II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 199

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und
16.1. Lebendige Stinden ZvkIus
ein Ende gemacht hat und daß sie sich getödtet hat, nicht nicht da sind. Darum ist es unrichtig, wenn in dem Stucke etwas Macht hat über
um ihre Leiden abzukürzen, sondern weil sie bemerkt
Heinrich ein Dichter genannt wird. Heinrich ist nicht mehr reiche Premiere. Paulin
hatte, wie lästig es ihrem Sohne war und wie sehr es ihn als ein Literat. Man ist kein Dichter, wenn man die matikers Geliebte zu we
in seinem Beruf störte, daß er sie leiden sah. „Woher
Leiden einer Mutter als Berufsstörung empfindet. Mau ist. Aber da sie den ###
wissen Sie das?“ fragt der Sohn. — „Hier, diesen Brief
ist kein Dichter, wenn man kein Herz hat. Jedenfalls darf muß erst die Neigung:
hat man auf ihrem Nachttische gefunden.“ — Heinrich liest
es dem Stücke zum Verdienst angerechnet werden, daß es
eine Frau, die ihren Ga
den Brief und sinkt zusammen. „Da bin ich also ihr
einmal so einen modernen Literaten mit seinem Dünkel ein Liebhaber. Darum
Mörder!“ Der alte Mann betrachtet sich das Strafgericht,
und seinem vertrockneten Herzen auf dem Theater gezeigt standen, daß ihr Herz
das er vollzogen hat, und nickt zufrieden mit dem Kopfe.
hat. Nur hätte die Satire noch schneidender sein und der beschlossen, nach
Jta
Doch Heinrich fährt auf: „In dem Briefe verlangt meine
Stoff hätte mit kräftigerer Hand angefaßt werden sollen. soll unverzüglich ang
Mutter ausdrücklich, daß Sie mich zeitlebens in dem
Das Schauspiel „Lebendige Stunden“ ist überhaupt kein] Morgen. Immerhin kom
Glauben lassen sollen, sie sei eines natürlichen Todes ge¬
Drama. Es ist ein Gespräch — ein Gespräch voll Fein= zum Rendezvous mit Le
storben. Wie durften Sie dem Wunsche meiner Mutter so
heiten, die aber fast sämmtlich auf der Bühne verloren gehen. treibt mit Leonhard
schroff entgegenhandeln?“ Heinrich empfindet das offenbar
„Die Frau mit dem Dolche“, der zweite Einacter des Liebesspiel weiter, währe
als den Gipfel der Belästigung. Seine Mutter hat ihn in
Cyklus, spielt in einem Saale einer Bildergalerie. Werke
neues mit ihrem Gatten
seinen künstlerischen Inspirationen nicht nur dadurch ge¬
der italienischen Renaissance hängen an der Wand. In
liebt. Aber Leonhard i
stört, daß sie gelitten hat und gestorben ist. Jetzt muß er
der Mitte fällt ein großes Gemälde auf, das eine Frau
ihr morgen eure Reise
auch noch sein ganzes Leben lang Gewissensbisse mit sick
im weißen Nach gewande darstellt, die in der erhobenen
heutige Tag. Heute Aber
herumschleppen! Aber nein, er wird sich von alledem nicht
Rechten einen Dolch hält. Hier treffen sich Leonhard und
„Sie sind wahnsinnig. I
anfechten lassen. Er wird suchen, zu vergessen — und zu
Pauline. Der Saal ist leer. Zu den alten Meistern
müssen kommen!“
dichten. Und er deutet an, daß seine Mutter eigentlich ganz
kommt heutzutage Niemand, der nicht seine besonderen
weiß! Wenn er erführe,
recht gehandelt hat und daß ihr Tod kein zu geringer
Gründe hat. Jene bei Liebes=Rendezvous in Bildergalerien
„Und wenn er es erfül
Preis war für die schriftstellerischen Leistungen, die man
so lästigen Leute, welche zu glauben scheinen, der Zwick
loren.“ Diese ganse S#
jetzt von ihm erwarten darf. Da sagt der alte Hausdorfer:
eines Besuches in einer Gemäldesammlung sei die Betrach¬
dem Dolch“ abgespielt. Fr
„Heinrich! Vor einem Monat hat deine Mutter noch gelebt,
tung von Gemälden, werden also die beiden Liebenden nicht
über das Bild gesprochen.
und du kannst so reden? Für dich hat sie sich umgebracht,
stören. Die beiden Liebenden? Das gerade ist die Frage,
Ueberhaupt, hier unter den
und du gehst hin und schüttelst es von dir ab? Was ist
ob alle Beide lieben. Leonhard spricht in heißen Worten
Bildern auf sie herabsehe
denn deine ganze Schreiberei, und wenn du das größte
von seiner Leidenschaft für Pauline; aber Pauline ist sich
Bekannten. Ihre Mutter
Genie bist, was ist sie denn gegen so eine Stunde, so eine
offenbar selbst nicht klar darüber, ob sie diese Leidenschaft Zusammenhänge müssen d
lebendige Stunde, in der deine Mutter hier auf dem Lehn¬
erwidert. Immerhin, wenn die Gemalin eines großen
sie. „Wer liegt dort im
stuhl gesessen ist und zu uns geredet hat, oder auch ge¬
Schriftstellers einem jungen Manne ein Stelldichein im
das Gemälde der Frau
schwiegen — aber da ist sie gewesen — da! Und sie hat
stillen Saale einer Bildergalerie gewährt, muß der junge
Niemand,“ sagt Leonhard
gelebt, gelebt!“
Mann ihr jedenfalls nicht unsympathisch sein. Einmal, in
selbst.“ — „Was für ein
Das ist ein schönes und tiefes Wort, dieses Wort
einem bestimmten Augenblick, sagt sie, wäre sie sogar seine
diese Frau — erkennen S##
von der lebendigen Stunde. Gewiß, Leben ist mehr,
Geliebte geworden, aber der Augenblick ist verpaßt. Leon= mit dem Dolche bin ich.“
unendlich viel mehr als Schreiben; und es thut wohl,
hard kann sich trösten. Wo gibt es einen Mann, der nicht diese Aeußerung für einen
daß dies einmal von der Bühne herab gesagt wird in
einmal einer Frau gegenüber den rechten Augenblick verpaßt
da er bereits (eine Ver#
unserer Zeit, in welcher die Literatur so namenlos über¬
hätte? Und wer weiß, ob die Männer jemals vom rechten Augen¬
Atelier des Malers Remigt
schätzt wird. Der junge Heinrich ist auch so recht ein Kind
blick profitiren würden, wenn nicht die Frauen dafür sorgten, zeit lebte, vor der gelie
unserer literarischen Zeit — gezeichnet nach dem Muster
daß er nicht unbenützt vorübergeht? Pauline ist also Leonhard's ihres Kleides küßt.
gewisser beliebter und erfolgreicher Autoren der jüngeren
Geliebte nicht geworden, und jetzt scheint sie wieder sich gewand, wie die Frau
Generation, die eine schriftstellerische Technik gelernt haben
ihrem Manne zuzuneigen. Der Mann, der große Schrift= Bilde, und hat Paulin
und mit deren Hilfe Werke hervorbringen, welche für die
steller, hat gerade mit seinem neuesten Drama einen bedeu= ist aus Pauline eine
Werke von Dichtern gelten, weil eben wirkliche Dichter tenden Erfolg errungen, und wenn heutzutage irgend Leonhard ein Lionardo.