II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 175

16.1. Lebendige Stunden—Zyklus
box 21/2
Ouuh
NEEN A

Nr.16 ll. Jahrgang.
Bonner Zeitung.
inerer Drang hat ihn doch gewiß nicht dazu veranlaßt;
arbeneter Journalist harrt in
Zweites Blatt.
denn sein neuestes Werk ist völlig nichtssagend und ober¬
auf sein Ende. Nichts ist ihm¬
flächlich. Erstaunlich bleibt nur, wie ein Mann, der auf
besonders nicht das Dichten, v##
der Höhe seines Schaffens angelangt schien, so tief fallen
Neue Dramen.
erhofft hat. Nun wartet er
konnte, und das ist auch der Umstand, der seinen zahl¬
Gerhart Hauptmann: Der rote Hahn. — Arthur
Rache auf seinen Jugendgenof
reichen Freunden und Bewunderern einstlich zu denken
Schnitzler: Lebendige Stunden.
gewordenen Antor, um diesem
giebt.
daß sein Ruhm eitel Schwinde
K. S. In der letzten Novemberwoche des eben ver¬
Weit erfreulicher, weil auf dem Boden wirklicher Kunst
kopf gewesen ist und noch
flossenen Jahres ging im Berliner Deutschen Theater
erwachsen, nehmen sich die neuen vier Einakter von
Mensch, weil er, der Sterbend
zine neue Tragikomödie Gerhart Hauptmanns: Der
Arthur Schnitzler aus.*) Der Verfasser, der schon ein¬
Gattin betrogen hat. Mit ein
Xote Hahn in Scene. Das Stück, dem schon allerlei
mal mit seinem Einakter=Zyklus: Der grüne Kakadu
im Spital dem Tode entgegen
schlimme Gerüchte vorangeeilt waren, wurde von der
eine sehr bemerkenswerte Begabung für die dramatische
Probe dieser Abrechnungsszen
Kritik und vom Publikum friedlich zu Grabe getragen,
Skizze bewiesen hat, zeigt sich auch in seinen neuen Ein¬
einen vollen Erfolg für die H
Jnd einige besonders strenge Richter sprachen sogar die
aktern als ein Meister dieser Dichtungsform, zugleich
Aber siehe da! Als der beneid
Befürchtung aus, Hauptmann sei endgiltig bankerott.
aber auch als der seine Kenner der modernen Menschen¬
tritt, ist die Wut schon verrauc
SSelbstverständlich rief ein solches Urteil auch in der „Pro¬
seele, als der überaus kapriziöse Darsteller eigenartiger
was ihm auf der Seele brenn
winz“ das größte Staunen hervor, und der ernste
feeltscher Konflikte. Ihren etwas unklaren Gesamttitel
tröstende Worte still über sich
Pitteraturfreund empfand es schmerzlich, daß einer der
Lebendige Stunden verdanken die vier Dramo¬
daß der andere ihn glücklich p
Fglänzendsten und erfolgreichsten Bühnenschriftsteller des
letts einer ganz bestimmten Lebensauffassung Schnitz¬
ein bedauernswertes Opfer de
Jüngsten Deutschland abgewirtschaftet haben sollte. War
lers, nämlich der Ansicht, daß das Leben des Vergessens
Rollen sind damit vertauscht,
Das denn möglich? Hauptmann, der noch vor wenigen
bedarf, um sich zu verjüngen, daß die Toten immer Un¬
getragen, und diese Tragikomi
Mahren alle Welt mit seinen duftigen Märchen= und
recht haben, weil das Recht auf Seiten der Lebendigen
so nachhaltiger, als sie sich ange
KTraumstücken, mit seinen stimmungsstarken Wirklichkeits¬
ist. Theodor Storm hat diese Auffassung vor Jahren
Im letzten Einakter, der
sdramen entzückte und begeisterte — er sollte Schiffbruch
einmal in einem kleinen Verse seiner Frauen=Ritornelle
Liiteratur trägt, wird Sch
Egelitten haben? Schlenthers Ausspruch vom deutschen
ausgedrückt: „Die Welt ist gar zu lustig; es wird
lustig sogar. Der böse Snobi
Shakespeare sollte so bald schon Lügen gestraft worden
doch alles vergessen,“ und bei Schnitzler kehrt sie nun¬
bieten der Kunst sich breit mu
zsein? Nun, ganz so schlimm liegt der Fall nicht, und
mehr in dramatischer Anwendung wieder. Der erste
ist als der Dilettantismus, we
swenn die neueste Arbeit Hauptmanns auch viel zu denken
Einakter, der den Titel des Gesamtwerkes trägt, variiert
sein will, wird hier mit scharf
kund manches zu befürchten giebt, so darf man von seinem
das Thema in etwas mathematisch konstruierter Form.
