17.1. Der Punpenspieler box 22/6
tragikomischer Art, wie denn ja überhaupt die Tragikbmödie
Zxemer Stadttheater. 4, gu
[die Bühnendichtung ist, die unserm Zeitgeist am meisten ent¬
#4
spricht. Ganz vortrefflich find alle Menschen gezeichnet und
# Arthur Schnitzler=Abend.
Ueber den Wiester Dramatiker Arthur Schnitzler das Milieu ist stets mit außerordentlicher Lebendigkeit er¬
faßt. So ist z. B. der „grüne Kakadu“ eine fabelhaft präg¬
hat Rudolph Lothar das Treffendste gesagt, was man über ihn
nant gegebenes Stimmungsbild aus der Revolutionszeit.
lagen kann. Wir möchten daher unsern Lesern einige Aus¬
züge aus dieser ausgezeichneten Charakteristik geben. „Der Ganz großartig ist die Gegenüberstellung der gährenden,
kochenden Volkskraft, die sich in den Revolutionären. Ver¬
Dramatiker Arthur Schnitzler“, so heißt es in „das deutsche
brechern und Komödianten äußert und der frivolen, flachen
Drama der Gegenwart“, ist vor allem Lyriker — die sanfte
und ahnungslosen zum Todesstoße reifen Hofgesellschaft.
und schwermütige Passivität, die verträumte Resignation fand
Wahrlich, eine Satire von genialer Kraft und höchst wir¬
in ihm ihren Dichter, ein gewisses sentimentales Sichgehen¬
kungsvoll. Die Darstellung dieser sogenannten Groteske war
lassen. — Man hat sogar den Eindruck, als wäre ihm die Tat,
außerordentlich lebendig und packend. Hervorragend war
h. die starke Betätigung des Willens etwas Antipathisches,
Herr Graumann in der Rolle des Schauspielers Henri.
etwas, dem er lieber aus dem Wege geht. Er läßt sich von
Herr Graumann leistete überhaupt an diesem Abend Erstaun¬
Gefühlen und Ereignissen tragen, er kämpft nicht gegen sie,
liches. Sowohl sein Gilbert in „Literatur“ wie Henry Merk¬
er entlockt der Passinität die besten Töne seiner Poesie.
lin in der „Puppenspieler“ waren Zeugnisse einer sehr feinen
Leichtsinn und philosopyische Gedankenschwere stehen bei ihm
Menschenbeobachtung und geistvollen Auffassung der Rollen.
oft hart gegeneinander — die Fröhlichkeit, die Kunst
Leider wurde die Gesamtaufführung der feinsinnigen, philo¬
der Sorge zu entlaufen, fehlt ihm gänzlich. Und er kennt die
sophisch angehauchten dialoquisierten Studie der „Puppen¬
Sorge des Lebens nur, soweit das Leben die Liebe ist — er
tennt nur die erotische Sorge. — Seine Weltanschauung ist svieler“ etwas monoton durch die langweilige Art des Herrn
im Grunde nur seine Frauenanschauung, denn seine Welt ists Schneeweiß, der mit der Rolle des Oboespielers ersicht¬
das Weib — Er ist Erotiker, aber ein kalter Erotiker. (Und lich nicht viel anzufangen wußte. Freilich dürfte die Gestal¬
die Erotik ist schließlich immer kalt.) Seine Liebe hat kalte, tung dieser Rolle ihre Schwierigkeiten haben, sie ist allzu
scharfe Augen. Seine Liebe ist sehr klug und sehr verständig. lyrisch gehalten: allein auch in dem ersten Einakter: „Die
Sie geht niemals mit ihm durch. Die Tollheit ist ihm fremd. Frage an das Schicklal“, zeigte sich Herr Schneeweiß den An¬
Vielleicht fehlt ihm also das Beste und Köstlichste. Denn die forderungen seiner Rolle nicht gewachsen. Sein Amatol war
Narren der Liebe find die einzig Weisen der Liebe. — Und durch und durch Provinzler, bestenfalls ein sich lebemännisch
gerirender Commis aus der Kleinstadt. Wir müssen von
weil Schnitzler so klug ist, ist er grausam. Jeder, der die
einem Vertreter des Bonivant=Faches mindestens äußerlich
Frauen durchschaut oder zu durchschauen glaubt, meint, er
müsse grausam sein. Leider sagen die Frauen dasselbe gegen= etwas Tenne und Eleganz verlangen. Von der schülerhaften:
über den Männern. In Schnitzlers Grausamkeit mischt sich! Deklamation dieses Herrn Anatol ganz zu schweigen. — Sehr
gut und vielversprechend hingegen war Frl. Sander als
ein Tropfen Verachtung. Und das macht ihn traurig. Daß er
Cora. Ganz ausgozeichnet flott und lebendig ward das kleine
das, was er liebt verachten muß, lockt ihm die Träne ins
Lustspiel „Littoratur“ gegeben. Hier klappte alles von An¬
Auge. Und dieser Tropsen ist echt, ist das Juwel seiner
fang bis zu Ende. Die famose Margarethe des Frl. Baum¬
Poesie.“
Auch für die 4 Einakter, die am gestrigen Abend im bach, der etwas troddelhafte Clemens des Herrn Pichler,
Stadttheater über die Bretter gingen, trifft diese Charakteri=kdie Bohemidichter=Größe des Herrn Graumann, das war
stik zu. Besonders deutlich trat sie wohl in den Lustspielen! alles erfaßt und echt und im richtigen Tempo wiedergegeben
ie Frage an das Schicksal“ und „Literatur“ in Und so war denn der größte Teil des Abends ein genußreicher.
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A. Goetze.
