II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 212

box 21/2
16.1. Lebendige Stunden zyklus
Theater=Korrespondenz.
Deutsches Theater: Lebendige Stunden. Vier Einakter von Arthur
Schnitzler: Lebendige Stunden. — Die Frau mit dem Dolche. — Die
letzten Masken. — Literatur.
Schnitzler ist der Bühnendichter, der unter seinen Kollegen dem Kritiker
die ungetrübteste Freude gewährt. Von ihm hat Niemand im Ueberschwang
kritikloser Hoffnung verlangt, daß er ein Zeitalter neuer Kunstkultur herauf¬
führen möge. Man hat an ihn nie Forderungen gestellt, die dann nicht
eingelöst werden konnten. Man hat ihn nie leidenschaftlich bekämpfen
müssen, weil Ansprüche und Leistungen in gar zu großem Gegensatze
ständen. Arthur Schnitzler ist ein sehr geistreicher Mann, der mit feiner
und wohl erwogener Kunst vornehmen Genuß gewährt. Das beweist er
auch wieder in seinen neuen vier Einaktern, die bei gelungenster Dar¬
stellung im Deutschen Theater einen ebenso schönen wie berechtigten Erfolg
matt ein, verblüffen mit dem zweiten, geben im dritten den zweitbesten Ein¬
akter, der in Deutschland geschrieben ist, wenn „Der grüne Kakadn“
der erstbeste ist, und schließen im vierten mit einem „Schwank“, der sich
sehen und hören lassen kann und der diese vielverachtete Gattung wirklich
und vielleicht zum ersten Male in die Literatur einführt.
Die „Lebendigen Stunden“ sind nichts als ein Dialog zwischen
dem älteren Herrn Anton Hausdorfer und dem jungen Dichter Heinrich.
Diesem ist nach langwierigem, schwerem Leiden die Mutter gestorben, die
jenes hochverehrte und tiefgeliebte Freundin war. Die beiden Männer
werden in Gegensatz gebracht durch die Art, wie sie sich mit ihren Schmerz
abfinden. Haushoser nimmt am Leben und seinen Schicksalsfällen un¬
mittelbar Theil, mit Schmerz oder Freude. Jetzt, beim Tode der geliebten
Frau, verzehrt er sich in Gram und findet keinen Weg aus dem Reich
des Schmerzes. Der junge Dichter zeigt diesen Weg, in seiner Fähigkeit,
sich künstlerisch zu entladen und zu entlasten. Das begreift der Alte nicht:
„Was ist denn Deine ganze Schreiberei, und wenn Du das größte Genie
bist, was ist sie denn gegen so eine Stunde, so eine lebendige Stunde, in
Sensen