geißelt. Eine Frau, die vor
schönen Talent doch erwarten, daß es sich aus der
Ein alter pensionierter Beamter, der vor den Thoren
hafte Schrifistellerin unter der
Miederlage zu neuer Thalkraft emporrafft. Eine Nieder¬
Wiens in einem Gartenhäuschen lebt und den Rest
sehen und Liebe genoß, hat sich
Tage, ein Fiasko unzweifelhaftester Art bedeutet der rote
seiner Tage mit der Pflege seiner Blumen verbringt,
lobt, der ihr zwar keine Lorbee
Hahn freilich, und wer vorurteilsfrei und sachlich die
hat vor Jahren eine Hoftätin, die Mutter eines Dichters,
liches Leben zu bieten vermag.
Buchausgabe*) des Werkes studiert, der muß sich oft be¬
geliebt, wie nur ein Einsamer eine Enttäuschte lieben
plötzlich ein einstiger Freund #
sinnen, ob Hauptmann es ist, d. h. der Hauptmann der
kann, besonders wenn beide zusammen alt werden. Nun
und droht durch sein tolles Ge
Weber und der Versunkenen Glocke, der solche unkünst¬
ist die Hofrätin tot, aber sie ist keines natürlichen Todes
Baron die wahre Natur seiner
lerischen Dinge zustande bringen konnte. Unsere Leser
gestorben, sondern sie hat sich vergiftet, um ihrem über
Sache ist um so gefährlicher, a#
wssen aus der kurzen Kritik unseres Berliner Mit¬
alles geliebten Kind durch ein langes Krankenlager im
Freund und die künftige Baron
arbeiters, daß der rote Hahn eine Fortsetzung des Biber¬
Schaffen nicht hinderlich zu sein. Der Alte weiß das
haben, in denen sie, nach Art
zes ist. Im Mittelpunkte der Handlung — sofern
und deshalb haßt er den Sohn, der seinerseits von dem
Liebesleben in seltsamer Ueb
einer solchen gesprochen werden kann — steht die
Opfer der Mutter keine Ahnung hat. Um sich für die
haben. Wenn der Baron die
ter Wolffn, die im Biberpelz als Holz= und Pelz¬
verlorenen Jahre zu rächen, die die Geliebte seiner Ein¬
mit der Heirat natürlich zu En
die Behörden narrte und im roten Hahn ihr Haus
samkeit noch hätte schenken können, enthüllt der Alte dem
garnicht daran, seine litterarisch
t, um aus der Feuerversicherung Kapital zu
Jungen die Wahrheit, aber der Schlag wird von diesem
Weise zu bereichern. Feind a
Hier wie dort sind die Verbrecher die Schlauen
pariert: „Wir beide werden darüber hinwegkommen
stellerei, hat er die bereits
Behörden die Thoren, aber während im Biber¬
müssen, um leben zu können“, sagte er zum Freund
Braut einstampfen lassen, un
es auf einen lustigen oder wenigstens satirischen
seiner Mutter, „und wie ich dichten werde, so werden
Ramans aus der Feder des F
stimmt ist, schaut in der Brandstistungs=Tragi¬
Sie im Frühjahr wieder Ihr Gärtchen bebauen.“ So
Frau schon selbst. Sie schleu
ie an allen Ecken und Enden der nüchterne
triffen das arme geizige Alter und die reiche egoistische
tierende Exemplar, das der „Fl
Moralist, der weitschweifig erzählende Epiker her¬
Jugend hart aufeinander, aber der Sieg ist auf Seiten
vor. Ein Musterbeispiel, wie der echte Dramatiker
geschenkt hat, mit Anmut und
der Jugerd, die über den Tod hinaus mitten ins frische
schmiegt sich dann, ganz eifüllt
nicht schaffen darf, bildet der erste Akt, mehr
Leben führt.
