II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 198

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16.1. Lebendige Stunden Zyklus
des Romanes: „Das Leben ein dürfte der Antor wol kaum gedacht haben, als er Heinrich, dem Sohne der verstorbenen Hofräthin. —
n Ricarda Huch befindet sich auf auch diesen Schwank, der den ersten drei Stücken O, der Heinrich ist abgereist, um sich ein wenig
fern als möglich steht, unter den Gesammttitel zu erholen. Er muß ja doch wieder arbeiten können.
so
Heinrich ist nämlich ein Dichter. „Haben Sie denn nie den
ordnete. Der Gesammttitel also ist ungerechtfertigt,
Schein um seinen Kopf bemerkt, Borromäus?“ — Borro=)
weil er eine Verbindung zwischen den vier Stücken
klleton.
mäus hat keinen Schein gesehen und meint, der Schein
behauptet, welche nicht besteht. Ueberhaupt ist diese neue
sei wol nur figürlich, weil der Herr Heinrich schon so viel
Mode merkwürdig, Einacter mit einer gemeinsamen Idee
ner Theater.
in der Zeitung steht. Und da kommt er gerade durch das
zu schreiben (um so merkwürdiger, wenn es sich, wie im
den“ von Arthur Schnitzler.)
Gitter. Er hat sich auf seiner Reise erholt und, wie es
vorliegenden Falle, bei näherer Betrachtung herausstellt,
scheint, auch getröstet. Er war zunächst in Salzburg. Denn
daß die Einacter mit der gemeinsamen Idee in Wirklich¬
at seinem Einacter=Cyklus, der
Salzburg beruhigt ihn immer. Man darf zwar annehmen,
keit keine Idee gemeinsam haben). Der Autor möchte die
en Theater gespielt wird, den
daß eine Stadt s#h#n ganz besonders schön sein muß, um
vier kleinen Stücke, die er verfaßt hat, zu einem größeren
Stunden“ gegeben. Die Berliner
Jemandem darder hinwegzuhelfen, daß seine Mutter ge¬
Werke vereinigen, indem er sie „Cyklus“ nennt und ihnen
Titel den Kopf zerbrochen: Was
storben ist In der That, Salzburg hat diesmal nicht
einen Obertitel gibt. Aber der Titel stellt die Einheit
den“? Und warum heißen alle
gewirkt, und selbst der „reizende Rococo=Garten von
nicht her, die beim Schaffen gefehlt hat, und vier kleine
hat das Gemeinsame in den vier
Hellbrunn“ hat dem jungen Heinrich keinerlei Erleichterung
Stücke bilden kein großes, mag man sie nennen, wie man
Schauspiele und ein Schwank —
gewährt. Da ist er nach München gegangen. Es scheint,
will. Ein Zusammenhang zwischen Einactern ist nicht
ken, welche die Kritiker gegeben
daß Salzburg nur gegen die mittleren Schmerzen hilft,
möglich, da jeder Einacter ein selbstständiges Drama ist:
und haben nur den Einen Fehler,
München jedoch gegen die ganz großen. Beim Tode einer
und um den Zusammenhang herzustellen, um in vier
immer das steht, was die Kritiker
Mutter muß man nach München reisen. Vor den alten
Acten eine gemeinsame Idee auszudrücken, gibt es auch
ist deßhalb so schwer, zu sagen,
Bildern in der Pinakothek hat Heinrich zum erstenmale
heute nur das eine Mittel, das in einem solchen Falle
auf alle vier Stücke paßt, weil
wieder aufgeathmet. Nur die Abende waren schlimm —
bisher allein üblich war: ein Drama in vier Acten zu
ht paßt. Das Gemeinsame an den
die Abende, an denen er keine alten Bilder betrechten
schreiben.
daß in allen Literaten oder
konnte. Statt nun noch eine neue Stadt aufzüse gen —
„Lebendige Stunden“ heißt das erste der vier Stücke.
diese Gemeinsamkeit ist so äußer
eine neue Stadt für die Abende — ist er nach Wien
Es spielt in einer Vorstadt Wiens, im Garten vor dem
menhang bilden und noch weniger
zurückgekehrt. Er möchte wieder arbeiten; aber er sieht schon:
en kann, warum die vier kleinen
Hause des alten Hausdorfer. Der alte Hausdorfer ist
das wird so bald nicht möglich sein. Die Fähigkeit, zu
traurig, denn die Frau Hofräthin ist gestorben seine
nden“ heißen. Die beiden eisten
arbeiten, hat er während der letzten zwei Jahre verloren,
einzige Freundin und früher wahrscheinlich seine Geliebte.
e Stunden“ und „Die Frau mit
da er es immer anhören mußte, wie seine Mutter,
Hausdorfer ist in den Jahren, wo die Verluste sich nicht
ine gewisse Verwandtschaft, und
die nebenan im Zimmer lag, vor Schmerzen stöhnte.
die Idee herauslesen, daß dem mehr ersetzen; und nun hat er das Liebste verloren, das
Es ist, als wollte er sich, während er dem alten Haus¬
er jedes, auch das tiefste Er= er besaß. Trost gibt es auch nicht mehr wenn Einer so
dorfer das erzählt, über die Rücksichtslosigkeit der Mutter
in den Sechzig ist. Trösten mag sich die Jugend, welche in
„Stoff“ ist, und daß
beklagen, die es nicht unterlassen konnte, zu stöhnen,
jenen Jahren auf die treibenden Kräfte des Daseins rechnen
Ueberschätzung der Kunst und
während der Sohn im Nebenzimmer dichten wollte. Und
kann, die immer Neues und Neues hervorbringen an
s bedeutet, obwol auch diese Idee
er hätte es verstanden, dieser gemüthvolle Sohn, wenn
Stelle des Alten, das verloren geht. Aber zwischen Sechzig
nersten Schauspiel ausgesprochen
seine Mutter ihren Leiden gewaitsam ein Ende gemacht
und Siebzig ist es nur mehr ein langsames Absterben.
nen Namen „Lebendige Stunden“
hätte. Wenn die Mutter das gethan hätte, sagt er, so hätte
Man braucht sein Kapital auf. Der Tod eines theuren
e Cchauspiel, „Die letzten Masken“,
sie recht gethan. Der alte Hausdorfer hat diese Herzens¬
Wesens reißt ein Stück, das beste Stück ans dem Leben
elches man, bei aller Sympathie
ergießungen angehört und hat sie nur durch kurz hin¬
heraus, und es bleibt eine Leere zurück, eine unausfüll¬
ich nicht als eine lebendige Stunde
geworfene Bemerkungen unterbrochen, deren ironischer
bare Leere. Darum ist der alte Hausdorfer so ganz in
wank „Literatur“ endlich, der den
seinen Schmerz versunken und hört kaum, was ihm sein Klang andeutet, was in seinem Innern vorgeht. Nun aber
in der Première allerdings zur
s
n das Publicum ihn ganz be= Gärtner Borromäus erzählt von den Pflanzen, die er im kann er nicht mehr an sich halten: und er sagt
und beklatschte; aber daran Frühjahre einsetzen wird. Borromäns fragt auch nach heraus, daß die Mutter in der That ihrem Leben