II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 149

16.1. Lebendige Stunden zuklus
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Telefon 12801.
suchen wir den Einheitszustand der Persönlichkeit,
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Aus
die all ihr Wissen, ihre Welt und Lebenserfahrung in ein
innerlich abgeschlossenes, widerspruchsloses Seelenleben
aussch künstlerisch zusammenbringt, unbeirrt ihren Weg geht, weil
ihr das Wissen zum Gewissen wurde, weil alles organisch
„UBSENVEN Min ihr zusammengewachsen ist. Nur dieser Weg führt zur
Erneuerung.
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Persona
Arthur Schnitzler giebt seinen vier Einaktern, die am ver¬
Wien, IX,, Türkenstrasse gangenen Samstag das „Deutsche Theater“ meister¬
lich aufführte; den Gesamttitel „Lebendige Stun¬
Filiale in Budapest: „Figyelö“ —
den“. Lebendige Stunden sind die Stunden unseres Levens,
in denen sich die ganze Fülle des Lebensbewußtseins zu und
Vertretungen in Berlin. Chicago, Genf, London, Newyork, l’aris, Rodrängt, in denen es hell um uns wird, daß wir meinen
ein Stückchen Erkenntnis, Wesensbewußtsein zu fühlen.
Stunden, die uns aus dem engen Kreise des Persönlichen,
Ausschnitt aus: ener den##des Individuellen herausrücken und uns zu dem Weitblick
führen, der über das ganze Dasein dahinschaut und bis
zu den letzten Verborgenheiten, den tiefsten Lebensrätseln
vom
fortschweift. Dieser Gedanke ist groß, er ist imponierend.
Wie stellt sich nun Schnitzler zu diesem Gedanken, zu dieser
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Fülle der Gesichte, die lebendig aufsteigen? Dir erste Ein¬
akter, den er selbst „Lebendige Stunden“ neint, ist sein
Vorwort zu den drei andern. Schon dieses Vorwort ent¬
täuscht. Es bleibt an der Oberfläche und sucht nicht ein¬
mal nach der Tiefe. Eine Novelle im Dialog; von der gro¬
ßen Stunde wird nur berichtet, wir erleben sie nicht
mit. Eine Mutter stirbt in ihrer lebendigen Stunde für ihren
Sohn, weil sie fühlt, daß sie seinem schaffenden Geist durch
die Unliebsamkeiten des Alle# lästig wird. Diese große
Szene enthält uns Schnitzler vor und giebt uns statt ihrer
Von den Berliner Theatern.
eine dürre Schilderung wie ein Reporter. Das ist Unfähig¬
keit, nichts weiter. Der zweite Einakter „Die Frau
S Berlin, 9. Januar.
mit dem Dolche“ nimmt einen mutigen Anlauf und
Das neue Jahr hat so neutral und gleichgültig begonnen,
wie das alte geendet hat. Eine verzagte Müdigkeit liegt über
bleibt mitten auf dem Wege stecken. Die Idee des Stückes,
eine Ahnung zum inneren Erlebnis zu gestalten, ist glänzend.
der modernen Litteratur. Das alte Jahr noch hat uns zu
guterletzt die Enttäuschung gebracht, daß wir auch von dem
Aber es bleibt bei Schnitzler nur bei der Idee; die Mittel
Dichter, den wir von Anfang an am meisten gepriesen hat¬
zur Ausgestaltung, die Idee in die Erscheinung des dramati¬
schen Erlebnisses treten zu lassen, fehlen ihm. Die feinen
ten, von Gerhart Hauptmann, nichts mehr zu hoffen hätten.
Seelenwege, die dahin führen, findet er nicht; er kann durch
Arthur Schnitzler hat uns in diesen Tagen mit vier
die Oberfläche nicht hindurch zu den Tiefen und hilft sich
kleinen Komödien bekannt gemacht, bei deren Lesen oder
darüber hinweg mit schönen Reden, denen er ein rhythmisches
Anhören man das peinliche Gefühl der schweren gequälten
Gewand giebt. Schade darum. —
Arbeit nicht los wird. Als wenn jeder Satz, jeder Gedanke
Der beste der Ein¬
akter sind „Die letzten Masken“. Eine feine Studie,
mühsam ergrübelt und dem widerspenstigen Gehirn abge¬
herb und ernst, gedankenreich und voll reifer Poesie. Hier
zwungen wäre. Schnitzler steht vor derselben tragischen fängt man an, wieder an Schnitzler glauben zu wollen. Der
Abol! Perspektive wie Hauptmann. Die feinen zarten psychologi¬
Ah##t schen Linien der „Liebelei“ und die dramatische Geschlossen¬
Journalist Rademacher liegt auf dem Krankenbett, blaß und
todesmatt. Der Jammer seines Lebens hat ihn dort hin¬
heit und Wucht des „Grünen Kakadu“ haben einer erquälten gebracht. Und war einst so jung, so kampfesfroh, hat nur
dekadenten Psychologie und den Untugenden der dramatischen kein Glück gehabt. Das hatte ihm ein Anderer wegge¬
lukal Stizze den Platz geräumt. So stehen wir im neuen Jahr schnappt, ein jämmerlicher Strohkopf; Weihgast heißt er und
##iil da mit den Fragen des alten, voller Niedergeschlagenheit und ist ein berühmter Dichter, der sich aus dem Glück seine Kränge
des I
##### voll von Mißmut. In uns zerspalten, zersplittert und flicht. Der arme Schwindsuchtskandidat sieht, daß es nicht
## fiebrig erregt, suchen wir den Ruhezustand des Genesenden, mehr lange dauern wird mit ihm. Da steiat der arimme
Prospecte graus und franco.