II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 178

16.1. Lebendige Stunden Zpklus
box 21/2
. Burenn für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, 1X, Türkenstrasse 17.
— Filiale in Budapest: „Figvelö“ —
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
AAusschnitt aus:
ue Noheste Nachri
om
4
„Lebendige Stunden" unbefängenheit seiner Jugend verloren gegangen,
neue Kraft. Dies ist der erste Paradesatz. Wir (Opfer
jetzt reckt er sich auf, zu den Sternen hinauf, möchte
* Schnitzler ist von der Jungwiener Schule, die
sind Sklaven des Schicksals allesammt. Es peitscht phrasen
ein blutig ernst zu nehmender Mann sein; Einer, lunsern Geist durch die Jahrhunderte; dem, was
einst mit so lautem und siegesbewußtem Trommel¬
Gipfel
der Gedanken wälzt wie der oft zitirte Sisyphusluns vorherbestimmt war, können wir nicht ent¬ gestellte
wirbel in die Literatur einmarschirte, der einzige
Steinblöcke; ein feierlicher Dichter. Nun probirt gehen; wir müssen dem Fatum zu Willen sein. Dies nännl
Vielgenannte geblieben. Langsam nur arbeitete er
er vor'm Spiegel, wie die Kravatte und diese oder
ist der Weisheit zweiter, tiefinnerster Sinn. Die sind
sich empor; langsam nur drang sein Ruhm über die sjene geistreiche Wendung sitzt probirt es stunden¬
Chokolade könnte Einem kalt werden, wenn man tergesse
Kaffeehäuser der inneren Stadt hinaus. Dann lang. Der belümmerte Wiener Bummler hat
aber gelang ihm zu guter Stunde der Anschluß an
sich nachhaltig in sie versenkte. Und drittens: der Spezia
50
sich zum Wiene Stutzer entwickelt, zum soignirten
die Berliner dramatische Revolution. Brahm er¬
Tod macht groß und frei. Wahre lebendige Stun¬
sagen si
Uebergecken, der schon ein ganz kleines Bischen an
den werden uns oft genug erst auf dem Sterbebette
nannte ihn, obgleich er doch keine Aktien des Deut¬
200
willen
den vienx marcheur gemahnt.
500
schen Theaters besaß, zum Hausdichter, und so
bescheert. „Die letzten Masken“ heißt das Schau¬
Ische Bo
In seinen „Lebendigen Stunden“ einer Folge
„ 1000
spiel, worin Schnitzler dies Theorem illustrirt. Ein
durste er neben Hauptmann, Hirschfeld und Ge= von vier Einaktern, die unser Deutsches Theater neu¬
„Die
armer Heruntergekommener liegt verröchelnd im
Im
nossen, unbelümmert um etwaige Durchfälle, auf lich zum ersten Male aufführte, lacht an einer Stelle
Nachar
Abonnem
Spital. Leben und Dichten sind ihm verronnen,
Lorberkränzen ruhen. Die Unsterblichkeit, soweit der alte junge Schnitzler. Das Lustspiel „Litera¬
Wiener
nutzlos, glücklos. Nun beseelt ihn nur noch der eine
Abonnent sie zehn Jahre nicht überschreitet, ist ihm garantirt. Itur“ zeichnet ergötzlich die Dame mit der amathus¬
burdh#
Wunsch: Rache zu nehmen an dem Jugendfreunde,
Seinen guten Freunden vom Kärtner Ring ist es ischen Vergangenheit, deren Verlobter es durchaus
ein gege
De
der es so herrlich weit gebracht hat und doch ein er¬
minder gut ergangen: Bahr muß sich mit den kling¬
lingnich
nicht zugeben will, daß sie einen Roman veröffent¬
inhaltsn
bärmlicher Hohlkopf, ein künstlich aufgeblasenes
enden Erfolgen begnügen, die ihm seine interessante
Mann
blätte
licht. Er weiß nicht 'mal, daß es ein selbsterlebter [Nichts ist. Er läßt ihn an sein Lager rufen, um
Doppelstellung als unbestechlicher Kritiker und
wodurch
ist ... Der Verlobte überbietet sich in korrekter ihm Verachtung und Hohn in's Gesicht zu schreien,
Frane
des In¬
Stückelieferant des Deutschen Volkstheaters in Lebensklugheit, ohne dem Bräutchen die Richtigkeit um ihm zu verrathen, daß dem Dunklen, jetzt in die selber d
werden i
Wien einbringen; Hofmannsthal, der dichtende 1seiner Anschauung beweisen zu können, daß heirats= Nacht Versinkenden die Liebe der Frau gehört hat, Paole
Bankierssohn, hat sich von seiner unfreiwilligen lbedürftige Fräulein besser daran thun, ihre Erotica
die der berühmte Dichterling an sich zu ketten wußte.
