II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 145

16.1. Lebendige Stunden zuklus
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wonach er so heiß begehrt. Das alte Bild einer „Frau mit dem
Berliner Theatersaison.
das frühere
Dolche“ zieht sie mächtig an, und in einer Vision sieht sie das Schick¬
Strich durch di
Von Spectator.
sal jenes Bildes. Remigio, ein Maler der farbenfrohen Renaissance¬
zu machen, al
(Nachdruck verboten.)
epoche, überrascht sein Weib mit einem seiner Schüler. Die Un¬
Augenblick noc
Der Höhepunkt der Saison ist überschritten, die meisten
getreue hat den Mut, die Schuld zu gestehen, und als Remigio zögert,
finden.
#. „großen“ Premieren, jene Leckerbissen für das Theaterpublikum,
an dem Räuber seiner Ehre Vergelung zu üben, stößt sie selbst dem dem Vollen ge
das sich das „litterarische“ nennt. sind gewesen. Sie haben in diesem
Geliebten den Dolch in die Brust. Der Anblick des rächenden Weibes gefunden, die
Jahre mehr Enttäuschung als Freude gebracht und aufs neue be¬
weckt den großen Künstler in Remigios Brust — er malt die „Frau mungen folgte
wiesen, daß unsere dramatischen Dichterherven eigentlich nur noch von
mit dem Dolche“ sein Meisterstück. Die Vision verschwindet, die
darf zufrieden
*pergangenen Ruhmesthaten zehren und nur schwer frische Lorberen
Gegenwart tritt wieder in ihre Rechte. Wie aus einer Erstarrung.
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zu den halb verdorrten zu fügen vermögen.
erwacht Pauline und verspricht Leonhard, dessen Züge der eben Er¬
Gerhart Hauptmanns Der rote Hahn“ wurde
dolchte trug, ihn am Abend zu besuchen. Aus dem Traumbild wird
Abo im „Deutschen Theater“ abgelehnt — auch die enragiertesten
Wahrheit werden.
Abo Mitglieder der Hauptmann=Gemeinde mußten zugeben, daß „ihr“
„Die letzten Masken“.
Krankenhaus=Milien. Im
Autor dieemol weitab vom Schwarzen getroffen. Aber, wie Reuter
Hospital liegt sterbend der Journalist Rademacher. Er war ein
sagt: Wat den einen sin Uhl, is den andern sin Nachtigal“ — der
starkes, tiefes, feines Talen;, dem zum Vollbringen nur jenes kleine!
Inh kurzlebige „Rote Hahn“ kam Arthur Schnitzlers „Leben¬
Etwas fehlte, das man Glück nennt. Glück aber hat sein Freund
bli digen Stunden“ zugute „die auf diese Weise schneller, als beab¬
Weihgast, das Prototyp schwachköpfiger Halbheit, in unverdientem
wol sicht'gt, das Licht der Lampen erblicken konnten. Und Schnitzler
Maße. Während Rademacher hungrig beiseite stehen mußte, durfte
des erwies sich als der Reiter und Befreier, der da kam, um die leere
jener an den reichen Tischen des Lebens schwelgen und in satter
ner Theaterkasse zu füllen: seiner Einaktertetralogie lachte die Sonne des
Selbstgefälligkeit sich in der Gunst der Menge spiegeln. Und doch
Erfolges, und willig fol#te man den Stimmungen, die er anklingen
hat die ausgleichende Gerechtigkeit gewaltet — Rademachers Leben
ließ. Auf gemeinsamer Basis sind diese vier kleinen Stücke entstanden
ist nicht ganz arm gewesen, denn des Freundes Weib, das des
— sie schildern alle das Leben in der Kunst, deß Leben der Künstler
Gatten innere Leere erkannte und ihn verachtete, hat den Sonnen¬
und versuchen mit innigem Sichversenken in jene Sphäre, psycho¬
schein hineingetragen, ist des armen Teufels Geliebte gewesen. Rade¬
logische Prohleme zu lösen, wie sie eben aus dem Gegensatz zwischen
macher liegt im Sterben, und nun, da dieses elende Dasein sich dem
künstlerischem Wollen und menschlichem Können, aus dem Zusammen¬
Ende neigt, will er Abrechnung halten, will er dem einstigen Ge¬
prallen
ideellen und materiellch Interessen heraus geboren
nossen einmal, nur ein einziges Mal die ganze nackte Wahrheit
werden. Dei erste der vier Einakter: „Lebendige Stunden“,
ins Gesicht schleudern. Wie er ihm alles vorhalten, was er sagen
der dem Zyklus den Namen gegeben, war der einzige, der nicht so
wird, das zeigt er in einer bewegten Szene einem Spitalgenossen.
sehr ansprach. Denn hier handelte es sich weniger um ein Erlebnis,
Aber dann kommt Weihgast und vor seiner banalen Freundlichkeit
das sich vor den Augen des Zuschauers abspielte, als um eine Er¬
und mitleidsvollen Milde hält Rademachers Ingrimm nicht stand;
zählung dieses Erlebnisses
das Ganze war mehr theoretisch ge¬
aus der Verachtung, die er für des anderen Wesen empfindet, er¬
geben und vermochte darum keine tiefere Wirkung auszuüben. Der
wächst ihm ein höherer Gesichtsvunkt der ihn über kleinliche Rache¬
Stoff an sich ist dabei packend genug: Die Mutter eines Künstlers,
gelüste, über menschliche Schwäche hinaushebt. Das Wort bleibt
die durch langes Siechtum an das Krankenlager gefesselt ist, giebt
ungesprochen, aber auch ungesprochen hat es Rademacher die innere
sich selbst den Tod um den geliebten Sohn von dem seelischen Druck
Befreiung gebracht, und friedlich lehnt er sich zurück und stirbt.
zu befreien, den die Krankenpflege auf ihn ausübt, um ihn wieder
Die letzten Masken“ sind vielleicht das wertvollste der
frei zu machen für seine Kunst. Diese heldenmütige Opferthat mußte
vier Stücke, sie wirken am unmittelbarsten und fanden auch den
auf der Bühne gezeigt werden, statt dessen aber erfahren wir sie durch
stärksten Erfolg Und mit einer tollen Satire klang dann der Abend
den Mund eines mitwissenden Freundes, der sie dem Sohne erzählt
harmonisch aus, mit dem Schwank „Litteratur“ der mit köst¬
und damit wahrscheinlich das Opfer in seinen erlösenden Folgen illu¬
licher Laune die Münchener Schriftsteller=Bohême schildert. Das
sorisch macht.
übermütige Werkchen gipfelt in einer originellen Enthüllung: ein
In eine Gemäldegalerie führt uns „Die Frau mit dem
Schriftsteller und eine Schriftstellerin, die einst ein verschwiegenes
Dasche“. Hier trifft sich Pauline, die Frau eines Künstlers mit
illegitimes Glück genossen, habe ihre Erfahrungen von damals in
dem Manne, der sie für sich gewinnen möchte; noch schwankt sie in
Romanen verwertet und haben beide in diesen Romanen auch ihren
dem anerzogenen Gefühl ehelicher Treue, ob sie ihm gewähren sollej! Brieswechsel von damals wörtlich zum Abdruck gebracht. So droht