ihrer Schriftstellerei und ihrer
noch der zweite und geradezu jämmerlich
vom
Fast noch eigenartiger als die gedankliche Zugespitzt¬
hat, sich innig an den Geliebter
Standpunkt des Dramas stellt sich der letzte Akt dar.
heit dieses Stückes mutet der zweite Einakter: Die
„Wirst Du mir jetzt glauben,
Mutter Wolffn, die inzwischen den Flickschuster Fielitz
Frau mit dem Dolche an. Schnitzler führt hier
der gute Baron glaubt ihr entz
geheiratet hat, will ihr Haus anzünden, und damit die
eine junge Frau ins Treffen, die im Begriff steht,
vor sich gehen. So schließt #
Polizei nicht Wind von der Sache bekommt, grübelt sie
ihren Gatten, einen hochbedeutenden, aber treulosen
einer übermütigen Farce: ein
über die raffinierteste Art der Brandlegung nach. Mit
Dichter nach dem Gesetz der Wiedervergeltung mit einem
Tragödie des Lebens.
Hilfe eines Kistchens, eines Lichtes und einiger Schwefel¬
hübschen Galan zu betrügen. In einer Bildergallerte, gegen¬
schnüre soll die welterschütternde That vor sich gehen.
über einem Gemälde, das eine Frau mit dem Dolche dar¬
Alles wird vorbereitet, und nachdem das Kistchen mit
stellt, treffen die Liebenden zusammen, aber während der
dem brennenden Licht auf dem Speicher verborgen wor¬
Berliner
junge Mann in heißen Worten um ihre Gunst stehl,
den ist, fährt die wackere Frau mit ihrem Eheherrn nach
(7. Z. Seit Jahren versucht
hat die Frau eine seltsame Vision. Sie durchlebt —
Berlin, während daheim die Kerze tüfer und tiefer
Art von Karneval einzufühl
auf der Bühne szenisch dargestellt — das Schicksal jener
brennt. Natürlich glückt das Verbrechen, aber weil die
keit, die Sie am schönen Rhein¬
Frau mit dem Dolche, sieht sich selbst im Kostüm der
Wolffn in unzweideutigster Weise ihr Alibi nachweisen
schätzbare Gabe empfangen habe
Renaissance und ihn, den Geliebten, zu ihren Füßen.
kann, so wird ein halbidioter Bursche der That verdächtigt
nicht im Blut, und der Karnev##
Was im Leben bisher nicht eingetreten, ist in ihrer
und eingesperrt. Der Vater des Unschuldigen, ein aus¬
mit der Geschichte der römischen
Vision zur Thaisache geworden: Sie hat den Gatten
gedienter Gendarm, ahnt zwar den wahren Sachverhalt,
einem rein protestantischen Lan
betrogen, während dieser auf einer Kunstreise war, und
ebenso ein jüdischer Arzt und der Schmied des Dorfes,
wickelungsboden zu finden. So
wartet nun auf seine Rückkehr, um ihm alles zu ge¬
aber der Amtsrichter Wehrhahn, der auch diesmal die
suche, rechte und echte Karnevan
stehen. Und als er zurückkommt, dem Schänder seiner
Untersuchung leitet, wird jedesmal bös, wenn ein
erzeugen, den Charakter des
Ehre kalt die Thür weist und dieser, erbittert darüber,
Schimmer des Verdachtes auf die „olle ehrliche
Kostümfesten, die alljährlich in
daß er den Mann seiner Geliebten im Zweikampf nicht
Wolffn“ fällt. Und der Schluß dieser tiefsinnigen Ge¬
Winters veranstaltet werden,
treffen kann, ihn öffentlich brandmarken will, da greift
schichte? Das Haus des Flickschusters ist neu er¬
ungen gemacht, kostspielige Dek
das Weib nach dem Dolche und stößt ihn kaltlächelnd
haare
Riehhaher
bracht und geistreiche leitende