Erscheinung. Im Grunde genommen, sind alle diese Werke
tragikomischer Art, wie denn ja überhaupt die Tragikbmödie
Zxemer Stadttheater. 4, gu
[die Bühnendichtung ist, die unserm Zeitgeist am meisten ent¬
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spricht. Ganz vortrefflich find alle Menschen gezeichnet und
# Arthur Schnitzler=Abend.
Ueber den Wiester Dramatiker Arthur Schnitzler das Milieu ist stets mit außerordentlicher Lebendigkeit er¬
faßt. So ist z. B. der „grüne Kakadu“ eine fabelhaft präg¬
hat Rudolph Lothar das Treffendste gesagt, was man über ihn
nant gegebenes Stimmungsbild aus der Revolutionszeit.
lagen kann. Wir möchten daher unsern Lesern einige Aus¬
züge aus dieser ausgezeichneten Charakteristik geben. „Der Ganz großartig ist die Gegenüberstellung der gährenden,
kochenden Volkskraft, die sich in den Revolutionären. Ver¬
Dramatiker Arthur Schnitzler“, so heißt es in „das deutsche
brechern und Komödianten äußert und der frivolen, flachen
Drama der Gegenwart“, ist vor allem Lyriker — die sanfte
und ahnungslosen zum Todesstoße reifen Hofgesellschaft.
und schwermütige Passivität, die verträumte Resignation fand
Wahrlich, eine Satire von genialer Kraft und höchst wir¬
in ihm ihren Dichter, ein gewisses sentimentales Sichgehen¬
kungsvoll. Die Darstellung dieser sogenannten Groteske war
lassen. — Man hat sogar den Eindruck, als wäre ihm die Tat,
außerordentlich lebendig und packend. Hervorragend war
h. die starke Betätigung des Willens etwas Antipathisches,
Herr Graumann in der Rolle des Schauspielers Henri.
etwas, dem er lieber aus dem Wege geht. Er läßt sich von
Herr Graumann leistete überhaupt an diesem Abend Erstaun¬
Gefühlen und Ereignissen tragen, er kämpft nicht gegen sie,
liches. Sowohl sein Gilbert in „Literatur“ wie Henry Merk¬
er entlockt der Passinität die besten Töne seiner Poesie.
lin in der „Puppenspieler“ waren Zeugnisse einer sehr feinen
Leichtsinn und philosopyische Gedankenschwere stehen bei ihm
Menschenbeobachtung und geistvollen Auffassung der Rollen.
oft hart gegeneinander — die Fröhlichkeit, die Kunst
Leider wurde die Gesamtaufführung der feinsinnigen, philo¬
der Sorge zu entlaufen, fehlt ihm gänzlich. Und er kennt die
sophisch angehauchten dialoquisierten Studie der „Puppen¬
Sorge des Lebens nur, soweit das Leben die Liebe ist — er
tennt nur die erotische Sorge. — Seine Weltanschauung ist svieler“ etwas monoton durch die langweilige Art des Herrn
im Grunde nur seine Frauenanschauung, denn seine Welt ists Schneeweiß, der mit der Rolle des Oboespielers ersicht¬
das Weib — Er ist Erotiker, aber ein kalter Erotiker. (Und lich nicht viel anzufangen wußte. Freilich dürfte die Gestal¬
die Erotik ist schließlich immer kalt.) Seine Liebe hat kalte, tung dieser Rolle ihre Schwierigkeiten haben, sie ist allzu
scharfe Augen. Seine Liebe ist sehr klug und sehr verständig. lyrisch gehalten: allein auch in dem ersten Einakter: „Die
Sie geht niemals mit ihm durch. Die Tollheit ist ihm fremd. Frage an das Schicklal“, zeigte sich Herr Schneeweiß den An¬
Vielleicht fehlt ihm also das Beste und Köstlichste. Denn die forderungen seiner Rolle nicht gewachsen. Sein Amatol war
Narren der Liebe find die einzig Weisen der Liebe. — Und durch und durch Provinzler, bestenfalls ein sich lebemännisch
gerirender Commis aus der Kleinstadt. Wir müssen von
weil Schnitzler so klug ist, ist er grausam. Jeder, der die
einem Vertreter des Bonivant=Faches mindestens äußerlich
Frauen durchschaut oder zu durchschauen glaubt, meint, er
müsse grausam sein. Leider sagen die Frauen dasselbe gegen= etwas Tenne und Eleganz verlangen. Von der schülerhaften:
über den Männern. In Schnitzlers Grausamkeit mischt sich! Deklamation dieses Herrn Anatol ganz zu schweigen. — Sehr
gut und vielversprechend hingegen war Frl. Sander als
ein Tropfen Verachtung. Und das macht ihn traurig. Daß er
Cora. Ganz ausgozeichnet flott und lebendig ward das kleine
das, was er liebt verachten muß, lockt ihm die Träne ins
Lustspiel „Littoratur“ gegeben. Hier klappte alles von An¬
Auge. Und dieser Tropsen ist echt, ist das Juwel seiner
fang bis zu Ende. Die famose Margarethe des Frl. Baum¬
Poesie.“
Auch für die 4 Einakter, die am gestrigen Abend im bach, der etwas troddelhafte Clemens des Herrn Pichler,
Stadttheater über die Bretter gingen, trifft diese Charakteri=kdie Bohemidichter=Größe des Herrn Graumann, das war
stik zu. Besonders deutlich trat sie wohl in den Lustspielen! alles erfaßt und echt und im richtigen Tempo wiedergegeben
ie Frage an das Schicksal“ und „Literatur“ in Und so war denn der größte Teil des Abends ein genußreicher.
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A. Goetze.
Erscheinung. Im Grunde genommen, sind alle diese Werke