.
r amüsant als dieses, auf ein Mindestmaß anlalänzend geschliffenen Hohlspiegel dieser arotesken!
Dr. Gerh. Hellmers.