II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 295

16.1. Lebendige Stunden Zuklus
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nicht dasselbe ist. Und nun beschämte er uns gestern] Ganzen, vermag ein Maestoso oder ein Scherzo wohl # spuren, die uns elend oder glücklich oder frei
wieder: ich muß mit meiner Truppe nach Wien fahren,
zu wirken, ja binzureißen. Allein nur Derjenige
lebendigen Stunden. Und als zweites Haupt
um Euch das letztentstandene Werk — und zugleich eines
kann im tiefsten Herzen ergriffen sein, der das gesammte
die uralte Melodei mit, daß ja doch nur der
seiner schönsten — Eures Wiener Dichters Arthur
Werk kennt, vom ersten Motiv an, durch alle Wandlungen
schönen Sinne Mensch ist, weil nur in seiner
Schnitzler zu zeigen, des Mannes, der Eure seltsame Art,
und Umkehrungen bis zum Finale. Ich weiß nicht, ob
Resonnanz hat, Wirklichkeit und Divination,
die ironische Liebenswürdigkeit, den sentimentalen Spott, den
Schnitzler musikalisch ist, aber er hat sein ideelles Thema
Grausamkeit, jauchzender Ueberschwang und
heiteren Ernst, die spielerische Bedachtsamkeit Eures Wesens
durchgeführt, wie ein formgerechter Komponist sein melodi¬
Leid: die ganze Welt und noch ein bischen
so vollkommen auszudrücken versteht, wie kein Zweiter,
sches Tbema durchführt, Ecksätze und Durchführungstheil Nebenmotive sind von solcher Eigenart, daß
und der, indem er Euch ansiebt und beobachtet und
und Abschluß, immer ein neues Gewand und immer der
die Hauptsache vergessen lassen, und sie sind
schildert, doch wieder das Zufällige wegthut und im
leitende Gedanke derselbe; Selbstständigkeit im Einzelnen,
die Geigen gelegt, daß ein Ungeübter die schö
Grunde das erschauen läßt, was von eh' und für immer
wo doch nur das Ganze als Einheit genommen, eine
Kontrapunkte leicht überhören kann.
gilt: das arme, kleine Menschlein in all seiner Ab¬
Variation vorhanden ist, Abwechslung im Gleichen,
Die vier Sätze dieser Sonate in drama
bängigkeit — blickt her und erkennt jetzt, wen Ihr unter
Uebereinstimmung in der Verschiedenheit: „Was ist denn
heißen: „Lebendige Stunden“ — eine Mutten
Euch habt: einen Ganzen, einen Ausgereiften, einen
Deine ganze Schreiberei,“ sagt im ersten Stücke Haus¬
dahinsiecht, erkennt, daß die ewige Sorge um
Dichter pur et simple. Vielleicht ist es gut so, daß wir
dorfer zum jungen Dichter Heinrich, „und wenn Du
im dichterischen Schaffen hindert; sie nimmt
diesen Stupfer von draußen kriegten, daß man uns dent¬
das größte Genie bist, was ist sie denn gegen so
ein wenig mehr Tropfen und stirbt. Der alte H
lich machte, wie sehr man anderswo mit Liebe und Eifer
eine Stunde, so eine lebendige Stunde, in der Deine und Selentröster sagt dem Sohne, was geschah
beflissen ist, wo wir stumpf und dumpf verbarren —
Mutter hier auf dem Lehnstuhl gesessen ist und zu
es geschah. Und dieser, ein guter Bursch, ab
vielleicht raffen sich Jene, die im Bereiche der Kunst mit¬
uns geredet hat oder auch geschwiegen — aber da
Gefühl des wieder schaffensfreien Künstlers, ant
zuwirken haben, sei's auch noch so bescheiden, zu froher
ist sie gewesen — da! Und sie hat gelebt, gelebt! Heinrich
an künftige Werke denkend: „Sie haben den#
Energie auf, zu einem einigen Kampf wider die Lässigkeit
antwortet: „Lebendige Stunden? Sie leben doch nicht
dieses freiwilligen Opfertodes zerstört...
und Duldung und Langmuth: vorwärts aus eigener
länger, als der Letzte, der sich ihrer erinnert. Es ist nicht
gibt Ihnen heute noch das Recht, mich mi
Kraft, und was uns gebört, soll auch unser sein.
der schlechteste Beruf, solchen Stunden Dauer zu ver¬
im Frühjahr, wenn Ihr Garten aufs 2
Schnitzler's Drama „Lebendige Stunden“ besteht
leihen über ihre Zeit hinaus.“ Und dann im letzten Stücke
sprechen wir uns wieder, denn auch sie leben
scheinbar und auch dem Titel nach aus vier einakligen
„Literatur“, dem aus Ende gestellten Scherzo, hat Mar¬
Zweiter Satz: „Die Frau mit dem Dolche
Stücken, jedes anders geartet, aus anderen Zeiten und
gareihe all ihre Erlebnisse in einen Roman zusammen¬
Galerie treffen sie sich, vor dem alten G
anderen Kreisen geholt, verbunden durch den Namen des
gefaßt, heimlich, wider den Beschluß des Geliebten, weil Dame, die ihren Buhlen eben erstochen hat
ersten, der als Gemeinschaftsname dient und nur so bei¬
sie so mußte, und sie wirft ihn doch ins Feuer, als liebt sie, wie nur ein Maler liebt, mit al
läufig innere Zusammengehörigkeit andentet. Von Dichters¬
es die Gegenwart, die lebendige Stunde erfordert — dort selbst mit den Augen. Pauline, ihrem Man
leuten handeln alle vier und vom Hereinschlagen rein
ist das Gefühl der Kunst, hier ist das Gefühl des
und doch wie taumelnd von solchem verzeh
menschlicher Dinge ins Künstlerthum, sonst ist jedes für
Seins stärker und eigentlich ist's doch das
langen des Künstlers widerstrebt. Angesichts
sich da, auf den ersten Blick nämlich, und es dürfte nicht
gleiche — wir spielen mit dem Leben, das Leben
hat sie eine Vision: wie sie denn doch nachgib
wundernehmen, wenn dieses oder jenes allein gegeben
spielt mit uns, von Bedeutung sind nur jene
verzweifelt ihre Schuld gesteht und am
werden sollte. Das hätte dieselbe Berechtigung, wie die
wenigen Zeitspannen, die dies schlummernde Gute oder
Rache nimmt, ihn für das Dämenisch
Aufführung eines einzelnen Satzes einer Symphonie: in
Schlechte in uns auslösen, die uns über uns selbst binaus= das nicht so sehr in ihm, als in ihr
sich abgeschlossen und doch nur das Bruchstück einesl heben, Kräfte in uns erregen, deren Walten wir sonst nicht! Und sie erschauert: was kommen