Faustparodie noch nicht wieder erholt, und all' die
helt;
dem Einstampfer als dem Buchhändler zu über¬
Der Sterbende spielt einem Leidensgenossen, einem
Andern ... wo seid Ihr, Ihr Lieben, zur Zeit mir
ihm Al
geben. Zum Glück kommt ihm Hilfe. Der deka= übrigens mit prächtiger Komik gezeichneten Schau¬
geblieben?
der gro
dente Schriftsteller, mit dem die Braut eine Reihe spieler, die wilde Racheszene vor. Als dann aber [Liebe un
Das literarische Wien von heute hat, sehr im
glückseliger Münchner Tage durchschmarotzt hat, der sehnsüchtig Erwartete kommt und mit trauriger die Mör
Gegensatz zum politischen, gar nichts Dramatisches
ist ebenfalls auf den Gedanken gekommen, jene sel=Stimme von seinen Mühseligkeiten erzählt, seinen
Paula
an sich. Auch Arthur Schnitzler ist durchaus mehrligen Stunden zu einem Roman zu verarbeiten. Und krampshaften Anstrengungen, sich oben zu erhalten,
Novellist als Schauspieldichter. Seine Speziali¬
„Ich lo
wie die verlorene Geliebte, so will auch er gewisse eine Tagesgröße zu bleiben, als er all' seine kleine
tät besteht in jenem Wienerthum, dossen Stärke da= Originalbriefe wörtlich benützen. Nun ist es der
wilder
Eitelkeit und Windigkeit beichtet da verzichtet der
Schnitzl
rin liegt, mit rundlichen Mädchen zur Jause nach Verlobten klar, daß sie auf ihren literarischen Ruhm
Kranke auf die Rache an diesem Aermlichen. Der will. H
Schönbrunn hinauszufahren, zwei Wochen später verzichten muß, wenn sie sich den Bräutigam erhal¬
ist ihm zu schäbig dazu ... „Die letzten Masken“.
Elegien auf ihre Untreue zu schreiben und inzwischen
Seeleni
ten will. Sein Argwohn ist ohnehin erwacht ...
sind ein wenig umständlich komponirt, aber mit be¬
mit fünf oder sechs anderen, gleichfalls Schönbrunn
bunten
Das Stücklein fällt durch seinen munteren Ton und
trächtlichem Fleiße aufgebaut; sie überraschen und sind in
und die Untreue liebenden Dämchen anzubandeln.
seine lustige Bosheit auf. Wer sich so viel mit der
stimmen zugleich nachdenklich. Hier ist es dem Ver¬
Das ist seine Welt, das heißt eine Welt! Mitunter Literatur unserer Zeit befaßt wie Arthur Schnitz¬
da
fasser gelungen, seinen Ideen persönliches Leben
i
sucht er den Kreis seiner Gestalten zu erweitern, ller, wer einen Stammplatz in den Kaffeehäusern
zu verleihen; hier wirken Handlung und Menschen
Financiersgemahlinnen, und Oberleutnants tauchen hat und ein Kenner des Kaffeehaus=Tratsches ist,
nicht von vornherein erklügelt, wie in den beiden
auf, und die Probleme der Liebelei wachsen sich zu
un
dem wird das flotte Spiel Vergnügen machen.
anderen Stücken, der „Frau mit dem Dolche“ und
sozialen Fragen aus. Na ja. Indessen war mir
Vermö
„Literatur“ gibt sich als weanerischer Bummel¬
den „Lebendigen Stunden“, welch' letzteres Dramo¬
der anfängliche Schnitzler sympathischer als der
Gedanke
witz, als Schnitzleriade von ehedem und das macht
let dem ganzen Cyklus den Namen gegeben hat.
keuchende Poet, der seine kleinen, ohnehin mühsam
ausschö
sie liebenswürdig und amusant. In den drei an¬
Wie Henriette Stieglitz sich erschoß, um das dichter¬
ausgetüftelren Stoffe auf Vertiefung deichselt, deren Einaktern setzt der Antor die ernste Grübler¬
Allem be
ische Genie ihres Mannes zu großer That zu ent¬
So lange „Anatol“ küßte und philosophirte, konnte
schluß,
miene auf und quält sich beweglich um künstlerische
flammen, so begeht bei Schnitzler eine Mutter Spiel
man sich des witzigen und klugen Dialoges freuen, Wirkungen. Ein Dichterphilosoph, der beim Glase Selbstmord, damit der geliebte Sohn nicht länger was kan
der das einzige Dramatische an diesen Plauder= Melange über den Tod nachdenkt! Das erlöschende unter dem Bann ihrer schweren Krankheit schmach= seit sein
skizzen war. Jetzt ist Herrn Schnitzler die frobe Leben des Mitmenschen gibt unserem eigenen Leben lten muß und frei die Fittiche regen kann. Ihr wärtsgen