II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 118

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16.1. Lebendige Stunden zyklus
war Coldsch,
Bureau für 4
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Zeitungsausschnitte und Verlag
der Wissenschaftlichen Revue.
BERLIN N., Auguststr. 87 part.
Telephon Amt III. No. 3051.

Telegrammn Aürser
Ausschnitt
G0LDSCHMIDT. Auguststr.87.
aus
0
Augaburger Ahendzeitung
2 JAN. 1902
30 Berlin, 5. Jan. Arthur Schnitler un¬
streitig das stärkste Talent der jüngeren Wiener Schnerhat
mit seinem neuesten Einakter: Quartett „Lebendige
Stunden“ im deutschen Theater einen ziemlich gedämpft
einsetzenden, dann aber ständig steigenden und zuletzt mächtig
anschwellenden Erfolg erzielt. Die vier Stücke, die ungleich
in jeder Hinsicht sind, haben nur das Eine gemeinsam, daß
in sämmtlichen Vertreter der Literatur und Kunst die
Hauptrollen spielen. Der Gesammttitel „Lebendige
Stunden“, ist ziemlich willkürlich dem Titel des
diese Ehre um
ersten Stückchens entlehnt, das
so weniger verdient, als es das weitaus schwächste
ist.
des Gedankens
Von
vieren
den
unter
Wlässe angekränkelt, behandelt dieser Auftakt zu den fol¬
genden, lebensvollen und geistsprühenden Dichtungen die
erklügelte Frage, ob das ganze dichterische Schaffen des
Sohnes auch nur eine „lebendige Stunde“ der Mutter
aufzuwiegen vermag. Eine unheilbar erkrankte Mutter hat
sich nämlich mit Morphium vergiftet, um ihren Sohn vom
Anblick ihrer Leiden zu befreien und ihn seinem Dichter¬
beruf wiederzugeben. Das zweite Schauspiel „Die Frau
wirkt mehr durch virtuose
mit dem Dolche“
durch
als
und äußerliche Effekte,
Mache
innere Vorzüge und echt dichterische Eigen¬
schaften. Eine junge, hysterische Frau gibt sich mit ihrem
Liebhaber ein Stelldichein in einem Bildermuseum vor
einem italienischen Gemälde aus dem 15. Jahrhundert. Die
hier mit dem Dolche dargestellte Frau hat eine frappante
„Aehnlichkeit mit ihr, und je länger sie diese Frau betrachtet,
desto bestimmter wird ihre Ueberzeugung, daß sie die hier
im Bilde dargestellte Szene vor langer, langer Zeit selbst
erlebt hat, und zwar mit demselben jungen Manne, der¬
ihr jetzt zur Seite sitzt. Die Bühne verdunkelt sich plötz¬
lich, der Vorhang fällt, und als er sich nach einigen Augen¬
blicken wieder hebt, sehen wir dieselbe Frau mit dem
jungen Manne in der Tracht der Renaissancezeit vor uns.
Auf einer Staffelei steht das halb vollendete Bild der
Frau mit dem Dolche, von dem Gatten gemalt. Dieser
kehrt von einer Reise nach Florenz heim, die Frau gesteht
ihm, daß sie ihn während seiner Abroesenheit betrogen
habe, und ersticht vor seinen Augen ihren Verführer mit
dem Dolche. Der Gatte, der nur Künstler ist, ergreift so¬
fort den Pinsel und die Palette, um sein Werk nach den
eben gewonnenen blütigen Eindrücken zu vollenden. Die Frau
wendet sich mit Verachtung von ihm, die Bühne verdunkelt
sich abermals und wir werden in das Museum zurückversetzt
wo die aus ihrem Traume erwachende Frau dem Liebhaber
das lange verweigerte Versprechen gibt, ihn Abends besucher
zu wollen. Man weiß nicht recht, was man aus diesem merk¬
würdigen Capriccio machen soll. Ist es eine neue Variatior
auf das Thema von der Seelenwanderung? Oder von der
sich durch die Jahrhunderte gleich bleibenden Lust an
Betrügen des Ewig=Weiblichen? Jedenfalls ist das Stück
ffektvoll und fesselnd. Ungleich höher, dichterisch werth¬
koller ist das dritte Schauspiel: „Die letzten Masken“ zu
Franschlagen. Im Wiener Allgemeinen Krankenhause liegt
der Journalist Rademacher im Sterben. Der ebenfalls
hem Tode verfallene Schauspieler Jackwerth ist
sein
Zimmer=Nachbar. Während der eine weiß, daß sein Ende
bevorsteht und mit dem Leben, das ihm so viele Ent¬
täuschungen brachte, abrechnen möchte, hält sich der andere
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